Die Namensfindung gelang nach zähem Ringen und Würgen. War der Sponsoren-Vorschlag Futter-Night schon an seiner Kompliziertheit gescheitert, so konnte sich doch auch die Empfehlung Schöner Schlemmen als arme Sau nicht durchsetzen. Konsensfähig war dann – zähes Ringen, um es nochmals zu akzentuieren – Verantwortungsbewusste Ernährung für sozial benachteiligte BundesbürgerInnen.
Das Sendekonzept war denkbar einfach. Je ein Promi ohne Sachverstand und eine dreiköpfige Familie, die Hartz IV bezieht, wurden von Reinhold Beckmann durch die Sendung geführt. Am Ende der Folge sprach jeweils ein als kritisch eingestufter Gastkommentator einen kritischen gemeinten Gastkommentar. Die minimalistische Kulisse hatte eine Beuys-Schülerin entworfen, die auch prompt Schwierigkeiten bekam, da sie das Honorar ordnungsgemäß angab und deshalb keine Bezüge mehr erhielt. Die Moderatoren wurden von einer großen Warenhauskette mit dezenter Eleganz in Polyester ausgestattet. Die Betroffenengruppe bekam einen eigenen Wartebereich mit Mülleimern direkt neben den Einzelgarderoben der Hauptdarsteller. Immerhin etwas.
Während Giulia Siegel demonstrierte, dass sie nicht nur vom Kochen keine Ahnung hat, wies Hellmuth Karasek noch einmal deutlich darauf hin, wie sich Günter Grass seinen Nobelpreis erschlichen hätte; das hatte zwar nichts mit der Sendung zu tun, wurde aber nicht weiter hinterfragt, da der Kultur-Etat die Sendung förderte.
Auch Saskia Valencia, die weder vor noch während der Aufzeichnung wusste, worum es sich eigentlich handelt, machte keine Probleme. Einen Eklat gab es allerdings, als ein hoher evangelischer Würdenträger in seinem Statement die Höhe der Regelsätze sowie das behördliche Verhalten gegenüber den Empfängern als menschenunwürdig bezeichnete. Ein Mitglied des Bayerischen Landtages, das bereits abgeschminkt wurde, stürzte ins Bild zurück und konnte von Maskenbildnerin und Requisiteur nicht mehr daran gehindert werden, dem Geistlichen mit einer gusseisernen Pfanne eine Kopfplatzwunde beizubringen. Der zeitnah anberaumte Check der MAZ ergab, dass bereits vor dem Angriff „Sau, lutherische!“ sowie zwei Verstöße gegen § 130 Abs. 1 StGB deutlich aus dem Off zu hören waren – die Mitschnitte führten später wochenlang die Charts diverser Videoportale im Internet an, DJ Ötzi landete mit seinem Remix einen Megahit in Österreich – und das Material im Eimer war. Rettung brachte Roland Koch, der im Nebenstudio gerade abdrehte, und zwar das Feature Weltuntergang durch Jugendkriminalität. Er hatte nicht nur keinen blassen Schimmer, er konnte sich hinterher auch noch vorzüglich selbst widerlegen.
Thilo Sarrazin wurde nicht eingeladen. Ein multinationaler Fertigsuppenhersteller drohte damit, seine Schaltungen zurückzuziehen, falls zwischen den Spots Hetzpropaganda ausgestrahlt würde.
Es lief ohnehin nicht pannenfrei ab. Beckmanns Anmoderation war noch nicht gelaufen, als Hella von Sinnen schon gedankenverloren zwei Scheiben Schnittkäse (mittelalt) und eine Gewürzgurke genascht und damit die Hälfte der Zutaten für ein dreigängiges Menü vernichtet hatte. Sie bedauerte ihren Fehler und lud die Familie (Vater, Mutter, 17-jähriger Sohn) zur Entschädigung an Ort und Stelle an eine nahe gelegene Imbissbude ein, wo sie „ab hier erst mal Currywurst mit Pommes schranke, bis die dicke Tante ‚Stopp!’ sagt“ (O-Ton von Sinnen) bestellte. Die ProSiebenSat.1 Media AG sicherte sich die Rechte an den Aufnahmen und arbeitet seitdem an einem neuen Format für Tine Wittler, Arbeitstitel: Irgendwer isst immer.
Ein Highlight war die Episode mit Dieter „You’re my Hartz, you’re my Soul“ Bohlen (sah zum ersten Mal eine Kartoffel mit Schale) und Susan Stahnke (die Sozialhilfe grundsätzlich irgendwie voll doof fand und lieber Werbung für ihre letzte Darmspiegelung machen wollte). Auch Barbara Salesch (wusste zwar etwas, wusste es aber noch geschickter zu verbergen) im Doppel mit Eva Herman (die vom deutschen Volk eine gewisse Härte in Krisensituationen forderte und die Charakteristika germanischer Nationalküche beschwor) bezauberten die Massen. Der zuständige Redakteur hatte sich vor beiden Folgen mit jener Brechtüte in die Besenkammer zurückgezogen, die er erst anlässlich der Verleihung des Grimme-Preises wieder in seiner Jackentasche vorfand.
Die von Horst Lichter betreute Druckfassung der Rezepte krabbelte als Es muss nicht immer Sushi sein die Verkaufsränge hoch. Sarah Wiener bemängelte zwar in ihrer Rezension, Ingredienzien wie faltige Tomaten von der Wochenmarkt-Schlussphase seien für einen normalen Gourmet-Haushalt nicht aufzutreiben, fand aber kein Gehör gegenüber Wolfram Siebeck, der das Buch als fade einstufte, obzwar das Manuskript erst drei Tage später in Druck gehen sollte. Jamie Olivers Koch-DVD The Naked Truth fand dagegen kaum Anklang. Seine Rezepte Jagdwurstscheibe im Längsschnitt an Senfklecks und Knäckekrümel mit Volksliedbegleitung sollen sich seitdem aber im Intranet der Berliner Bezirksämter verbreiten. Man weiß es nicht. Man steckt nicht drin.
Satzspiegel