Wie sind wir duldsam! wir, die Aufgeklärten,
wir Freunde noch von dummen Menschenschindern.
Wenn wir uns jemals überlaut beschwerten,
dann höchstens über Lärm von kleinen Kindern.
Denn einmal fragen wir uns: ist’s ein Übel,
und zweitens: muss ich mich daran denn scheren?
So sinken wir ins schweigende Gegrübel,
wo Toleranzen sich zu Feigheit kehren.
Denn geht es uns nichts an, dann sind wir sittlich.
Wie sind wir edel, hilfreich und auch gut!
Wir fügen uns. Da sind wir unerbittlich.
Wir haben damit schließlich nichts am Hut.
Und wenn wir merken: hier wird Recht gebrochen,
gleich sind wir doppelt, dreifach tolerant.
Denn doktrinär zu sein statt angestochen,
das geht nicht. Wozu hat man denn Verstand?
Die Wahrheit ist, wir dulden’s gegenseitig.
Wir haben alle selber einen Sparren,
und machen wir das Recht darauf nicht streitig,
dann fährt man auch nicht uns gleich an den Karren.
Satzspiegel