Schluss mit Lustig

23 02 2009

Köln (zyn) Wie heute Vormittag aus Polizeikreisen verlautete, forderte die Explosion in Köln-Grengel ein Todesopfer. Es handelt sich dabei um den arbeitslosen Maschinenschlosser Norbert R. (51).

Nach Aussage des Imbiss-Besitzers Fred W. (63) hatte der Lebensmittelchemiker Alexander P. (39) am vorigen Mittwoch beim Verzehr eines Schaschlikspießes geäußert, dass der Karneval ihn von Jahr zu Jahr mehr störe und er darauf ebenso verzichten könne. R., ein Nachbar des mutmaßlichen Täters, begann daraufhin, P. als „Vaterlandsverräter“ und „perverse Sau“ zu beschimpfen. Rosenverkäufer Rafik Ü. (46), der einen Zwischenstopp machte, um Wechselgeld zu erhalten, sagte später, R. habe mit Bierdosen um sich geworfen. P. habe sich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dort befunden.

Am Donnerstag fand P. beim Öffnen seiner Wohnungstür den auf die Außenseite aufgesprühten Schriftzug „Alaaf Tünnes!“ vor. Er konnte der Aufforderung des Hausmeisters, die Schmiererei innerhalb der nächsten Stunde zu entfernen, nicht nachkommen, da er am Vormittag einen wichtigen Kundentermin in Düsseldorf wahrnehmen musste. Obwohl der Hausmeister die Farbe auf P.s Kosten entfernte, wurde bereits mittags das Türblatt mit 203 Exemplaren eines Flyers zum Schull- und Veedelszöch beklebt. Der dabei verwendete Sekundenkleber erwies sich als äußerst haltbar. Etliche Flyer waren unter der Wohnungstür durchgeschoben worden, was P. nach der Heimkehr feststellte. Das mit Kot beschmierte Papier – eine spätere DNA-Analyse ergab R. als den Urheber – verschmutzte den Teppichboden derart, dass der Hausmeister P. eine fristlose Kündigung wegen unsachgemäßem Gebrauch der Mietsache androhte.

In der Nacht waren zunächst ältere Aufnahmen der Bläck Fööss und der Räuber auf höherem Lautstärkepegel zu hören, bis R. im Treppenhaus mittels einer Blechgießkanne Jupp Schmitz’ Wer soll das bezahlen intonierte. Der auf der gegenüber liegenden Straßenseite wohnende Lungenfacharzt Dr. Theo Sch. (50), der die Polizeistreife alarmiert hatte, erstattete trotz des Beschwichtigungsversuchs seitens der Beamten Strafanzeige, da ihn R. als „Pissnelke“ bezeichnet und ihm mehrfach angedroht hatte, ihm „die Eier abzufackeln“. R. wurde zur Ruhe ermahnt. Nach einer amtsärztlichen Untersuchung wurde er auf freien Fuß gesetzt, da keine Fluchtgefahr bestand.

Als P. am Freitagabend gemeinsam mit Mehmet E. (36), einem Arbeitskollegen und Freund, das Laborgebäude ihres Arbeitgebers verließ, wartete Norbert R. bereits auf dem Parkplatz vor dem Gelände. Nach Aussage des Pförtners hatte R. zuvor ungefähr eine halbe Stunde lang mehrere Chemielaborantinnen sexuell belästigt und mit dem von ihm mitgeführten Luftgewehr sämtliche Scheinwerfer eines Lieferwagens zertrümmert, bevor ihn zwei Wachschutzmänner überwältigten. Dabei zog sich R. eine leichte Rippenprellung zu, so dass er sich in sein Auto setzte. Als P. das Labor verließ, lief R. auf ihn zu, wobei er zwei Pressluftfanfaren betätigte. Mehmet E. und der Pförtner gaben später zu Protokoll, R. habe dabei unter anderem „Schalalalala, Du Drecksack“ gebrüllt. Die von E. per Handzeichen herbeigerufene Polizeiwachtmeisterin Nicole O. stellte die Personalien des R. fest und entzog ihm, da dieser zwischenzeitlich eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 Promille aufwies, die Fahrerlaubnis. Wie sich mehrere Mitglieder des Wachschutzes und O.s Kollege, Polizeihauptmeister Ernst L. (49), erinnern, forderte R. die Beamtin auf, sich zu entkleiden. Wie er in den folgenden dreißig Sekunden einen Nasenbeinbruch erlitt, einige Vorderzähne verlor und einen Tritt ins Steißbein erhielt, ist nicht geklärt. Möglicherweise hat sich R. die Verletzungen selbst beigebracht.

Als Alexander P. am folgenden Morgen den Hof seines Wohnhauses betrat, um einen Wertstoffsack in den Sammelcontainer zu werfen, riss R. das Schlafzimmerfenster auf und bewarf P. mit toten Zierfischen. Dazu stellte er sein Radio mit CD-Spieler auf die Fensterbank und ließ bei voller Lautstärke den Disco-Hit Brown Girl In The Ring laufen, was er durch lautes Mitsingen ergänzte. Drei Nachbarn bestätigten, R. habe den Text in „Du bist impotent, Du kriegst keinen hoch“ verändert.

Bereits am Nachmittag begann R., unterstützt von seinem Kegelbruder, dem Hilfsarbeiter Günther I. (49), Gegenstände an die Wohnzimmerdecke zu schlagen, darunter mehrere Bügeleisen, eine Schlagbohrmaschine und eine gusseiserne Pfanne. Sie hämmerten im Takt des Karnevalsschlagers Viva Colonia, was sich fortsetzte, als R. dazu überging, mit der Pfanne die Außenseite von P.s Wohnungstür zu bearbeiten. Die Büroinformationselektronikerin Ewa H. (31) beschwerte sich über die Belästigung. Nachdem sie das Haus verlassen hatte, um – so sagte sie später aus – den Karneval aus sicherer Entfernung von Łódź aus zu verfolgen, setzte der Lärm wieder ein und dauerte bin in den frühen Sonntagmorgen.

Als Alexander P. nach dem Besuch der Heiligen Messe sein Wohnhaus betrat, fand er ein an die Wohnungstür genageltes Meerschweinchen vor. P. erlitt einen Schock, konnte aber durch Gabe von Kochsalzlösung rasch stabilisiert werden. Da eine Beamtin einen Anruf auf P.s Mobiltelefon annahm, wurde Mehmet E. informiert. Dieser begab sich sofort zum Unfallort. Laut Obduktion durch den Amtstierarzt war das Nagetier erst durch den Blutverlust verendet, den der Stahlnagel verursacht hatte. Ein Zusammenhang mit der aufgehebelten Wohnungstür des Hausmeisters, dessen Tochter ihr Haustier vermisste, konnte nicht hergestellt werden. Der Hausmeister erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt. Hauptwachtmeister Peter M. (41) erinnerte sich später, Mehmet E. habe seinem Kollegen dringend angeraten, die nächsten Tage bei seiner Familie zu verbringen, was dieser jedoch ablehnte.

Die Demonstration von Tierschutzverein und PETA wurde von Ordnungskräften observiert. Transparente mit der Aufschrift Du kriegst noch mehr, Schwein! wurden beobachtet. Als die ersten Pflastersteine in R.s Fensterscheiben geworfen wurden, löste ein Wasserwerfer die Kundgebung auf.

Obwohl Norbert R. neben der Bläck-Fööss- und Höhner-Beschallung am Sonntagabend dazu überging, Schmutzwäsche vor P.s Tür zu verbrennen, regte sich der Nachbar nicht. Erst gegen zwei Uhr zog er den Stecker seines Telefonanschlusses. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in dichter Folge Nachrichten wie „Dich kriegen wir noch, Drecksau“ und „Geh doch nach drüben“ auf dem Anrufbeantworter zu hören, bis das Gerät auf Klingelton umschaltete. Der Hausmeister rief Alexander P. kurz vorher an und teilte ihm mit, die Luftwaffe rufen zu wollen, falls das ständige Telefonklingeln nicht aufhöre.

Gegen acht Uhr riss P. ungeachtet des andauernden Lärms ruckartig die Tür auf und schleuderte einen Gegenstand in den Hausflur. Es handelte sich um eine 800-ml-Weißblechdose, die P. mit Hilfe von geschreddertem Buntmetall, Unkrautvertilgungsmittel und Staubzucker zu einer Splitterbombe umgebaut hatte. Die nach wenigen Sekunden erfolgende Explosion des Sprengkörpers führte zum sofortigen Tod von Norbert R., der nur noch anhand von Faserspuren seines beigefarbenen Trainingsanzugs identifiziert werden konnte. P. leistete dem Minuten später eintreffenden SEK keine Gegenwehr und ließ sich widerstandslos festnehmen. Schäden an der Baustatik des Wohnhauses scheinen nicht zu bestehen.

Der im Erdgeschoss wohnende Heinrich F. (87), der von der Detonation aufgeschreckt die Beamten gerufen hatte, konnte erst Stunden nach der Bluttat vernommen werden. Der Pensionär sagte völlig verstört aus, P. sei ein sehr angenehmer Nachbar, der zurückgezogen gelebt und im Treppenhaus stets freundlich gegrüßt habe. Staatsanwältin Verena J. (44) teilte auf Anfrage mit, bisher lägen die Motive für den Anschlag noch völlig im Unklaren. Die Ermittlungsbehörden stünden vor einem Rätsel. Terror könne jedoch als Tathintergrund ausgeschlossen werden.