Gernulf Olzheimer kommentiert (II): Feiertage

10 04 2009

Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer


Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Und schon ist es mal wieder so weit: Ostern bricht herein wie die Nagerseuche, die den letzten Mümmler zum bewegungs- und denkunfähigen Mutanten macht. Mehrmals im Jahr – zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten, Silvester, Himmelfahrt und Hirnschlussverkaufsfestivitäten jeglicher Couleur – dreht der deutsche Torfschädel gründlich durch und besucht aus therapeutischen Gründen eins der wie Hundehaufen in die Betonlandschaft geschissenen Einkaufszentren, um die Binnenwirtschaft in den finalen Kollaps zu jagen. Er kauft, als wäre der Weltuntergang beschlossene Sache und er hätte für die anstehende Ewigkeit Stullen zu schmieren.

Anscheinend ist die Tugend des Hamsterkaufs völlig aus der Bahn geraten, seitdem der Russe nicht mehr an der Zonengrenze steht und dem Westbürger sein wohlverdientes Mehrkornbrötchen wegzufressen droht. Als noch kalter Krieg war, da panzerte sich der anständige Deutsche zentnerweise Butter und Darmschlinge mit Schlachtabfallfüllung in familiensarggroße Schockfrostgeräte, die man selbst mit gewerbsmäßiger Wilderei nicht voll kriegt. Da ging nichts unter dreitausend Büchsen Linsen mit Suppengrün und einer Doppelgarage, in der bis knapp unters Dach in der Dose verrottendes Pumpernickel sich auftürmte. Wäre der Erstschlag nicht über Gera niedergegangen, hätte er stattdessen Gelsenkirchen weggeblitzt, der gemeine Wessi hätte sich gemütlich im Bunker die Wampe vollgehauen und wäre erst Jahre später aufgefallen, weil seine Ganzkörperadipositas nicht mehr durch die Luke gepasst hätte.

Heute ist das anders. Dem Deutschen fehlt die nötige Sorge ums Dasein. Und darum kauft er wie beknackt bei jeder unpassenden Gelegenheit, als gäb’s morgen kein Mehl mehr oder der Apfelkorn sei von den Alliierten endlich mal verboten worden. Wann immer er pünktlich einen Tag vor Eintritt des Weihnachtsfestes auf den Kalender starrt, stellt er fest, dass exakt achtundvierzig Stunden ihn von der humanitären Hungerkatastrophe trennen: nur noch ein Kilo Tafelsalz im Haus. Folgerichtig fährt er in den nächstgelegenen Supermarkt, um drei Paletten Natriumchlorid in einen einzigen Einkaufswagen zu pferchen, dessen unelastische Stöße mit tödlicher Sicherheit die Hacken des Vordermanns treffen, dazu billigen Schaumwein, Geschirrspülmittel und eine Halde vereisten Rahmspinat sowie mehr Separatorenfleischspieße, als man mit dem Salz jemals flüchtig bestreuen könnte.

Müßig zu sagen, dass der deutsche Kampfkäufer um Frische plärrt, als gewönne er dadurch das Memelland, Korsika und die Ukraine dem heiligen Vaterland zurück. Der Durchschnittsbehämmerte entblödet sich nicht, in Plasteflaschen abgepacktes Pflanzenöl und tiefgekühlte Gemüseimitate am Vorabend der Völlerei ins Heim zu karren, weil er es für logistisch angebracht hält, die Vorstufe seiner Körperausscheidungen möglichst jung einzulagern. Es macht ihm nichts aus, zum Jahresendbesäufnis den Karpfen, den er im Verein mit Altbierbowle und Salzgebäck über dem Flokati erbrechen wird, auch am Sonntag lebend zu verlangen, wenn nur sichergestellt ist, dass das Tier seine letzten Eindrücke von Weltekel in dem sorglos gereinigten Altölfass auf dem Hinterhof verarbeitet und nicht im aseptischen Gekachel eines Fischgeschäfts.

Der gemeine Vollspaten traut sich nur aus dem Revier und auf die Wildbahn, wenn er weiß, dass er sich meistenteils unter Bescheuerten befinden wird, wenn er erst am späteren Vorabend des Auferstehungssonntags Eier kauft oder am mählich verrinnenden 24. Dezember die Jagdsaison auf Schokoladenweihnachtsfiguren für eröffnet erklärt. Jegliche Hast, beispielsweise schon einen Tag vor Sankt Valentin eine Parfümeriefachabteilung mit dem Anblick seiner von Anbeginn zum Scheitern verurteilten Existenz zu belästigen, gemahnt ihn dumpf an den vorzeitigen Samenerguss, unter dem er seit frühester Jugend leidet. Also wartet er. Kurz vor Ladenschluss platzt er in Horden gekeilt in die Idylle der Einzelhandelskräfte, die sich schon auf den arbeitsfreien Tag gefreut hatten, und fegt marodierend durch die Supermärkte. Zufrieden ist das Pack erst, wenn es sich am Kühlregal blutige Schlachten um die allerletzte Packung abgelaufenen Sahnejoghurts mit Erdbeer-Salmonellen-Crispies liefern kann. Es wäre ihm scheißegal, schmisse der Filialleiter einen Doppelzentner Milchbrei gratis in die Warendeportationshänger, er fällt lieber auf dem Feld der Ehre, zusammengedroschen von einem der geistig zurückgebliebenen Schwertfechter um links drehendes Darmschleimsurrogat.

Wer an seinem Leben hängt, tut gut daran, die Festtage in möglichst einfach strukturierter Gegend zu verbringen. Ein stilles Wüstendorf in Botswana bietet sich an, die verschwiegene Gebirgstundra der Neusibirischen Inseln. Hier lebt sozialverträglich ab, wer einen Tag vor Ostern auf den Gedanken verfiele, frischen Spekulatius zu fordern. Damit haben alle anderen ortsansässigen Bescheuerten wieder ihre Ruhe, die Ordnung bleibt intakt, der Feiertag zieht in entsprechender Stimmung vorbei. Und Ihre Überreste versorgt man schon noch. Sie bleiben ja noch ein bisschen länger tot.