Das Lied von der Locke oder Danke für den Fisch

28 02 2009

Schillers Schädel, Äpfelduft,
all dies weht aus deutscher Gruft,
fächelt klassisch, musisch und
tut dem Kulturellen kund,

wie wir unsre Dichter preisen.
Marbachs Nachlass will uns weisen
hin auf eine Strähnenschar,
die von Schillers Schädel war.

Schillers Haupthaar, zum Beglücken
(und das echte! nicht Perücken!)
liegt in einem runden Ding,
das nun Aufmerksamkeit fing.

Schillers Schopf in Einzelteilen
lädt den Denker zum Verweilen:
hat der Dichter bei der Glocke
sich das Haar gerauft? Der Locke

Schädelnähe klar beweist:
diese Locke ist voll Geist!
Karlos, Tell und Wallenstein,
all dies schließt das Löckchen ein.

Räuber, Fiesco, Ibykus,
sind nach Marbachs weisem Schluss
aus des großen Dichters Kopf.
Folglich zeigt man uns den Schopf.

Leider fehlen uns die wahren
Schätze in Reliquiaren:
Fingernägel, die gewisslich
voll von Geist sind, weil sie schließlich

an des Dichters Schreibhand waren,
Taschentücher aus den Jahren,
da er seine Bürgschaft schrieb –
ach, noch manches wär uns lieb!

Darin sind die Deutschen eigen:
wolln sie rechte Gunst bezeigen,
weihen sie Kultursymbolen,
dienstbeflissen, Gott befohlen,

einen konservierten Fisch.
Einig stehn auf deutschem Tisch
Schillers Locken und desgleichen
Bismarcks Hering. So erreichen

Dichterfürst und Kanzler Ruhm
als des Volkes Eigentum,
hoch geachtet, hoch verehrt,
viel umschwärmt. Und gern verzehrt.





Schöne Grüße vom Murmeltier

27 02 2009

Als Anne rechts rüberzog – sie geht vor Autobahnausfahrten immer schön rechtzeitig auf 180 herunter und bremst dann in der Kurve ab, einige Leute, die es überlebt haben, sagen, sie fahre wie ein Henker; manche äußern sich weniger zartfühlend – als Anne also rechts rüberzog, schloss ich die Augen. Man kann mit dieser Frau nicht diskutieren, das heißt, man kann schon, aber nicht im Auto. Also nicht, wenn sie fährt. Ist auch besser so, denn ich möchte nicht wissen, wie oft sie die Hände vom Steuer nimmt. Anne argumentiert gerne manuell, was bei 297 Kilometern in der Stunde ein merkwürdiges Gefühl in der Herzgegend auslöst.

Die Statistiker der Diözese sollen errechnet haben, dass die Zahl der Kircheneintritte signifikant zunimmt, wenn Anne eine Mitfahrgelegenheit anbietet. Ich hätte den Erwerb einer Busfahrkarte in Erwägung ziehen sollen. Lebend kriegen sie mich nicht. Er oder ich – und meines Wissens hatte der Papst seinen Golf längst eingemottet.

Noch ein kleines Stündchen Stadtverkehr, bis wir die 500 Meter zum Ärztehaus zurückgelegt hatten. Anne wollte noch eben schnell ein Rezept abholen. Eine gute Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten, das Hemd auszuwringen und den Puls langsam wieder auf 130 zu bringen.

Ich löste den Anschnallgurt, öffnete die Beifahrertür und muss mir wohl den Kopf gestoßen haben. Jemand hatte die Beleuchtung ausgeknipst und ich fiel in etwas hinein. Es war wie Magnesiumlicht, nur ungefähr hundert Mal so hell. Drüben vernahm ich erst verzerrte Stimmen, dann wurde es deutlicher. Was war das? Akustische Leuchtreklame? Die Klingelton-Charts? Es war alles zusammen, es war Britney Spears. Oder doch Alexander Klaws? So genau war das nicht auszumachen. Was keine Frage des Lichts war. Und es schien hier unten verdammt glitschig zu sein.

Das Schild oberhalb des Abgrunds hatte ich flüchtig gesehen, als ich die Balance verlor, und es hatte sich mir in die Netzhaut eingebrannt: Eingang zur Cover-Hölle. Ich ließ alle Hoffnung fahren. Hier also landet das alles. In einer gigantischen Recycling-Anlage, die die Musik von Jahrzehnten einsaugt und zentrifugiert und als komprimierten Popschrott wieder ins Universum zurückkotzt.

An den Wänden des Schlunds klebten Cindy & Bert. Zwar nur als Plakat, aber das machte die Sache keineswegs angenehmer. Knapp oberhalb der Hörschwelle sang Jürgen Drews etwas von Doppelkorn und Feldbett. Die Feedbackschleife lief rückwärts – was mir zunächst gar nicht auffiel – und wurde von Marusha überlagert. Kein Zweifel, das war nicht die Oldschool-Version nach Dante, hier waren Techniker am Werk gewesen. Diese Hölle war selbst eine aufgebohrte Cover-Version.

Einem Meteoritenschauer gleich kamen mir auf der linken Spur Glasballons entgegen. Tausende unförmiger Kugeln voller Klumpen, die mit den Hüften wackelten, gewandet in Zweimannzelthosen und behangen mit riesigen Gartenschläuchen aus Bling-Bling. Es waren Retorten-Rapper, die aus dem Inferno katapultiert wurden und nur eine Aufgabe hatten: unschuldigen Menschen die Gehörgänge zu verstopfen. Der Fahrtwind säuselte noch einmal leise Say Yo Motherfucker, dann waren sie an mir vorbei.

Die Bilder begannen sich zu überlagern. Zehn Tenöre besangen zehn nackte Frisösen. Tokio Hotel moshten den Erzherzog-Johann-Jodler. Andy Borg interpretierte Herbert Grönemeyer. Die Spirale beschleunigte sich. Eine Allstar-Band mit Bela B. am Schlagzeug, der linken Hälfte des Goldried Quintetts und Kirk Hammett begleitete Karl Moik bei einem Nena-Medley. Zu den unangenehmeren Momenten gehörte der Anblick von Bro’Sis, die in einer Las-Vegas-Variante von Glücksrad auftraten und sich selbst nachmachten – vermutlich hatten sie niemanden gefunden, der den Job freiwillig übernehmen wollte. Zur Strafe drehten Céline Dion und Anastacia abwechselnd am Konsonanten-Roulette. Ich versuchte, die Augen zu schließen, konnte es aber nicht. Musste nicht bald der Aufprall kommen? Und was dann? Dieter Bohlen mit einer Ralph-Siegel-Maske? Oder umgekehrt?

In meinem Schädel hämmerte es. Schon wieder Billigtechno aus der Tiroler Skihütte? Vor meinen Augen erschien ein überdimensionales Murmeltier, das sehr langsam und mit Rückwärtshall auf mich einredete. Es griff nach meinem Hinterkopf. Das also war das Jenseits? Ich hatte es mir irgendwie ganz anders vorgestellt. Woher kamen diese komischen Geräusche? Warum stank es hier so nach Alkohol? „Er ist tot, Herr Doktor Klengel!“

Das Murmeltier hatte die Sonnenbrille in die Stirn geschoben und blickte mich aus schreckgeweiteten Augen an. Faszinierend. Der Mann mit dem Spitzbart tupfte an meiner Schläfe herum und meinte, es sei nur eine Platzwunde. Immerhin bestehe starker Verdacht auf eine Gehirnerschütterung, weshalb der Patient nun in die Klinik verbracht werden müsse. Ich hätte zuletzt unaufhörlich gesungen, unter anderem obskure Lieder wie das vom Wiedehopf im Mai.

Anne fragte Doktor Klengel, wie ernst es wirklich sei und was das mit dem Wiedehopf auf sich habe. Der replizierte trocken: „Ich bin Arzt und kein Schallplattenverkäufer.“ Aber was versteht Anne schon von guter Musik. Sie denkt ja bis heute, den Scotch habe eine alte Dame in Leningrad erfunden.





Friss und stirb

26 02 2009

Die Namensfindung gelang nach zähem Ringen und Würgen. War der Sponsoren-Vorschlag Futter-Night schon an seiner Kompliziertheit gescheitert, so konnte sich doch auch die Empfehlung Schöner Schlemmen als arme Sau nicht durchsetzen. Konsensfähig war dann – zähes Ringen, um es nochmals zu akzentuieren – Verantwortungsbewusste Ernährung für sozial benachteiligte BundesbürgerInnen.

Das Sendekonzept war denkbar einfach. Je ein Promi ohne Sachverstand und eine dreiköpfige Familie, die Hartz IV bezieht, wurden von Reinhold Beckmann durch die Sendung geführt. Am Ende der Folge sprach jeweils ein als kritisch eingestufter Gastkommentator einen kritischen gemeinten Gastkommentar. Die minimalistische Kulisse hatte eine Beuys-Schülerin entworfen, die auch prompt Schwierigkeiten bekam, da sie das Honorar ordnungsgemäß angab und deshalb keine Bezüge mehr erhielt. Die Moderatoren wurden von einer großen Warenhauskette mit dezenter Eleganz in Polyester ausgestattet. Die Betroffenengruppe bekam einen eigenen Wartebereich mit Mülleimern direkt neben den Einzelgarderoben der Hauptdarsteller. Immerhin etwas.

Während Giulia Siegel demonstrierte, dass sie nicht nur vom Kochen keine Ahnung hat, wies Hellmuth Karasek noch einmal deutlich darauf hin, wie sich Günter Grass seinen Nobelpreis erschlichen hätte; das hatte zwar nichts mit der Sendung zu tun, wurde aber nicht weiter hinterfragt, da der Kultur-Etat die Sendung förderte.

Auch Saskia Valencia, die weder vor noch während der Aufzeichnung wusste, worum es sich eigentlich handelt, machte keine Probleme. Einen Eklat gab es allerdings, als ein hoher evangelischer Würdenträger in seinem Statement die Höhe der Regelsätze sowie das behördliche Verhalten gegenüber den Empfängern als menschenunwürdig bezeichnete. Ein Mitglied des Bayerischen Landtages, das bereits abgeschminkt wurde, stürzte ins Bild zurück und konnte von Maskenbildnerin und Requisiteur nicht mehr daran gehindert werden, dem Geistlichen mit einer gusseisernen Pfanne eine Kopfplatzwunde beizubringen. Der zeitnah anberaumte Check der MAZ ergab, dass bereits vor dem Angriff „Sau, lutherische!“ sowie zwei Verstöße gegen § 130 Abs. 1 StGB deutlich aus dem Off zu hören waren – die Mitschnitte führten später wochenlang die Charts diverser Videoportale im Internet an, DJ Ötzi landete mit seinem Remix einen Megahit in Österreich – und das Material im Eimer war. Rettung brachte Roland Koch, der im Nebenstudio gerade abdrehte, und zwar das Feature Weltuntergang durch Jugendkriminalität. Er hatte nicht nur keinen blassen Schimmer, er konnte sich hinterher auch noch vorzüglich selbst widerlegen.

Thilo Sarrazin wurde nicht eingeladen. Ein multinationaler Fertigsuppenhersteller drohte damit, seine Schaltungen zurückzuziehen, falls zwischen den Spots Hetzpropaganda ausgestrahlt würde.

Es lief ohnehin nicht pannenfrei ab. Beckmanns Anmoderation war noch nicht gelaufen, als Hella von Sinnen schon gedankenverloren zwei Scheiben Schnittkäse (mittelalt) und eine Gewürzgurke genascht und damit die Hälfte der Zutaten für ein dreigängiges Menü vernichtet hatte. Sie bedauerte ihren Fehler und lud die Familie (Vater, Mutter, 17-jähriger Sohn) zur Entschädigung an Ort und Stelle an eine nahe gelegene Imbissbude ein, wo sie „ab hier erst mal Currywurst mit Pommes schranke, bis die dicke Tante ‚Stopp!’ sagt“ (O-Ton von Sinnen) bestellte. Die ProSiebenSat.1 Media AG sicherte sich die Rechte an den Aufnahmen und arbeitet seitdem an einem neuen Format für Tine Wittler, Arbeitstitel: Irgendwer isst immer.

Ein Highlight war die Episode mit Dieter „You’re my Hartz, you’re my Soul“ Bohlen (sah zum ersten Mal eine Kartoffel mit Schale) und Susan Stahnke (die Sozialhilfe grundsätzlich irgendwie voll doof fand und lieber Werbung für ihre letzte Darmspiegelung machen wollte). Auch Barbara Salesch (wusste zwar etwas, wusste es aber noch geschickter zu verbergen) im Doppel mit Eva Herman (die vom deutschen Volk eine gewisse Härte in Krisensituationen forderte und die Charakteristika germanischer Nationalküche beschwor) bezauberten die Massen. Der zuständige Redakteur hatte sich vor beiden Folgen mit jener Brechtüte in die Besenkammer zurückgezogen, die er erst anlässlich der Verleihung des Grimme-Preises wieder in seiner Jackentasche vorfand.

Die von Horst Lichter betreute Druckfassung der Rezepte krabbelte als Es muss nicht immer Sushi sein die Verkaufsränge hoch. Sarah Wiener bemängelte zwar in ihrer Rezension, Ingredienzien wie faltige Tomaten von der Wochenmarkt-Schlussphase seien für einen normalen Gourmet-Haushalt nicht aufzutreiben, fand aber kein Gehör gegenüber Wolfram Siebeck, der das Buch als fade einstufte, obzwar das Manuskript erst drei Tage später in Druck gehen sollte. Jamie Olivers Koch-DVD The Naked Truth fand dagegen kaum Anklang. Seine Rezepte Jagdwurstscheibe im Längsschnitt an Senfklecks und Knäckekrümel mit Volksliedbegleitung sollen sich seitdem aber im Intranet der Berliner Bezirksämter verbreiten. Man weiß es nicht. Man steckt nicht drin.





Bananenrepublik Deutschland

25 02 2009

Ob nun Steinmeier oder Merkel auf die Idee gekommen war, wusste hinterher keiner mehr so richtig, fest stand jedoch: die Bundesregierung beschloss eine Wiedervereinigung. Mit Panama.

Denn was macht man, wenn die Außenpolitik auf der Stelle tritt und die Wirtschaft so richtig in den Abgrund taumelt. Wenn die Minister Mist bauen und das Volk wahlmüde, politikverdrossen und autoritätsunhörig wird. Da haut man mal eben fix so eine ordentliche Wiedervereinigung raus. Das hebt die Stimmung. Das ist besser als eine Fußball-WM im eigenen Land, Weihnachten und Sex. Auch für Katholiken, die nur zu Weihnachten Fußball sehen und nicht wissen, was Sex genau ist.

Die Bananen Republik Deutschland stand auf der Agenda. Weil es sich um Panama handelte. Denn damit legte die Bundesregierung ein Überraschungsei ins geopolitische Nest, wie es noch keins je gegeben hatte. Kolonien wurde im Zeitalter der Globalisierung wieder hoffähig – die Salutschüsse der Industrienationen ordneten die Geschichte der Plattentektonik neu. Dann wurde Deutschland zum ersten Mal in der neueren Wirtschaftsgeschichte autark und musste für seine Ölvorkommen keine langwierigen Angriffskriege mehr vorbereiten. Und es erfüllte sich der Traum aller wirklichen Patrioten. Es gab Hoffnung auf Bananen. Deutsche Bananen.

Die Christdemokraten stritten noch um Zusammen- oder Getrenntschreibung; Bundespräsident Köhler entschied, da es sich ja um eine Wiedervereinigung handelte, für den Völker verbindenden Trennstrich.

Natürlich feierte der Einzelhandel ein neues Zeitalter, und natürlich meinten die multinationalen Fruchtkonzerne, die Verantwortliche in die Zange nehmen zu müssen. Ein Stück Krummobst weniger im Monopol, und Merkel würde zermatscht wie eine Kiste überreifer Importware. Die eiserne Kanzlerin blieb, wie sie war: kompromisslos.

Natürlich hatte die Regierung sich mit der Opposition in den Haaren. Natürlich forderte die Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen in einer Resolution, dass ausschließlich Bananen aus ökologischem Anbau ins Stammland verschifft würden – von Warnstreiks mal ganz abgesehen. Schon stiftete der Berufsverband Deutscher Südfruchterzeuger massiven Unfrieden, um sich gegen die Knebelverträge von Bahn und Post durchzusetzen, die mit ihrer neu gegründeten Transportgesellschaft ein hübsches Milliardenloch erzeugten. Der Bundestag segnete das als nationale Anstrengung natürlich ab und beschloss eine Abwrackprämie für mittelständische Unternehmen. Die Kanzlerin versprach ihrem Volk blühende Bananenfelder. Jubel scholl durch deutsche Gaue. Von Hessen bis Herrera.

Die Front Deutscher Äpfel ließ es sich nicht nehmen, auf einer Großkundgebung in Leipzig ihre entschiedene Ablehnung gegenüber dem Fremdobst zu unterstreichen. Bananen, so die Damen und Herren in frisch-fruchtigem Schwarz, seien auch in deutscher Produktion nicht für das deutsche Volk geeignet. Dem Gravensteiner vom deutschen Baum auf deutscher Scholle sei das Multikulti-Tuttifrutti nicht gewachsen. Panama ja – aber nicht die gelbe Gefahr! Und das wirkte. Von der NPD sprach keine Sau mehr. Mit ihr schon gleich gar nicht. Das allein war schon Gewinn für das Volk der Deutschen.

In den Beitrittsgebieten der ersten Wiedervereinigung tat sich nicht viel. Zwischen Rügen und Zwickau hatte sich das neudeutsche Volk einfach nie an die Schlauchbeeren gewöhnt. Erst tat der real existierende Sozialismus seins, um die flächendeckende Ausbreitung der Zonengurke scheitern zu lassen, dann verhinderte der Aufschwung die Kalzium-Überversorgung ganzer Landstriche.

Die Importeure ließen nicht locker. In den Fußgängerzonen verteilten sie Aufkleber und Anstecker mit dem Slogan Keine Macht dem Bogen. Rhabarber und Porree wurden zum neuen Nationalsymbol, die deutsche Geradlinigkeit ins Metaphysische zu heben. Der neue Wirtschaftsminister war verzweifelt. Merkel und Müntefering, Steinbrück und Seehofers Bauern machten ihm zu schaffen. Vier gegen Willi. Würde er mit der Banane die Biege machen müssen?

Nur die FDP nutzte die Gunst der Stunde. Sie machte den Bananen-Split in Gelb und Braun, mit neoliberalem und neokonservativem Flügel, dazwischen kein Rumpf für Höhenflüge. Sie wirkte trotzdem leicht abgehoben.

Mitten in der Diskussion meldete sich Panama. Man hatte doch glatt vergessen, seine mittelamerikanischen Bündnispartner zu fragen, ob ein Anschluss derzeit auf die innenpolitische Tagesordnung passe.

Die Nation spaltete sich selbsttätig. Hoffnung und Desolation breiteten sich aus. Den einen gefiel es, Hartz-IV-Empfänger als Bananenpflücker zur Zwangsarbeit in die Plantagen zu jagen, die anderen mokierten sich, dass man den Sozialschmarotzern, die schließlich auf Kosten der Allgemeinheit um die halbe Welt reisen dürften, noch Essensgutscheine gäbe. Schließlich stünden sie täglich achtzehn Stunden im Paradies, die Futteralfrucht in vollem Wuchs vor Augen.

Die Nation spaltete sich. Es war nun kein Bürgerkrieg, aber das Volk hatte sich in den Haaren. Lager drosch auf Lager ein. Eine vernünftige Debatte war schon lange nicht mehr zu führen.

Es war eine Wiedervereinigung, wie sie im Buche steht.





Total Recall

24 02 2009

Ich traute meinen Augen nicht. Diese faltige Haut. Der jämmerliche Haarschnitt. Diese billigen Klamotten. Eine Körperhaltung wie ein Mehlsack im Halbschlaf. Das also war er? Siebels war stolz auf sich. „Wir haben den Pop-Titanen gleich für drei Staffeln verpflichtet.“

Und wirklich, er konnte stolz sein auf sich. Auf so eine Idee muss man erst mal kommen: zur besten Sendezeit versägte der Superstar-Terminator Investmentbanker im Minutentakt. Gebannt hörte ich ihm zu. „Das ist keine Ruhe, das ist Leichenstarre. Da gucke ich doch lieber Fußpilz beim Wachsen zu! Das ist wie ’ne Kläranlage. Außen Beton, innen Scheiße.“ Noch hielt sich der Geldhai über Wasser, doch Bohlen legte nach. „Das Ding heißt hier nicht: ‚Deutschland sucht Naturkatastrophen‘.“ Da soff der Finanzfisch ab.

Siebels gab rasch ein paar Zeichen, und schon betrat der nächste Rechenkünstler die Szene. Sofort knallte Bohlen ihm die Breitseiten entgegen. „Eher heiratet Dich der Papst, als dass Du ein Bankkaufmann wirst.“ Zack, das hatte gesessen. „Persönlichkeit wie ’ne Bockwurst. Du bist die personifizierte Talentfreiheit aus Deutschland!“ Schon bekam der Hinrichtungskandidat rote Ohren. Möglicherweise hatte er es für ein Lob gehalten. Und da zog sich schon die Schlinge zu. „Vielleicht hast Du ja bei Dir im Ort zwei Frauen flachgelegt und glaubst jetzt, Du bist der große Stecher.“

Ich setzte mich zu Siebels ans Regiepult. „Gut, ich denke auch, dass man das einmal oder zweimal laufen lassen könnte. Als DSDS-Spinoff gewissermaßen. Aber glauben Sie ernsthaft, dass man daraus drei komplette Staffeln stricken kann?“ Siebels gab sich zuversichtlich. „Sehen wir’s doch mal so: die Leute gucken diesen ganzen Schwachsinn doch nicht, um irgendwelche Gina-Lisas stöckeln zu sehen oder zu erdulden, wie sich die Küblböcks dieser Nation zum Affen machen. Sie wollen erleben, wie Bohlen dieses halbgare Kroppzeug von der Bühne wischt.“

„Und Sie fürchten keine Kompetenzproblematik bei diesem Sendekonzept?“ Siebels verstand nicht gleich. Ich erläuterte ihm, das Publikum von Wirtschaftssendungen könnte unter Umständen Bohlens Sachverstand in Finanzdingen in Frage stellen. Er beruhigte mich. „Solche Sendungen werden ja nicht unbedingt nur wegen Wirtschafts- oder Sozialkompetenz eingeschaltet. Sogar in der Börsenanalyse treten ja meist die auf, die die schönsten Sprechblasen absondern können.“ Er lächelte. „Außerdem müssen Sie wissen, Herr Bohlen ist studierter Betriebswirtschaftler. Diese ganzen Vollspaten haben ja meisten schon Probleme, die Grundrechenarten zu unterscheiden.“ Das allerdings war eine schlagende Argumentation, der ich mich nicht entziehen konnte. Welch ein kluger Kopf doch Siebels war. Wirklich bis ins letzte Detail hatte er alles durchdacht.

„Du hast einfach nichts drauf, außer vielleicht Zahnbelag“, röhrte der Musikproduzent, „weißt Du, was der Unterschied zwischen Dir und einem Eimer Scheiße ist? Der Eimer!“ Der kleine Anzugträger stand noch heldenhaft im Sturm der Injurien, da klatschte die nächste Woge auf ihn ein. „Der Nachteil bei Dir ist, dass Du keinen Vorteil hast. Ich kann Dir nur einen superguten Tipp geben: lass das für alle Zeiten. Verschon die Menschheit!“ Und auch er versank und wurde mit der Strömung fortgespült. Bohlen hatte sich immer noch nicht gefangen. Wie im Fieber drosch er auf dem Banker ein, der sich bereits auf dem Bühnenboden krümmte. „Leidest Du an Intelligenzallergie oder was hast Du an dreimal Nein nicht verstanden? Du siehst so aus, als hätte man irgendwo bei Euch in der Familie einen Seehund eingekreuzt.“ Ich lockerte ein wenig den Kragen und verließ das Studio.

Auf dem Gang wand sich die Schlange geschniegelter Investitionsfüchse. Ich zog mir einen Kaffee zum Mitnehmen, da stand auch Siebels wieder hinter mir. „Na, wie gefällt es Ihnen bisher? Finden Sie nicht auch, dass das ganz exzellent läuft?“ Ich meldete neue Bedenken an. „Verstehen Sie mich nicht falsch, aber kann man nicht wenigstens den Ton ein bisschen mäßigen? Das ist doch auch sozialethisch desorientierend, wie Sie hier Ihre Kandidaten verheizen. Insgesamt sieht es für mich eher wie eine Spaßveranstaltung aus – Sie produzieren hier doch nur jede Menge Witzfiguren, die sich nicht wehren können. Dient das nicht der massiven Konfliktverschärfung im öffentlichen Diskurs?“ „Nein, es dient der Psychohygiene. Alle diese Investmentbanker haben sich jahrelang durchs Leben geschnorrt, unschuldige Anleger um ihre Ersparnisse gebracht und waren sowieso immer unschuldig, wenn alles schief ging. Herr Bohlen projiziert nur den Zorn der Bevölkerung auf diese Versager. Sie verdienen es nicht anders. Er sorgt in den Augen der Zuschauer für Gerechtigkeit.“

Drinnen hatte die Popplaudertasche bereits die nächste Null in der Mangel. „Dich haben sie bei der Mülltrennung offenbar auf den falschen Haufen getan! Geh nach Haus und lass Dich löschen.“ Siebels war zufrieden. „Du stehst da wie ein Schwanz in der Hochzeitsnacht. Aber am Ende kommt auch bei Dir nichts raus.“ Ich lehnte mich zu ihm herüber. „Und was machen Sie nach der dritten Staffel?“ „Wir sind schon am Verhandeln. Wenn wir den Vertrag mit Herrn Bohlen verlängern können, lassen wir ihn auf Politiker los. Ich sage Ihnen, das wird der Bringer überhaupt!“





Schluss mit Lustig

23 02 2009

Köln (zyn) Wie heute Vormittag aus Polizeikreisen verlautete, forderte die Explosion in Köln-Grengel ein Todesopfer. Es handelt sich dabei um den arbeitslosen Maschinenschlosser Norbert R. (51).

Nach Aussage des Imbiss-Besitzers Fred W. (63) hatte der Lebensmittelchemiker Alexander P. (39) am vorigen Mittwoch beim Verzehr eines Schaschlikspießes geäußert, dass der Karneval ihn von Jahr zu Jahr mehr störe und er darauf ebenso verzichten könne. R., ein Nachbar des mutmaßlichen Täters, begann daraufhin, P. als „Vaterlandsverräter“ und „perverse Sau“ zu beschimpfen. Rosenverkäufer Rafik Ü. (46), der einen Zwischenstopp machte, um Wechselgeld zu erhalten, sagte später, R. habe mit Bierdosen um sich geworfen. P. habe sich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dort befunden.

Am Donnerstag fand P. beim Öffnen seiner Wohnungstür den auf die Außenseite aufgesprühten Schriftzug „Alaaf Tünnes!“ vor. Er konnte der Aufforderung des Hausmeisters, die Schmiererei innerhalb der nächsten Stunde zu entfernen, nicht nachkommen, da er am Vormittag einen wichtigen Kundentermin in Düsseldorf wahrnehmen musste. Obwohl der Hausmeister die Farbe auf P.s Kosten entfernte, wurde bereits mittags das Türblatt mit 203 Exemplaren eines Flyers zum Schull- und Veedelszöch beklebt. Der dabei verwendete Sekundenkleber erwies sich als äußerst haltbar. Etliche Flyer waren unter der Wohnungstür durchgeschoben worden, was P. nach der Heimkehr feststellte. Das mit Kot beschmierte Papier – eine spätere DNA-Analyse ergab R. als den Urheber – verschmutzte den Teppichboden derart, dass der Hausmeister P. eine fristlose Kündigung wegen unsachgemäßem Gebrauch der Mietsache androhte.

In der Nacht waren zunächst ältere Aufnahmen der Bläck Fööss und der Räuber auf höherem Lautstärkepegel zu hören, bis R. im Treppenhaus mittels einer Blechgießkanne Jupp Schmitz’ Wer soll das bezahlen intonierte. Der auf der gegenüber liegenden Straßenseite wohnende Lungenfacharzt Dr. Theo Sch. (50), der die Polizeistreife alarmiert hatte, erstattete trotz des Beschwichtigungsversuchs seitens der Beamten Strafanzeige, da ihn R. als „Pissnelke“ bezeichnet und ihm mehrfach angedroht hatte, ihm „die Eier abzufackeln“. R. wurde zur Ruhe ermahnt. Nach einer amtsärztlichen Untersuchung wurde er auf freien Fuß gesetzt, da keine Fluchtgefahr bestand.

Als P. am Freitagabend gemeinsam mit Mehmet E. (36), einem Arbeitskollegen und Freund, das Laborgebäude ihres Arbeitgebers verließ, wartete Norbert R. bereits auf dem Parkplatz vor dem Gelände. Nach Aussage des Pförtners hatte R. zuvor ungefähr eine halbe Stunde lang mehrere Chemielaborantinnen sexuell belästigt und mit dem von ihm mitgeführten Luftgewehr sämtliche Scheinwerfer eines Lieferwagens zertrümmert, bevor ihn zwei Wachschutzmänner überwältigten. Dabei zog sich R. eine leichte Rippenprellung zu, so dass er sich in sein Auto setzte. Als P. das Labor verließ, lief R. auf ihn zu, wobei er zwei Pressluftfanfaren betätigte. Mehmet E. und der Pförtner gaben später zu Protokoll, R. habe dabei unter anderem „Schalalalala, Du Drecksack“ gebrüllt. Die von E. per Handzeichen herbeigerufene Polizeiwachtmeisterin Nicole O. stellte die Personalien des R. fest und entzog ihm, da dieser zwischenzeitlich eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 Promille aufwies, die Fahrerlaubnis. Wie sich mehrere Mitglieder des Wachschutzes und O.s Kollege, Polizeihauptmeister Ernst L. (49), erinnern, forderte R. die Beamtin auf, sich zu entkleiden. Wie er in den folgenden dreißig Sekunden einen Nasenbeinbruch erlitt, einige Vorderzähne verlor und einen Tritt ins Steißbein erhielt, ist nicht geklärt. Möglicherweise hat sich R. die Verletzungen selbst beigebracht.

Als Alexander P. am folgenden Morgen den Hof seines Wohnhauses betrat, um einen Wertstoffsack in den Sammelcontainer zu werfen, riss R. das Schlafzimmerfenster auf und bewarf P. mit toten Zierfischen. Dazu stellte er sein Radio mit CD-Spieler auf die Fensterbank und ließ bei voller Lautstärke den Disco-Hit Brown Girl In The Ring laufen, was er durch lautes Mitsingen ergänzte. Drei Nachbarn bestätigten, R. habe den Text in „Du bist impotent, Du kriegst keinen hoch“ verändert.

Bereits am Nachmittag begann R., unterstützt von seinem Kegelbruder, dem Hilfsarbeiter Günther I. (49), Gegenstände an die Wohnzimmerdecke zu schlagen, darunter mehrere Bügeleisen, eine Schlagbohrmaschine und eine gusseiserne Pfanne. Sie hämmerten im Takt des Karnevalsschlagers Viva Colonia, was sich fortsetzte, als R. dazu überging, mit der Pfanne die Außenseite von P.s Wohnungstür zu bearbeiten. Die Büroinformationselektronikerin Ewa H. (31) beschwerte sich über die Belästigung. Nachdem sie das Haus verlassen hatte, um – so sagte sie später aus – den Karneval aus sicherer Entfernung von Łódź aus zu verfolgen, setzte der Lärm wieder ein und dauerte bin in den frühen Sonntagmorgen.

Als Alexander P. nach dem Besuch der Heiligen Messe sein Wohnhaus betrat, fand er ein an die Wohnungstür genageltes Meerschweinchen vor. P. erlitt einen Schock, konnte aber durch Gabe von Kochsalzlösung rasch stabilisiert werden. Da eine Beamtin einen Anruf auf P.s Mobiltelefon annahm, wurde Mehmet E. informiert. Dieser begab sich sofort zum Unfallort. Laut Obduktion durch den Amtstierarzt war das Nagetier erst durch den Blutverlust verendet, den der Stahlnagel verursacht hatte. Ein Zusammenhang mit der aufgehebelten Wohnungstür des Hausmeisters, dessen Tochter ihr Haustier vermisste, konnte nicht hergestellt werden. Der Hausmeister erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt. Hauptwachtmeister Peter M. (41) erinnerte sich später, Mehmet E. habe seinem Kollegen dringend angeraten, die nächsten Tage bei seiner Familie zu verbringen, was dieser jedoch ablehnte.

Die Demonstration von Tierschutzverein und PETA wurde von Ordnungskräften observiert. Transparente mit der Aufschrift Du kriegst noch mehr, Schwein! wurden beobachtet. Als die ersten Pflastersteine in R.s Fensterscheiben geworfen wurden, löste ein Wasserwerfer die Kundgebung auf.

Obwohl Norbert R. neben der Bläck-Fööss- und Höhner-Beschallung am Sonntagabend dazu überging, Schmutzwäsche vor P.s Tür zu verbrennen, regte sich der Nachbar nicht. Erst gegen zwei Uhr zog er den Stecker seines Telefonanschlusses. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in dichter Folge Nachrichten wie „Dich kriegen wir noch, Drecksau“ und „Geh doch nach drüben“ auf dem Anrufbeantworter zu hören, bis das Gerät auf Klingelton umschaltete. Der Hausmeister rief Alexander P. kurz vorher an und teilte ihm mit, die Luftwaffe rufen zu wollen, falls das ständige Telefonklingeln nicht aufhöre.

Gegen acht Uhr riss P. ungeachtet des andauernden Lärms ruckartig die Tür auf und schleuderte einen Gegenstand in den Hausflur. Es handelte sich um eine 800-ml-Weißblechdose, die P. mit Hilfe von geschreddertem Buntmetall, Unkrautvertilgungsmittel und Staubzucker zu einer Splitterbombe umgebaut hatte. Die nach wenigen Sekunden erfolgende Explosion des Sprengkörpers führte zum sofortigen Tod von Norbert R., der nur noch anhand von Faserspuren seines beigefarbenen Trainingsanzugs identifiziert werden konnte. P. leistete dem Minuten später eintreffenden SEK keine Gegenwehr und ließ sich widerstandslos festnehmen. Schäden an der Baustatik des Wohnhauses scheinen nicht zu bestehen.

Der im Erdgeschoss wohnende Heinrich F. (87), der von der Detonation aufgeschreckt die Beamten gerufen hatte, konnte erst Stunden nach der Bluttat vernommen werden. Der Pensionär sagte völlig verstört aus, P. sei ein sehr angenehmer Nachbar, der zurückgezogen gelebt und im Treppenhaus stets freundlich gegrüßt habe. Staatsanwältin Verena J. (44) teilte auf Anfrage mit, bisher lägen die Motive für den Anschlag noch völlig im Unklaren. Die Ermittlungsbehörden stünden vor einem Rätsel. Terror könne jedoch als Tathintergrund ausgeschlossen werden.





Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

22 02 2009

Auch in den vergangenen Tagen suchten die Maschinen wieder fleißig diesen Blog. Und Maschinen tun ja immer nur das, was man ihnen sagt. Hoffentlich.

  • die freiheit monsignore!!!!!!!! stets wo: Sire, geben Sie Interpunktionsfreiheit. Einself.
  • drewermann zu williamson: Williamson zu Ratzinger, der fälscht ab, Flanke, da müsste Meisner stehen, da steht Meisner: Tooooor!
  • zeitlos luana philosophie: Ich möchte mal anzweifeln, dass hinter solchen Vornamen irgendeine Philosophie steckt. Höchstens zeitlose Profilierungssucht seitens der Herren Eltern.
  • drewermann und piusbrüder: Bedaure, von dieser Bluesband habe ich so gut wie gar keine Schallplatte vorrätig. Darf’s vielleicht was von Küng & The Smoking Popes sein?
  • gescheitert bin ich. natürlich an mir selbst: Was ich ohne mit der Wimper zu zucken unterschreibe. Wollen wir’s vorerst medikamentös versuchen oder hätten Sie lieber gleich einen Termin für unseren Menstruations-Workshop?
  • wie kamen die piusbrüder zu ihrem namen: Also das war so: der Piu, der hat ganzganz viele Brüder. Und weil die alle die Brüder von dem Piu sind, sind das Pius Brüder. Und wenn Du brav bist, erklärt Dir der Onkel nächste Woche, wo in der Wanne-Eickel der Stöpsel sitzt.
  • drewermann williamson: Nee, der heißt Williamson Drewermann. Ist doch dieser argentinische Rennfahrer, oder? Heißt der nicht auch Nelson, der Kerl?
  • kaffeefahrt: Mit Williamson!? Gott bewahre! Hättense mal lieber beim letzten Mal Westerwelle gebucht.
  • fernsehbilder von magarethe schreinemakers: Sorry, alles gut verdrängt, und bitte bohren Sie jetzt nicht in den Wunden herum.
  • soziologie praktikum: Soll ich Ihnen mal was von Luhmann leihen? Vielleicht versuchen Sie es hinterher doch mal besser mit Kunstgeschichte.
  • normaler ruhepuls: Ohne Karl Moik oder eine Runde Kickboxen immer noch bei 70. Es sei denn, Sie stellen doofe Fragen.
  • arschgeweih tattoos: Also sehr angesagt ist ja derzeit Jeanette Biedermann.
  • tattoo intim: Nehmen Sie bloß nicht Jeanette Biedermann!
  • bleistift auf papier: Hätte ich vor der Suche vielleicht erst digitalisiert.
  • barbie bundeskanzlerin: Mal Hand aufs Herz: würden Sie den Unterschied überhaupt merken?
  • identitätsgenese: Solange Sie dazu keinen Schönheitschirurgen brauchen: guter Plan. Machense mal.
  • til schweigers duenne haare: Interessiert mich nicht. Hauptsache, meine Frisur steht.
  • seine pumps: Stehen neben ihrem Rasierer. Guckense halt mal genauer hin.
  • sonja zietlow gala 2009: Wenn Sie es gefunden haben, können Sie mir bitte die Sendezeit durchgeben? An dem Tag gehe ich dann Zelten. Vorsichtshalber.
  • risotto mit chicoree: Es gibt so Sachen, die würde ich dann doch lieber nicht ausprobieren wollen.
  • gülcan als puppe zum anziehen: Hat die Frau nicht einen Vertrag als Ausziehpüppchen?
  • silikon tippen sonja zietlow: Also ich tippe ja bei vielen auf Silikon, aber bei der? Oder war das jetzt ein Tittfehler?
  • intim tattoo bilder: Zum letzten Mal: nein, ich lasse hier nicht die Hosen runter!
  • galaveranstaltung mit barbara salesch: Wie jetzt, Gala lädt die Salesch ein? Ich dachte, die nehmen nur gute Schauspielerinnen?
  • pillenausgabe altenheim: Trallali, trallalei, und wir war’n nicht dabei…
  • irrtum vorbehalten: Sie haben da so eine Möbelaufbauanleitung vor sich liegen, hm? Sie Ärmster!
  • kassenlaufbandreiter: Springreiten an der Kasse? Obwohl, ja. Discounter hat schon so was leicht Parcourmäßiges am Samstagstagvormittag.
  • girls in plateaustiefel: Drei Girls in einem Stiefel? Oha!
  • lifting uschi glas: Ja schönen Dank auch. Und wie kriege ich die Bilder wieder aus dem Kopf?
  • darf ich als witwe einen kredit aufnehmen: Frau Gsell, wenn Sie ein neues Auto brauchen, sollten Sie Ihren Suchbegriff noch mal ein bisschen verfeinern.
  • http://www.kuchenrezepte.de: Lassen Sie mich raten: Ihr Browser ist von 1993 und hat noch keine Adresszeile?
  • modell trulleberg: Moment, ich suche gerade eben mal den Scherbolzen.
  • was bedeutet zweimal lebenslänglich: Das bedeutet: wenn Sie wieder draußen sind, geifert die Springerpresse Sie an. Lebenslänglich.
  • die liebste die ihrem liebsten einen dollen Apfelkuchen gebacken hat: Alles im Lot. Falls sie den auch noch nackt serviert.
  • bitte folgen sie mir unauffällig: Also die beiden Bananen sind ganz zufällig von selbst in meine Jackentasche marschiert. Echt. Und die Schokolade war schon drin, als ich die gekauft hatte.
  • „uta ranke-heinemann“: Und die braucht echt Gänsefüßchen? Kam die aus der „DDR“?
  • deutscher schlagersänger 70er vokuhila: Bitte grenzen Sie Ihre Suche ein, sonst spucken wir Ihnen alle aus. Und dann haben Sie ein echtes Problem.
  • kurienkardinal einkommen: Die machen’s alle für Gotteslohn, glauben Sie das ruhig!
  • gülcan kamps fußfetisch: Hat sie einen? Wusste ich bisher auch nicht. Man liest ja auch so selten GALA beim Nervenarzt.
  • schmetterlingskostüm für kinder: Meinen Sie, dass das bei der Erstkommunion wirklich gut aussieht?
  • .bat unauffällig versenden: Machense das doch mal ans Innenministerium, die verstehen eh nix von Sicherheit.
  • beinleine: Soweit ich weiß, wird die beim Bungee-Springen um den Hals gelegt.




Blowin’ in the wind

21 02 2009

Ja, wen haben wir denn da? Wenn das mal nicht der Benedikt ist! Mit einer ganz großen Portion heißer Luft. Wie immer. Gut aufgestellt, die Kirche. Muss man ja sagen. Nur, was denkt der Mann sich eigentlich dabei? Haben Sie eine Ahnung?

 Na, denken Sie sich doch einfach mal was.

Na, denken Sie sich doch einfach mal was.

Bild: Uncylopedia

Anbei ein paar Vorschläge zur Auswahl. So zu sagen ein kleines vatikanisches Brain-Storming für den Sonntag – frischer Wind für Ihren Lieblingspapst:

  • Was bläst denn hier so? Sind die Ministranten schon da?
  • Linz, Rom, Marktl: Hauptsache, die Frisur sitzt. Mit Drei-Faltigkeits-Taft.
  • Williamson! Jetzt hören Sie mal auf, hier so rumzupupen!
  • Verdammt, gleich spielen sie bestimmt wieder Wind of change.
  • Liebe Brüder, aus Altötting habe ich Euch heuer ein bisschen Föhn mitgebracht.
  • Giovanni, ich wollte doch diesmal die ohne Flügelchen!
  • Fly me to the moon… dada, dadadaaa…
  • Abgehoben? Ich? Wer behauptet denn so was?
  • Nie wieder fahre ich in die Niederlande! Die ganzen Windmühlen hier sind echt nervig!
  • Ihr Deppen! Die Orgelpfeifen werden jetzt sofort wieder aufrecht hingestellt!
  • Die Merkel geht mir voll auf die Nüsse. Erst diese Briefe, und jetzt hat sie meinen Frisör gegen eine modernistische Schwuchtel ausgetauscht.
  • Also das Praktikum als Engel hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.
  • Scheiß Erbsensuppe, hoffentlich gibt’s morgen wieder Fisch!
  • Völlig losgelöst… dada, dadaaa…
  • Lehmann, jetzt lassen Sie doch mal diese blöden Spielchen mit dem Laubsauger!
  • Woah, wie geil! Diese Toten Hosen werden von Jahr zu Jahr besser!
  • Professor Richter, jetzt machense mal hinne! Ich sitz hier schon zwei Stunden Modell für Ihren neuen Flügel-Altar!
  • Dies indische Billig-Viagra nehme ich nie wieder!
  • Passt gut auf, Ihr Kinderlein, gleich macht Euch der liebe Onkel Ratzi Jogisches Fliegen vor!
  • Räum doch mal einer den Wagner da weg! Kann ich schon gar nicht mehr sehen, diese Luftnummer!
  • So, und auf Eins spielt jetzt die letzte Posaune das Tuba mirum.
  • Supi, dieser 3-D-Plasmabildschirm! Da macht Dumbo voll Laune! Nächste Woche lade ich den Meisner ein und wir gucken Vom Winde verweht.
  • Ah, meine Lieblings-Combo… die Egerländer Blasmusikanten…
  • Brrrmm, brrrmm… yeah, Himmelfahrt! Brrrmmm…
  • Ich nagel es ihm ans Knie. Diesmal nagel ich dem Drewermann sein Furzkissen ans Knie.
  • Schneller, Ngogo! Schneller fächeln! Sonst kaufe ich mir einen Ventilator!
  • Stell doch mal einer diese bescheuerte Fußbodenheizung ab! Ich bin doch nicht Marilyn Monroe!
  • Fasten your seatbelts? Wieso, Fasten-Zeit ist doch erst Mittwoch?
  • Durch den Monsun… lalala…
  • Step aside, Batman!
  • Nie wieder Cabrio-Rollstuhl – Harry, hol schon mal das Papamobil!
  • Sie sagen noch genau einmal „alter Windbeutel“ zu mir, Fellay, dann sind Sie wieder draußen!
  • Und wenn ich damit bei Pusteblume auftrete, was kriege ich dafür?
  • Wenn ich den erwische, der mir die Windkraftanlage vor den Palast gestellt hat…
  • Hürlimann, Sie wecken Ihre Garde ab morgen wieder mit dem Gong! Diese Alphörner sind ja schrecklich!
  • Guckense mal, Glemp, ein evangelikaler Panzer. Und da kommt wirklich nur Luft aus dem Rohr?
  • I am an anti-christ… I am an anarchist… schallala… don’t know what I want but I know how to get it… schubidua…
  • Kündigung? Fristlos? Jesus, tu mir das nicht an! Ich hab doch nichts Vernünftiges gelernt, und in meinem Alter nimmt mich doch keiner mehr!
  • Auf die Idee mit der Achterbahn hätte ich längst kommen sollen. Macht ja ’nen Heidenspaß!
  • Und jetzt alle zusammen: Im Frühtau zu Berge, sie stehn, falleraaa…

Und woran denken Sie dabei? Machen Sie Ihren Gedanken ruhig Luft!





Brüderlich mit Herz und Hand

20 02 2009

„Grüß Gott Ritschie, alte Pottsau! Ja, Du mich auch. Ja, hab ich gelesen. Herrgott, das war aber auch eine verdammte…

Na komm, wegen der Merkel brauchst Du Dir doch nicht in die Robe zu pinkeln. Wer nimmt die denn ernst? Christlich? Seit wann ist denn die CDU… Also bitte, das will ich jetzt mal überhört haben. Das stimmt doch ganz einfach nicht.

Meine Güte, dann eben die alte Floskel-Taktik. Ja, funktioniert immer. Ihr verbittet Euch erst mal jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten der römisch-katholischen Kirche, und dann… Wenn da wieder so’n paar Linksfatzkes ankommen und meinen, das sei nicht kirchlich, sondern politisch relevant, dann sagt denen halt, sie sollen doch mal gegen die israelische Außenpolitik protestieren, wenn sie… Und der Zentralrat wird dann… Genau, so geht das.

Eben, so geht das nämlich. Und wenn sie dann immer noch nicht Ruhe geben, haut Ihr denen die ganz große Moralkeule… Na, Beleidigung des Katholizismus eben. Ja sicher. Darf man nicht. Haben die doch sogar ins Grundgesetz… Artikel 4. Ja, Artikel 4. Hör mal, ich kenne doch meine Verfassung, was meinst Du, wie oft deshalb schon vor Gericht…

Und § 166 StGB immer schön mit reinwürgen. Immer rein. Kennen die doch gar nicht anders. Ja, das ist eben der Vorzug in diesem Land. Wenn man sich eine demokratiefeindliche Ideologie strafrechtlich schützten lassen kann…

Ach was. Differenzierte Diskussion? Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass die Deutschen das… Das kapieren die doch gar nicht. Die wissen doch gar nicht, was… Differenziert? Mann, die sind doch alle so verblödet, dass… Ja warum kriegen wir regelmäßig so viele Stimmen bei… Na eben! Ohne Parteienfinanzierung hätten wir doch längst den Arsch auf Grundeis.

Ja eben. Wie damals. Legal ans Ziel kommen. Nicht mehr putschen, sondern rutschen. Immer nach oben, immer nach oben. Da steht dann schon einer und hält seinen… Alles ganz legal. Genau.

Und Fakten schaffen. Genau. Nicht diskutieren, Fakten schaffen. Wenn die ersten Priester erst mal geweiht sind, kann man so ab und zu auch mal einen Bischof… Mach Dich doch nicht lächerlich! Ankündigen? Ihr habt doch ein Ei am Wandern! Fakten schaffen! Hinterher an die Presse, immer erst hinterher! Was soll er denn groß machen, wenn Ihr ihm zehn neue Bischöfe… Exkommunikation? Jungs, seid Ihr eigentlich noch ganz koscher? Das hätte vielleicht der Polacke gemacht, aber doch nicht der Ratzinger! Auf welchem Planeten lebt Ihr?

Dann lest doch die richtigen Bücher! Leuchter-Report, Rudolf, Protokolle der… Fragt halt mal den Mahler. Der hat da vielleicht von damals auch noch Kontakte zu den ganzen…

Verdammt, wir hätten gleich den Islam ins Visier nehmen sollen. Die paar Itaker, die waren uns doch scheißegal. Nein, nicht deshalb. Frauen unterdrücken ist doch nicht… Ich würde doch auch ausrasten, wenn meine Tochter hier mit so einem alternativen Soziologiestudenten ankäme. Da wäre aber Reichsparteitag, Genosse!

Ja und? Dann gackern die paar Hühner einmal, bevor sie wieder im Kochtopf untertauchen. Jetzt erzähl mir nicht, dass… Das ist doch Kinderkacke! Wer soll das denn machen? Nee, schon klar. Glaubst Du wirklich, dass sich auf einmal alle Katholikinnen im Kölner Dom zusammenrotten und einen Sitzstreik… Ritschie, bist Du jetzt komplett meschugge? Meine Güte, habt Ihr die nicht mehr im Griff? Die sollen die Fresse halten und die Beine breit machen, aber nicht…

Das hatten wir doch alles schon. Dass die Kümmeltürken hier mehr Kinder in die Welt setzen als in deutschen… Und dann auch noch die ganzen Schwuchteln. Eben. Soll ich etwa darauf warten, bis mein erster Gauleiter Ötzfötz heißt!?

Nein, gleich den Islam. Angst müssen die Leute haben. Die nackte Angst. Drohen, Einschüchtern, Lügen, Hetzen. Die ganze Palette.

Ach komm, das mit dem Ritualmord, das ist… Ja, aber das haben die Leute doch für Jahrhunderte geglaubt, und geh Du mal in irgendein katholisches Provinznest, da sagen Dir die Betschwestern doch heute noch, dass… Ach Quatsch, komm mir doch nicht mit Aufklärung! Angst wollen die Leute haben! Die wollen mit voller Hose zu Hause hocken und sich zuscheißen und darauf warten, dass der Führer wiederkommt und… Ja, eben. Und das hätte man mit dem Islam auch hingekriegt, wenn nicht der…

Wir hatten eben keinen. Hätte ich mich da in die Krüppelkarre setzen sollen, voll einen auf Mitleid machen und dann… Wir haben es eben verpasst. Die sind im Moment einfach besser als wir.

Und nach innen die Sündenbocknummer. Wir sind Märtyrer, also haben wir Recht. Und umgekehrt. Hat noch immer funktioniert. Die Leute sind doch alle so behindert, die glauben doch den letzten Scheiß. Genau. Vor allem den.

Menschenrechte? Lachhaft. Wer interessiert sich denn für Menschenrechte? Ja, auf dem Papier sieht das natürlich schön aus, wenn sie alle… Eben, und deswegen würde ich mir da auch keine Sorgen machen. Immer schön Fakten schaffen, einen Schritt nach dem anderen, und dann langsam die Schmerzgrenze bis zum… Wer soll das? Der Papst? Hähä, der war gut! Der Papst schert sich um die Menschenrechte! Hähähä! Ritschie, wieder mal am Messwein genuckelt, was?

Na, dann mach Dir mal keinen Kopf. Okay. Ja, so machen wir das. Dann noch einen gesegneten Abend, Ritschie! Heil und Amen!“





Alternativen zur Medizin

19 02 2009

Heute war es besonders schlimm. Ich kam kaum aus dem Bett. Noch immer taten mir die Seiten weh. Drei Nächte lang hatte ich nur gehustet. Weder Lutschpastillen noch Saft hatten mir Linderung verschafft. Und dazu kam das Knie, das sich weder beugen noch belasten ließ, beides zugleich schon gar nicht. Was auch kein Wunder war, schließlich hatte Jonas mir gestern die Schranktür mit voller Wucht vor die Kniescheibe gehauen.

In diesem Zustand markierte ich ein bisschen Frühstück, nahm eine Kopfschmerztablette und humpelte die Straße entlang zur Post. Vermutlich sah ich aus, als wäre ich gerade auf dem Weg zum Casting für einen schlechten Zombie-Film. Ich fror. Das kommt davon, wenn man trotz der klirrenden Kälte nur zwei Jacken übereinander trägt. Obwohl die Viren in mir eine Höllenparty veranstalteten.

Herrn Breschke ging es auch nicht besser. Er war zwar nicht erkältet, zog allerdings sein linkes Bein ein bisschen nach. Was Bismarck, den dümmsten Dackel der Stadt, nicht daran hinderte, seine Hundeleine um ebendieses Bein zu wickeln und seinem Herrchen das Gassigehen zu erschweren. Und kaum hatte mich Herr Breschke entdeckt, nutzte er auch schon die willkommene Pause für ein kleines Schwätzchen.

Zuerst zeigte er mir sein magnetisches Kupferarmband. Dass Kupfer an sich nur ganz selten magnetisch zu sein pflegt, hatte sich bis zu mir auch schon herumgesprochen, aber ich wollte ihn nicht unterbrechen. Mit diesem therapeutischen Schmuck, sagte mir Herr Breschke, versuche er schon seit Wochen, seine Gelenkbeschwerden loszuwerden. Seine Frau hatte es im Teleshopping-Kanal entdeckt und ihm überreicht, nachdem sie auf einem Fachkongress in der Kassenwarteschlange des Supermarkts von den Vorzügen afrikanischer Alternativmedizin und deren Sendezeit zur späten Vormittagsstunde erfahren hatte.

Nun schleppte er sich schon seit zwei Wochen durch die Gegend mit seinem Bein und Bismarck. Diese Sache sei tückisch, denn die Krankheit foppe ihn: kaum würde er aufhören, das Bein zur Vorsicht ein bisschen nachzuziehen, schon ließen die Schmerzen nach. Herr Breschke war verzweifelt.

Wer weiß, vielleicht hatte seine Frau einfach die Bestellnummer verwechselt und versehentlich ein Glücksarmband gekauft. Da hat er nun täglich das Paradies vor Augen und merkt nichts, weil er sich mit seinem unmagnetischen Bein beschäftigt.

Ich riet ihm, zu Doktor Klengel zu gehen. Er ist zwar der einzige Allgemeinmediziner in diesem Viertel, kommt langsam in die Jahre und unternimmt meistens nicht sehr viel mehr, als eine verhältnismäßig unspezifische Diagnose zu stellen, auf die man bei Lektüre eines Gesundheitslexikons auch selbst gekommen wäre, aber: er ist der einzige Allgemeinmediziner in diesem Viertel. Herr Breschke zuckte zusammen. Das würde seine Frau nie zulassen, flüsterte er. Unwillkürlich sah ich mich um. Außer Bismarck war nichts Gefährliches zu entdecken, und Bismarck war nicht gefährlich. Wenn man nicht zufällig eine Tulpe oder ein Gartenzwerg ist.

Ob ich ihm empfehlen sollte, das Ding ganz einfach ums Bein zu schnallen? Dann wäre es ein bisschen näher an der entscheidenden Stelle. Wegen des Magnetismus.

Herr Breschke rieb sein Handgelenk. Das Armband hatte vorschriftsmäßig abgefärbt. Er mache sich Sorgen. Ich vermutete, nun einen längeren Bericht anhören zu müssen, wie seine Frau sich über Grünspanflecken am Strickjackenärmel beschwert, musste aber erfahren, dass es ernster stand. Die Verfärbung sei möglicherweise ein Hinweis auf eine schleichende Herzerkrankung.

Ich wurde so bleich, wie ich konnte. Spontan erinnerte ich mich an den Leitartikel in der Fachzeitschrift, die ich beim Bäcker zu lesen pflege. Von einer seltenen Viruserkrankung sei dort die Rede gewesen, die aus den Tropen nach Europa eingeschleppt worden sei und sich nun auszubreiten drohe. Vor meinem fotografischen Gedächtnis sah ich den ganzen Bericht wieder. Es handele sich um das Dumm-Beutel-Syndrom, eine schwere Störung des Immunsystems, für die vor allem Patienten mit Überreaktion auf Kupfermoleküle anfällig seien.

Mit glasigen Augen guckte Herr Breschke mich an. Es komme, fuhr ich fort, allmählich zu einer Verknöcherung des Innenohrs mit nächtlichen Hustenanfällen. Der Haarwuchs ließe nach, und innerhalb weniger Monate würden die Fingernägel brüchig. Ob auch unregelmäßiger Stuhlgang und Heißhunger auf Zwiebelkuchen zu den Symptomen gehörten, wollte Herr Breschke wissen. Ich bedauerte, ihm dies bestätigen zu müssen. Für Menschen in den südlichen Zonen sei gerade das unerträglich. Versuchen Sie nämlich mal, in Zentralafrika Zwiebelkuchen zu bekommen. Da sind Sie aber echt aufgeschmissen.

Väterlich fasste ich den Pensionär an der Schulter. Es gebe Linderung, versicherte ich ihm. Die Tropenbewohner pflegten seit Jahrhunderten eiskalte Sitzbäder zu nehmen. Täglich. Sofort nach dem Aufstehen. Eine Stunde lang.

Der alte Mann war erleichtert. Auch ich hatte ein gutes Gefühl, ihm nicht nur eine glasklare Diagnose zu stellen, sondern zugleich Hoffnung auf eine baldige Genesung zu verschaffen. Ich sah ihm noch lange nach, wie er sein Bein nachzog und versuchte, Bismarck aus der Leine zu entwirren.

Nächste Woche werde ich Breschkes mal besuchen. Ich werde Zwiebelkuchen mitbringen. Und Hustensaft.