Alter Falter…

31 05 2009

… was war denn das!? Stehen die Suchmaschinen jetzt unter Beobachtung? Wird hier schon der IQ zensiert? Offensichtlich ging es auch während der letzten beiden Wochen wieder rund – eine kleine Auswahl an Treffern für den geneigten Leser.

  • wein pikieren: Mit dem Korkenzieher im Weinberg?
  • lungen facharzt: Ist noch auf der Erstkommunion, Frisuren gucken.
  • kaninchensyphilis: Beilagentipp: Schweinegrippchen.
  • kinder nakt: Na Uschi, heute haben wir unser C nicht im Gepäck?
  • günstige schlampen in köln lindenthal: Frau Klötzke versaut Ihre Küche schon ab zwofuffzich pro Quadratmeter.
  • thilo sarrazin schwarzbrot: Danke. So viel Senf für obendrauf gibt’s gar nicht.
  • welche ursachen stechen bei kinder die m: Das mit den Bienen und den Blümchen hatten Sie aber schon kapiert?
  • nacktbilder bleistift: Knabbern Sie die Holzverschalung ab. Oder kaufen Sie sich gleich Minen in Fachhandel.
  • kugelgrill deutsches fabrikat: Taugt dann natürlich nicht mehr für argentinische Steaks.
  • nackt im dirndl: Und barfuß wegen der Schuhe.
  • beerdigung auf dem grünen rasen: Eine Etage tiefer wäre etwas sinnvoller.
  • verfärbungen an armband loswerden: Vielleicht sollten Sie beim Ablegen des Schmucks den Arm nicht mehr als einmal um die Achse drehen.
  • annemarie eilfeld: Kann bestimmt keine Hosenanzüge tragen.
  • rippenprellung bei darmspiegelung: Schicken Sie Ihren Proktologen zum Augenarzt.
  • coup deko tirolerhut: Ob Gamsbärte schon unter Terrorverdacht stehen, entzieht sich meiner Kenntnis.
  • braune schmetterling in bayern am 17. mai: Beckstein kifft? Soso…
  • panama bananen: Für tiroler Hüte.
  • penner dulsberg 2009: Kein Schlaf bis Hammerbrooklyn.
  • schikorra+brot: Sie wollen sich eine Scheibe von dem Herrn abschneiden?
  • pusteblume tattoo: Und dazu Glücksbärchis in die Bikinizone! Unbedingt!
  • trümmer haus tine wittler: Macht sie das nicht ständig?
  • tucholsky leerlauf eine interpretation: Siehe Die Weltbühne Nr. 40 (30. September 1920), Seite 373
  • bier panzer karneval 2009: Nächstes Jahr gibt’s Kölschflugkörper.
  • eichentruhen beerdigung: Gute Wahl. Viel wertbeständiger als eine Jutetragetasche.
  • frisörwitze: „Wie wünschen der Herr rasiert zu werden?“ „Schweigend!“
  • feuer schere licht gedicht: Für den Anfang schon ganz hübsch. Kommen Sie wieder, wenn Sie zwei Reime können.
  • halskrause für den hund gebrauchsanleitung: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich dabei um einen Pudel handelt. Der passt zu Ihnen.
  • steingrills: Wenn Sie gerne Kies knabbern, wäre eine Anschaffung zu überlegen.
  • ikea imbusschlÜssel: In jedem siebten Wandregal steckt ein kleiner Schlumpf.
  • nebenerwerb steuerprüfung: Setzen Sie die Dienstreisen nach Liechtenstein aber als Gefahrenzulage ab.
  • „aktuelle verlagslandschaft“ deutschland: Die werden wir erst dann los sein, wenn der letzte Autor ihr den Rücken gekehrt hat. Oder verhungert ist.
  • wann bekommt man bei herzoperation bypas: Tri-tra-Trulla Schmidt empfiehlt sowieso sozial verträgliches Frühableben.
  • grillthermometer: Wenn’s qualmt, Hände vom Rost. Funktioniert auch bei Gegenwind.
  • verfolgungsbetreuung: Guten Tag, hier spricht Ihr Intimbereichsbeamter.
  • wozu trägt man leggins: Damit man auch ohne Steghosen und Ballerinas richtig beknackt aussehen kann.
  • westerwelle geifert: Er tut, was er kann. Nicht mehr und nicht weniger.
  • fotos seidenblusen: Nun mal langsam, ich häkle ja schon!
  • wer kann mir eine adresse in hamburg für: Zweite links und dann am Kreisel gerade durch. Nichts zu danken.
  • luana handtaschen: Ob dreijährige Mädels das unbedingt brauchen? oder ist das ein Erstkommunionsgeschenk?
  • fetish ein wochenende verpackt in folie: Lassen Sie sich vorher mit Knoblauchöl einpinseln. Ab in den Kühlschrank. Und Klappe halten.
  • männer nakt: Uschi, so bescheuert ist keiner.
  • schmerbauch npd: Und ich dachte, unsere nationalen Vollspaten seien endlich pleite?
  • rückwärtsgeschichten mit lösungen: Nein, ich bin nicht die Schilmaid. Oder sehen Sie hier irgendwo Ritter?
  • tittfehler: Das heißt Fipptehler.
  • kunibert und der drache: Wurden zuletzt in Kriemhilds Speisekammer gesichtet.
  • prominente fussfetischisten: Fragen Sie Manolo Blahnik, ob er seine Kundenkartei rausrückt.
  • fischlied text: Und der Haifisch, der hat Zähne. Das meinten Sie doch?
  • aktfotos ddr: Solange Frank Schöbel nicht drauf ist, geht’s ja noch.
  • frosch im mixer das spiel umsonst spiele: Tippe, bei Ihnen war noch etwas mehr umsonst…
  • kleinprimaten kaufen: Der nächste NPD-Parteitag kommt bestimmt.
  • killerspiele or killerspiel or gewaltspi: Werden Sie Sportschütze, das ist sozialverträglicher als Counterstrike.
  • lila schrankwand: Lassen Sie bitte Katja Ebstein in der Schublade.
  • blasen nach dem deckenputz: Vielleicht sollten Sie bessere Arbeitshandschuhe dabei tragen.
  • mandy schobes: Die Dame soll ja streckenweise bis zu 50 Meter Brust haben!
  • dicke leute penner: Das war jetzt als Genus proximum gemeint?
  • bursitis+subtendinea+behandlung: Ihre Krankenkasse freut sich, wenn Sie ab jetzt mit Nase tippen.
  • temporär luftröhrenschnitt gericht: Dann lieber eine Einstweilige Erschießung.
  • der schreifritz,oper in drei aktbilder: Ich bin noch bei Zahnarzt Thustra.
  • grüne ente gedicht: Vor allem, wenn sie schön knusprig gebraten ist.
  • wie heißt der kauapparat des siegels: Giulia.
  • bypass kosten operation: Die OP kostet, den Bypass gibt’s im Bonusprogramm umsonst drauf.
  • berlin-kupferarmband: Ist das ein neuer Bezirk? oder hat sich Steglitz umbenannt?
  • rezepte raumspray ätherische Öle: Feinverneblung von Kirschwasser sorgt für schlagartige Heiterkeit in geschlossenen Räumen.
  • sauerstoffunterversorgung high joggen: Benutzen Sie eine Wäscheklammer. Dann können Sie zwischendurch auch auf Französisch nach dem Weg fragen.
  • steghosen: Bedauerlich, dass sie immer von denen getragen werden, die es besser lassen sollten.
  • sitzmöbel kendra: Dazu passend der Baumwollbezug Schaggeline.
  • „nicht auf diesem planeten“: Gerne, Herr Schäuble. Da oben ist noch jede Menge Platz für Sie.
  • haare schneiden umhang halskrause fetish: In der Klarsichtfolie ist noch Platz, wenn Sie versprechen, mir nicht den Kühlschrank voll zu fusseln.
  • kopffüssler tattoo: Selbstporträt auf dem Hintern? Hat was!
  • mein grüner wunschzettel 2009: Und am Ende bringt der Weihnachtsmann wieder einen Hosenanzug.
  • gitarrenakkorde zu barbie diamantschloss: Hat die Plastebude etwa einen eigenen Soundtrack?
  • youtube grengel: Die Geschmackspolizei war schneller.
  • humor stat: Dann sollten Sie zur Rohrzange greifen.
  • klingelton plattdeutsche lied blau mache: Stimmt, ich kann das Zeug nüchtern auch nicht mehr ertragen.
  • brunette gameshow moderatorin bei das vi: Gülcan, vergiss es. Ich bin nicht die Arbeitsagentur.
  • grutz wurst mit sauerkraut und bratkartoffeln: Passt geschmacklich nicht, servieren Sie Dämpfkartoffeln.
  • steinschlag weiterfahren: Wenn Sie nicht gerade im Cabrio sitzen, könnte das gelingen.
  • sonja zietlow füße und beine: Grillfest in Planung?
  • freizügige tante: Tote Oma ist auch noch was da.
  • hosenmatz dirndl or trachtenkleid or tra: Loferln mit Kropfkettn? Seids narrisch!?
  • intimarschgewei: Haben Sie sonst noch irgendwelche kraniodorsalen Auffälligkeiten?
  • xavier naidoo ist stockschwul: Das macht sein Gewimmer auch nicht erträglicher.
  • bildergalerien eva herman: Wenn das der Führer wüsste.
  • schmetterlinge deutschland mai afrika fö: Die Klimakatastrophe hat auch ihre schönen Seiten.
  • lebensmittel in kunstharz gießen: Werden Sie Ihre Bratkartoffeln nicht mehr los?
  • schiller-locke: Der Herr mit dem Kunstharz kommt gleich.
  • plattentektonik erbsensuppe kinder: Um etwaigen Gebäudeschäden in der Eifel vorzubeugen, sollten Sie auf blähende Kost grundsätzlich verzichten.
  • ärztliche untersuchung älterer frauen: Stellen Sie sich das nicht lustig vor, wenn Ulla Schmidt kommt.
  • doppelte meniskus op: Logisch, Sie haben ja auch zwei Knie.
  • annegret nobel schwester: Wurde von der Krankenkasse gestrichen, sie arbeitet jetzt alleine.
  • „hau drauf“ und schluss asterix obelix: Er hieß Schlagdraufundschlus und bekam auf Seite 30 eins auf die Nase.
  • das leid stein schlag mit text: Assoziieren Sie noch oder suchen Sie schon?
  • falukorv hamburg lyoner: Manchmal wird aus Grützwurst in Krakau auch Schinken.
  • dänisch reife frau tube: Steigen Sie auf schwedische Fischkonserven um.
  • vorstellungsgespräch für altenpflegehelf: Nehmen Sie nicht unbedingt Faltblätter für die Bestattungsvorsorge mit.
  • zitronenaufzucht: Sprechen Sie nicht mit den Dingern, sonst werden sie sauer.
  • „gustavo skrabi“: Malt seit Mittwoch wieder. Ich kann’s nicht ändern.
  • einladung zum sektempfang mit nachbarn: Nicht die Lachshäppchen anfassen. Die kommen von der Kommunion und müssen noch bis Weihnachten halten.
  • playboyfotos von saskia valencia: Wie zu erwarten war alles unterbelichtet.
  • barry ryan heirat: Wurde nichts, sie ist dann mit Petrus Abaelardus durchgebrannt.
  • aktfotos machen lassen altötting: Hochwürden zieht jetzt bitte die Hose wieder hoch und korkt den Messwein wieder zu. Ist ja nicht zum Aushalten hier!
  • mixa „gott mit uns“ peinlich: Wurde als Standortgeistlicher in Basra vorgeschlagen, um die Klasse für Nachwuchshardliner zu übernehmen.
  • murmel in total recall: Er hieß Doug. Noch Fragen, Hauser?
  • „horst lichter“ nervensäge: Ja.
  • murmeltier gruß: Mit Na, Du Faulpelz liegen Sie immer richtig.
  • locken-bob-frisur: Das sieht nur so aus. In Wirklichkeit kratzt sich die Kanzlerin nur so oft am Kopf.
  • schweinenacken haarbürste: Geschmackliche Ähnlichkeiten sind eine Frage der Zubereitung.
  • hagen rether heilpraktiker: Nein, Sie bekommen die CD nicht auf Krankenschein.
  • alexandra schiess teuer?: Kaufen Sie Ihre Müllsäcke lieber in der Drogerie. Da passt auch mehr rein.
  • totenkopfaufkleber an klingel: Wenn Sie Probleme mit dem toten Briefkasten haben, hilft Ihnen die Friedhofsverwaltung gerne weiter.
  • koppelschloss anleitung: Klemmen Sie sich nicht den Stift ein.
  • kristiane allert-wybranietz: Lassen Sie uns darüber reden, was das mit Ihnen macht. Und vor allem, warum.
  • presse janette rauch: Pressen Sie die Dame bitte alleine.
  • halskrause hund basteln: Moment, ich knote eben noch die drei Dackel zu einer Hundeleine, dann kann’s losgehen.
  • fertigsuppenhersteller nur mit wasser: Das wird nichts. Chemie sollten Sie schon studiert haben.
  • slätthult anleitung: Suchen Sie die Stelle, wo es am beschissensten aussieht, und pappen Sie das Ding drauf. Fertig.
  • ein prosit der gemütlichkeit: Ja ist denn schon Aschermittwoch?
  • friss oder stirb-buch: Sollten Sie häufiger Druckwerke verspeisen, haben Sie beides. Weichen Sie auf Esspapier aus.
  • tischkühler: Also ich serviere die kalten Platten ja lieber auf dem Teller, aber wenn Sie meinen…
  • beerdigung sonja zietlow: Mein Tipp: beauftragen Sie lieber einen Bestatter. Des Niveaus wegen.
  • aufkleber abwrackprämie mittelfinger: Fragen Sie gerne mal beim Einzelhandelsverband nach. Am besten so Mitte 2010, wenn die Bilanz steht.
  • steghose+stramm: Und nüchtern tragen Sie Baströckchen?
  • aktfotos für mollige göttingen: Gehen Sie zum Kollegen mit der Großbildkamera. Der macht Ihnen auch hübsche Querformate.
  • hocker stahlrohr: Nicht pflegeleicht, aber sehr wurfdynamisch.
  • http://www.cülcan nackt bielder.com: Lassen Sie mich raten: außer Handgelenksport haben Sie keine Hobbys?
  • von herzblut durch finger: Feilen Sie vor dem Nasebohren die Pornoschaufeln, und alles wird wieder gut.
  • geköpft durch kreissäge: Interessant. Wie hat Ihr Arzt das behoben?
  • kirschen preis: Nächster Suchtipp: Mengenrabatt.
  • hautpilz beine wickeln: Vier Wochen Keimzeit in einem Freibad Ihrer Wahl, und schon macht Ihr Handtuch hübsche Muster auf den Waden.




Egozentrisches Weltbild

30 05 2009

Er wird geboren, lallt und schreit
und schläft. Mehr braucht er nicht.
Bald ist es für ihn an der Zeit,
dann tut er’s, und er spricht.

Zunächst folgt er nur dem Instinkt,
will Mutterbrust und Kissen.
Dass ihm noch etwas andres winkt,
davon mag er nichts wissen.

Doch bald, da trennt er von der Welt
dies Andre säuberlich
und nennt dies Ding, wie’s ihm gefällt,
sein je bewusstes Ich

und spricht, in ersterer Person:
„Ich will!“, noch bis zuletzt.
Er hat, man ahnt es, weiß es schon,
sein Zentrum festgesetzt.

Da thront er fortan, prangt und prunkt,
bald eitel und bald träg.
Der Mensch steht gern im Mittelpunkt
und darum nur im Weg.





Gernulf Olzheimer kommentiert (IX): Hotlines

29 05 2009

Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer


Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Fern sind die Zeiten, da der durchschnittliche Schollenbewohner noch alles selbst bewerkstelligen konnte: dem Hornvieh hinter dem Pflug über die Krume folgen, auf dass die Feldfrucht gedeihe, das Korn händisch mahlen, den Teig kneten, sich die Griffel am Ofen verbrennen und das alsbald zum Verzehr geeignete Brot sich in die Wampe panzern, um hernach von der holden Gattin zu erfahren, dass Kind Drei gerade eben beim lustigen Spiel mit dem noch nicht ganz gezähmten Wolf in gulaschartigen Aggregatzustand überführt wurde und Kind Sieben es für nötig hielt, an einer aus dem Nachbardorf eingeschleppten Virusinfektion zu versterben. Da ging’s dann lustig auf die Alte rauf, Rente sichern, und die liebe Seele hatte einmal mehr Ruh.

Anders heute. Der durchschnittliche Vollspaten lebt so fern der Scholle, dass er sie noch im Balkonkasten für suspekt hält, sperrt sein Brot in funkferngesteuerte Gefrierkästen und pflegt seine paranoiden Anfälle, wenn die Dinger nach dem Auspacken ein Eigenleben entwickeln und sich einen Dreck darum kümmern, was die aus dem Altkoreanischen über Volapük und Vulgärlatein nach Neusprech übersetzten Bedienungsanleitung anweist: Wenn dem loch die Ausweisen, klebe des nasen Neben ihre enddarm Oeffnung. Täte man gerne, birgt aber leichte technische Schwierigkeiten, weshalb man die Rufnummer der Hotline wählt.

Schon wenige Jahre später erfährt der Kunde, dass gerade die Baugenehmigung für ein neues Call-Center erteilt wurde; die Sprechverbindung wird noch innerhalb der nächsten drei Generationen möglich sein. Risiken und Nebenwirkungen stehen nicht zur Debatte. Viele Produktgenerationen später – inzwischen sind DDT, Wählscheibentelefone und kohlebefeuerte Plätteisen auf wundersame Weise aus der Mode gekommen – meldet sich eine verschlafene Stimme und fragt mit sächsischem Akzent nach der Fahrgestellnummer des Traktors. An sich hatte man wegen einer Digitalkamera angerufen, doch der junge Schwachmat am anderen Ende des Drahtes betreut außer landwirtschaftlichem Großgerät und Vibratoren nur defekte Heizdecken. Nichts zu machen. Wollte man nur kurz einhaken, hängt man schon wieder in der Warteschleife und darf sich erneut Mozarts Gesamtwerk in der Einspielung für elektrisches Fiepsen anhören, zur Sicherheit gleich dreimal. Die Verbindungskosten haben unterdessen den Wert des Bruttoinlandsprodukts überschritten.

Da meldet sich eine Stimme – mutmaßlich derselbe Bekloppte, der in der Zwischenzeit eine Nachschulung in aufrechtem Gang, hochdeutscher Phonetik und Unterhaltungselektronik absolviert und die Prüfung schon im vierten Anlauf bestanden hat – und fragt, ob man bei dem batteriebetriebenen Toaster den Netzstecker in die Dose gepröppelt habe. Dann zitiert er altkoreanische Lyrik; es handelt sich um denselben Sondermüll, der bereits beim Lesen der Bedienungsanleitung für Lochfraß auf der Netzhaut gesorgt hatte.

Andere Versuche ergeben, dass Hilfskräfte von Service-Hotlines erst nach dem Einsalzen der letzten verfügbaren Hirnzelle voll berufstauglich sind. Wer beispielsweise über das jähe Verstummen seiner Festnetzleitung klagt, darin inbegriffen auch der als Internet landläufig bekannte Datenverkehr, lässt sich jederzeit gerne von einem Vollspaten fragen, warum er seinen Hilferuf nicht in aller Ruhe als E-Mail von der heimischen Kiste verfasst habe. Wer einfach nur mal wissen wollte, warum die im Trockenrasierer befindlichen Scherfolien, obzwar mit der korrekten Artikelnummer ausgezeichnet, die auch auf der Verpackung steht, nicht ins Gerät passen, weil sie anderthalb Zentimeter zu breit sind, um sie in den Kinnhobel reinzuschwiemeln, erlebt ein heiteres Frage- und Antwortspiel. Wann man das Gerät und zu welchem Zweck wo erworben habe. Ob vergleichbare technische Probleme bereits vor der ersten Ingebrauchnahme der Neuware aufgetreten seien. Ob die Differenz von fünfzehn Millimetern möglicherweise kein Baufehler sei, sondern auf die unterschiedliche Stromspannung in Südostasien zurückzuführen wäre, wo der Rasierer eigentlich zum Einsatz hätte kommen sollen, wäre da nicht zwischendurch die Globalisierung passiert.

Am Ende eines langen Tages begreift man, dass dieser Service zu den Wahrzeichen seiner Nation gehört, dem Lande der Behämmerten, und zieht die Konsequenzen. Raus mit dem ganzen Schamott. Beherzt pfeffert man Kamera und Zugmaschine auf den Abfallhaufen hinter der Doppelhaushälfte, wo schon diverse Fernseher, Hörgeräte, Schusswaffen und Sportwagen in buntem Lack dem Niederschlag trotzen, und übereignet das Konvolut den Archäologen künftiger Jahrtausende, die daraus ablesen mögen, mit welcher Geschwindigkeit die Postmoderne ihrem Verfall entgegen gerottet sein muss. Man ahmt die stoische Ruhe des Objekts nach, akzeptiert das unangemeldete Ableben des Organischen und überlegt kurz, ob es sich noch lohnt, dem Ehegespons zwecks Rentensicherung beizuwohnen. Allein dies kann man vergessen; der Unrasierte ist chancenlos auf dieser Welt.





Die Kirschen der Freiheit

28 05 2009

Das Auto hielt mit quietschenden Reifen neben mir. „Warten Sie mal!“ Herr Grieschmann stieg aus dem Wagen und lief zur Heckklappe, wo er einen Korb hervorholte. „Wegen der Gartenmöbel. Und weil es letzte Woche so wenig Eier gab. Und überhaupt!“ Da stand ich nun am Straßenrand, auf dem Weg zum Wochenmarkt, und hielt einen Spankorb voller Kirschen in der Hand.

Zuerst hatte ich nur Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht – in der Linken die frischen Früchte, in der Rechten den Einkaufskorb – und dann lief mir Herr Breschke über den Weg. Natürlich hatte er sich als pensionierter Oberamtsrat vom städtischen Hundeverbot nicht aufhalten lassen, Bismarck mit auf den Markt zu bringen, den dümmsten Dackel im weiten Umkreis, der auch prompt seine Leine zwischen Breschkes Beinen verhedderte und den schwer schnaufenden Alten zum Stehen brachte. Neugierig beäugte er die Steinfrüchte. „Das sind ja mal schöne Kirschen!“ Lag ich etwa mit meinem Gichtverdacht richtig und der Inhalt meines Korbs könnte ihn für gut zwei Wochen vom Zipperlein befreien? Weit gefehlt. „Wir haben doch die Tage unsere Tochter zu Besuch, und Kirschmichel war doch immer ihr Höchstes.“ Schon glommen weitere Begehrlichkeiten in seinen Augen; gäbe ich ihm eine Handvoll, bekäme er sofort lebensbedrohlichen Appetit auf Schwarzwälder Torte und würde noch Doktor Klengel vorschützen. Oder seine Frau, die ohne Kirschsuppe mit Grießklößchen nicht mehr leben will. Ich verabschiedete mich hastig.

Anscheinend hatte sich der ganze Umkreis zum Stelldichein verabredet. Anne und Jonas. Sonst beäugten sie einander leicht skeptisch, jetzt aber waren sie ein Herz und eine Seele. Bis auf die Art, wie sie meinen Korb ansahen. „Also wenn Du mal Marmelade machst“, sprach Jonas aufs Geratewohl, „ich würde Dir ja ein paar Gläser abnehmen. So viel kann man doch gar nicht auf einmal essen, und ich würde mich da durchaus opfern. Durchaus!“ Anne sah es pragmatischer. „Bierbowle. Kirschen rein, fertig. Bevor sie weich werden.“ Törtchen warf der eine in die Unterhaltung, Rumtopf die andere. Ich stand dazwischen und kam gar nicht erst zu Wort. „Wobei ich auch einen Flan nicht schlecht fände. Von der Grütze mal abgesehen – ich bringe dann auch ein bisschen Vanilleeis mit.“ „Ach was, in Kirschwasser einlegen und dann eine ordentliche Schwarzwälder Torte. Man kann das gute Obst doch nicht verkommen lassen.“

Meine Laune war getrübt, verschlechterte sich aber stetig. Waren das noch die Kirschen der Freiheit oder schon die Früchte des Zorns?

Einigen Wünschen nach Törtchen, Clafoutis und Pfannkuchen wich ich noch aus, bevor mich wichtige Erledigungen weiterzogen. Ein Pfund Schalotten hatte ich erstehen können und ein Bund Petersilie, dann stieß ich auf erbitterten Widerstand für den gesunden Menschenverstand. Sigune, die Frau, die mit dem Gemüse spricht und Topfblumen mit Mondwasser beträufelt. „Oh, wie schön!“ Ich verstand nicht. „Wenn man die durchpassiert hat, kann man sie als Maske…“ Da verstand ich. Wobei ein Kilo Kirschmatsch auf ihrem Gesicht sicher ebenso wenig ändern würden wie ein kompletter Wal im Speckmantel. Man sagt Fisch ja hartnäckig zu, intelligent zu machen.

„Ah, Sie interessieren sich für die Partei der radikalen Diffusität?“ Ein beschlipster Geck hatte mich von hinten angefallen. „Schauen Sie, wir brauchen mehr Interessen in diesem Land. Jeder kriegt sein eigenes Wahlprogramm – für Sie Nummer 263 mit etwas Steuern runter und hinten wieder rauf, Sicherheitsfetischismus und Original-Freiheit, und dann der Clou: alles bleibt, wie es ist, und Sie dürfen sich beschweren, weil wir nichts hingekriegt haben. Na, ist das nicht sensationell?“ Flüchtig blickte ich auf das Wahlplakat: ein pickeliger Schmierlappen grinste und verkündete mehr Brutto für Steuerhinterzieher. Was empfiehlt man solchen Leuten? Windbeutel?

Kaum war ich vor den Fleischstand getreten, da hatte die Verkäuferin auch schon ihre Gabel beiseite gelegt. Ich zeigte auf die Lammschulter. Doch das kümmerte sie gar nicht. „Nehmen Sie am besten Schweinefilet dazu. Können Sie einfach in Bratfolie zubereiten. Aber bloß nicht das Fett abschneiden, um Gottes Willen! Erst vor dem Servieren, sonst geht der ganze Geschmack verloren! Und für die Kirschsauce nehmen Sie ein wenig Chilipfeffer, das harmoniert ausgezeichnet.“ Ich wurde deutlicher. Doch sie wies mich einfach ab. „Lammschulter mit Kirschen? Das kann man doch nicht essen!“ Und ob man das könne. Erst Recht ohne die vermaledeiten Kirschen. Sie war regelrecht beleidigt. Hatte sie einen Grund dazu? Schließlich hatte sie mich bevormundet, und das im wahren Wortsinn.

Angewidert wandte ich mich ab. Jetzt wird man auf dem Wochenmarkt schon von querverkaufenden Fleischmarketing-Fachkräften genervt. Was würde als nächstes kommen? Der Biobauer versuchte es mit Hard Selling und einem Obst-Upgrade. „Ich würde Ihnen Blattsalat mit Kirschen und Orangen empfehlen. Bei der Menge an Kirschen würde sich für Sie natürlich eine größere Menge lohnen, sagen wie 50 bis 60 Köpfe? Ich lasse beim Preis auch mit mir reden. Und eine Kiste Orangen dazu?“

Nachdem mir der Käseverkäufer im Flüsterton ein Geheimrezept für Kirschkompott mit gegrilltem Ziegenkäse verraten hatte – dasselbe, das ich vor Jahresfrist auf dem Schreibtisch von Tante Elsbeth entdeckt hatte, die seit 50 Jahren jede Küchensache aus der Apothekenzeitschrift ausreißt – trat ich den Rückzug an. Den Rest des Tages verbrachte ich auf dem Sofa. Ich stopfte Kirschen in mich hinein, eine nach der anderen und voller Ingrimm.

Den Rest würde ich einkochen. Später. Sehr viel später. Sobald ich wieder Kirschen sehen könnte.





Der Blutfleck auf der Wendeltreppe

27 05 2009

Das nackte Grauen stand ihr auf dem Gesicht. Anne zitterte am ganzen Leib. Ich war so schnell, wie es nur möglich war, zu ihr geeilt und fand sie ratlos auf den Koffern sitzen. Drei Wochen war sie in der Toskana gewesen, aber die Erholung war schon jetzt dahin. Ein Bild des Jammers. Ich erschrak.

„Da! Guck genau hin! Auf der Treppe!“ Die Wendeltreppe, auf die Anne mit dem Finger zeigte, verband das Erd- mit dem Obergeschoss, wo sich Schlafzimmer, Balkon und diverse Räume voller Schuhschränke befanden – ich und vor allem meine Bandscheiben kannten dies Obergeschoss nur zu gut, hatte ich doch selbst kistenweise Pumps, Sandaletten, Stiefel, Sneaker, Tanz-, Lauf- und Badeschuhe aus aller Herren Länder, Material, Form, Farbe, Schnitt und Absatzhöhe diese Stufen hinauf getragen, von den Teilen ihrer Schlafstatt zu schweigen. Mutig schritt ich wieder auf die Treppe zu, doch blieb ich kurz zuvor an der Kante hängen, an der Kante der kleinen Perserbrücke nämlich, die ich oft schon mit der Schuhspitze touchiert hatte, so dass Anne mit höhnischen Bemerkungen wie „Gib Dir ruhig die Kante“ oder „Bleib doch auf dem Teppich“ meinen Zorn angestachelt hatte. Immerhin sorgte der Perser dafür, dass sie zum Jahresabschluss wieder auf dem Heiratsmarkt war; ihrem Lebensabschnittsbegleiter, dem Staatsanwalt Doktor Pöppel, der über den Flusenfänger gestrauchelt war und sich am Geländer besagter Wendeltreppe böse die Nase aufgeschlagen hatte, empfahl sie, kichernd nach zu viel Sekt, Nachhilfe zu nehmen, wie man am Silvesterabend ein Eisbärenfell überhüpft. Seitdem ist Ruhe, was den Bodenfeudel angeht.

Es war Blut. Ihr geübtes Auge hatte es eindeutig identifiziert, so dass meine Widerrede zwecklos blieb. Wer sollte sich auch in ihrer Abwesenheit Zutritt verschaffen, um den Teppichbesatz auf der untersten Treppenstufe mit mysteriösen Flecken zu markieren? Noch dazu, wo doch nur die unterste Stufe einen Fleck aufwies? Was war hier komplett ausgeblutet? Eine Zwergspitzmaus? „Sei nicht kindisch“, wies ich Anne zurecht, „dafür muss es eine logische Erklärung geben.“ „Dann schieß mal los, Sherlock Holmes!“ Anne verschränkte die Arme vor der Brust und nahm wieder auf den Koffern Platz. „Hier ist ein Verbrechen geschehen, ich weiß es!“ Man soll mit einer Juristin nicht streiten, wenn sie eine Kausalkette aufwickelt – vor allem nicht mit einer, die in einem verbrannten Brötchen sogleich fünf Minuten Abwesenheit des Bäckers wittert, in denen sich Mord und Totschlag begehen lassen. Ich seufzte ergeben.

„Gehen wir logisch vor“, begann ich, „wer war in den vergangenen Wochen hier?“ „Du hast einmal die Blumen gegossen – keine Widerrede, sie sind völlig verwelkt! Mehr als einmal war das nicht!“ Ob mich die Abwesenheit verdächtig machte? Sie überging es. „Ja, und natürlich Tamara.“ Wer war Tamara? „Das ist doch die Putzfrau, diese… also es ist die eingeheiratete Schwester… vielmehr die Schwippcousine… also jedenfalls hat sie mir der Hausmeister empfohlen.“ Mir war neu, dass sie eine Raumpflegerin beschäftigte. „Frau Tamara Asgatowna“, bestätigte Anne, „sie verdient sich etwas dazu. Sag jetzt nicht, dass Du etwas gegen eine Russin hast!“ Scharf sah sie mich an. Dabei hatte ich gar nichts gegen Tamara. Ich kannte sie ja nicht einmal. „Das wird ja immer schöner“, keifte Anne, „Du kennst Sie nicht, aber Du hast etwas gegen sie!“ „Wenden wir uns lieber dem Fleck zu“, beschwichtigte ich, „das ist doch kein Blut.“ Der braune Farbton ließ manche Interpretationen zu. Sicher hatte jemand Nägel auf dem Teppichabsatz liegen lassen und es hatte durch die Decke geregnet.

Tamara würde noch heute Abend zurückkehren. Es bestand Gefahr im Verzuge. Fluchend schleppte ich den Paravent aus Annes Schlafzimmer – auch wenn das Fenster unmittelbar auf eine Mauer ging, es hätte sich ja ein Einbrecher am Efeu hochziehen und ihre Walkürenfigur bei der Morgentoilette in Augenschein nehmen können – und baute ihn vor der Wand auf, wo wir uns unsichtbar machten.

Mucksmäuschenstill war es, bis Tamara kam. Zuerst hörte man sie, wie sie kreuzfalsch ein Lied pfiff, dann stapfte sie breitbeinig ins Wohnzimmer und verteilte ihre Utensilien auf dem Tisch: einen verdächtig braungrauen Staubwedel, ein Putztuch, Allzweckreiniger, ein Rettich und eine Flasche. „Lass mal sehen!“ Anne drängte mich vom Spalt weg und betrachtete, wie die Raumkosmetikerin die Scheiben kreuz und quer abpuschelte und hernach feucht nachwischte. „Wenn sie nur nicht meinen Schmuck raubt!“ Doch Tamara dachte gar nicht daran. Träge summte sie ihr Liedchen weiter, ab und zu unterbrochen von einem herzhaften Biss in den Rettich. Uns tränten schon die Augen.

Eben hatte sie noch hingebungsvoll die Bilder an den Wänden abgestaubt – der Bauer Serjoscha hatte in ihrem Lied inzwischen dem Gutsverwalter kräftig in den Hintern getreten – da nahm sie die Flasche vom Tisch, hieb den Kronkorken mit den Zähnen ab und wollte gerade einen tiefen Zug nehmen, als sie an der Teppichkante hängen blieb. Der Inhalt spritzte quer durch den Raum. „Ёлки-палки“, fluchte Tamara, „Чёрт побери! Опять не повезло!“ Wie besessen tupfte sie auf der Treppenstufe herum.

Anne roch und roch. „Tomatensaft?“ Ich kam gar nicht erst zu Wort. „Wer wollte mir einreden, hier sei ein Schwerverbrechen passiert? Du und Deine ausschweifende Fantasie!“ Sie war gar nicht zu bremsen. „Dafür wirst Du bluten!“ Grimmig sah sie mich an. Ich fletschte die Zähne. „кайфово!“





Im Glashaus

26 05 2009

„Sie wissen, warum Sie hier sind?“ Die Stimme des Vernehmungsbeamten klang nicht so, als stellte er eine Frage. Düster starrte er auf mich. Die Schreibtischlampe blendete. Wie in einem dieser ganz billigen Kriminalfilme, deren Ende absehbar ist, wenn man den Anfang verpasst hat.

Er blätterte in den Akten. „Dann will ich Ihrem Gedächtnis mal auf die Sprünge helfen. Wo waren Sie am 1. Mai kurz nach Mitternacht?“ Ich sagte der Wahrheit entsprechend, auf der Maifeier von Husenkirchens gewesen zu sein. „Zeugen? Können Sie übrigens vergessen, die Frage war rhetorisch.“ Ich war irritiert. Schließlich konnte ich für den besagten Zeitraum gut drei Dutzend bringen. Bei Staatsanwalt Husenkirchen ist immer etwas los. Die Weine sind trinkbar, der Käse alt, doch die Gäste kommen gerne wieder. Beizmenne hatte ich nach dem Genuss von zu viel Waldmeisterbowle dezent ins Gästeklo bugsiert, wo schon Moeding über der Schüssel hing und Flaschenbier in die Kanalisation lachte. Ein illustrer Kreis. „Und das soll ich Ihnen glauben? Sie waren bis gestern in Kairo. Leugnen Sie doch nicht, das macht Ihre Lage nicht besser.“ Ob ich mich getäuscht hatte? Immerhin saß ich seit drei Tagen in dieser kleinen Zelle, aber wenn er sagte, dass ich in Kairo gewesen sei, dann muss ich wohl in Kairo gewesen sein.

„Wobei ich mal wissen möchte, wie Sie sich das leisten.“ Wie ich mir was leiste? „Zwei, drei… fünf Flüge nach Kairo und zurück. Nein, vier Flüge. Einer ging über Köln nach New York. Ganz schön kostspielig für jemanden, der offiziell von Hartz IV lebt. Na, das kriegen wir noch raus.“ Ich begehrte auf. Hatte er nicht eine Einkommenssteuererklärung in den Akten? Es kümmerte ihn nicht weiter. Er bellte mich unvermittelt an. „Los, raus mit der Sprache! Wer finanziert Ihnen die Flüge? So viel bringt es doch nicht, wenn man einen sieben Jahre alten Kleinwagen mit Unfallschaden an der Frontschürze verkauft!“ Wovon sprach der Mann da eigentlich? Ich hatte nie im Leben einen Kleinwagen besessen. „Unfallschaden nach einem nicht verschuldeten Auffahrunfall in Oberursel. Waren Sie da nicht alkoholisiert?“ Ich protestierte heftig. In meinem ganzen Leben war ich nicht im Hochtaunuskreis gewesen, die einzige Oberursel, die ich kannte, verursachte mir gerade Brechreiz.

„Also hat sich Ihr Gesundheitszustand seitdem nicht verbessert. Hätte man sich ja denken können.“ Jetzt wurde es mir zu bunt. „Was reden Sie hier für einen Unfug? Sind Sie eigentlich noch ganz dicht?“ Er verlor nicht die Beherrschung – das überraschte mich dann doch. Er sah mir nur scharf ins Auge und tippte mit dem Finger auf ein Aktenblatt. „Zwei Entziehungskuren. Eine mit 21, eine mit 23, mitten im Studium. Gerade noch so den Absprung geschafft. Seitdem hat Ihre Bauchspeicheldrüse ein wenig gelitten, stimmt’s? Tja, und dann kaufen Sie im Internet belgische Schokolade. Als Diabetiker. Dann werden Sie wohl damit rechnen müssen, dass Ihre Tochter nicht zum Abitur zugelassen wird. Wozu braucht sie auch die Hochschulreife, wenn wir sie als Schmarotzerin des Gesundheitssystems gleich in der Gosse endablagern können.“

Was wurde hier eigentlich gespielt? Meine Wut brach aus mir hervor. Ich hieb mit den Fäusten auf den Tisch und schrie den Vernehmungsbeamten an. „Nehmen Sie gefälligst zur Kenntnis, dass ich noch nie im Leben in Kairo gewesen bin. Dass ich noch nie in New York war. Auch nicht in Oberursel. Ich habe nie einen Kleinwagen besessen. Ich bin kein Diabetiker und habe seit Jahren keine belgische Schokolade gegessen. Ich will meine Anwältin sprechen, und zwar sofort!“ Er blickte immer noch unbeteiligt. „Na! So, so, so.“ Nicht einmal einen beschwichtigenden Ton nahm seine Stimme an. „Wir wollen uns doch hier nicht echauffieren. Wo doch Ihre Betriebskrankenkasse festgestellt hat, dass bei Ihrem Zahnstatus absolut kein Bypass mehr drin sein wird.“

Ganz davon abgesehen, dass ich bei keiner Betriebskrankenkasse versichert war, was ging diese Schnüffler mein Gebiss an? Wer denkt sich das aus? Hatte Kafka vom falschen Baum geraucht?

„Übrigens“, fuhr er unvermittelt fort, „Sie sind nicht der einzige in Ihrer Familie. Ihren Bruder hat’s auch ganz schön erwischt. Krebs. Schlimm. Tut mir Leid für Sie. Das wünscht man ja echt niemandem.“ Was sollte das? Die Mitleidsnummer? Ganz davon abgesehen hatte ich nie einen Bruder, wie sollte der an Krebs erkranken? „Noch nicht. Wird er aber. Mit 60. Oder 65. Garantiert. Blase. Niere. Oder Bauchspeicheldrüse, Sie sind ja selbst Risikopatient. Dann haben Sie auch Verständnis dafür, dass ihn die Böhlmann KG fristlos freigesetzt hat. Unsere Volkswirtschaft ist halt keine soziale Hängematte. Verrecken kann man auch ohne Arbeitsplatz, nicht wahr, Frau…“

Er war irritiert. Glotzte in die Akte. Blickte mir ins Gesicht. Wusste für einen Moment nicht, was wirklich geschehen war. Klatschend berührte mein Identitätsausweis die Schreibtischplatte. Hin und her guckte, musterte, prüfte er. Ungläubig zuerst, dann immer hektischer, als begriffe er erst jetzt. „Ich… das… Herr Doktor, ich… ich bitte um Verzeihung, das ist so ein… ein Kollateralschaden gewissermaßen. Wollen Sie mir freundlicherweise die Sache nicht übel nehmen!“ Abrupt erhob ich mich. Drehte mich um, schritt zur Tür der Vernehmungszelle, klopfte dreimal und wartete, bis sie aufgeschlossen wurde.

Der Beamte hatte längst die nächste Akte auf dem Tisch. „Nichts für ungut“, rief er mir nach. „Schönen Tag noch!“





Kreative Technologie

25 05 2009

„Meine Güte, sind Sie nass!“ Traute Rupfmöller half mir, als ich mich aus dem Mantel schälte. Es hatte überraschend geregnet. „Geben Sie her, das ist schnell gemacht.“ Vorsichtig hängte sie das tropfende Ding über einen Kleiderbügel und knipste ihn an. Das Kleidungsstück blähte sich im Nu auf, als wäre es ein Einmannzelt. Aus dem Haken röhrte es wie in einem voll besetzten Frisörsalon. „Das Gebläse wird Ihren Mantel schonend trocknen, in weniger als einer Stunde werden Sie ihn schon wieder anziehen können.“ „Das ist ja großartig“, staunte ich, „haben Sie noch mehr auf Lager?“ Sie lächelte geschmeichelt. „Sie werden sehen, ein Besuch auf unserer Erfindermesse ist immer ein Gewinn. Ich schlage vor, wir beginnen bei den Haushaltswaren. Mir ist jetzt nach einem Kaffee.“

Schon hatte sie mich zu einem großen Stand mit vielerlei Küchengeräten geführt. „Schauen Sie, so sieht die perfekte Küche für Singles aus.“ Und sie zeigte mir einen kleinen, formschönen Kasten. „Links die Mikrowelle, rechts eine Kaffeemaschine. Seien Sie ehrlich, mehr ist doch für einen Studenten gar nicht notwendig.“ Im Nu hatte die Maschine den Kaffee durchgefiltert. Ob sich das lohnte? „Im WG-Zimmer haben Sie sonst keine Möglichkeit, sich mal schnell einen Imbiss zuzubereiten. Diese Maschine schließt eine echte Lücke. Nehmen Sie Milch und Zucker?“ Frau Rupfmöller hielt mir eine vibrierende Tasse hin. „Sie rührt automatisch um.“ „Sagen Sie“, fragte ich zwischen zwei Schlucken, „wer denkt sich diese ganzen Sachen aus?“ „Ganz normale Leute. Menschen wie Sie und ich, die von einer Sache genervt sind oder es gerne bequemer hätten. Man entdeckt etwas, was es noch nicht gibt, man definiert dies als Problem, und schon hat man etwas erfunden. Man muss es nur noch bauen.“ Das transparente Plastikrohr weckte mein Interesse. „Das könnte ich gut gebrauchen. Oben steckt man die hartgekochten Eier hinein, und unten kommen sie in Würfelgestalt heraus. Wie praktisch!“ Doch sie winkte ab. „Das Konzept ist nicht ausreichend durchdacht. Der Eierwürfelformer dürfte auf dem Markt keine Chance haben.“ Was denn das Problem sei, fragte ich sie. „Haben Sie je würfelförmige Eierbecher gesehen?“ Ich schwieg betroffen.

„Aber schauen Sie hier. Dieser Personal Toaster ist ein Messeschlager.“ Sekunden später fluppte das Röstbrot aus dem Schlitz und zeigte ein Bärchen. „Die Schablone ist wechselbar.“ Es gab Blümchen- und Streifenmuster. „Da hätte ich spontan eine Idee: bieten Sie das mit der Marienerscheinung an. Der Toast war seinerzeit der Renner.“ „Warum nicht“, meinte sie und zog einen großen Lippenstift aus der Tasche. Musste sie sich gerade jetzt schminken? Doch sie strich damit über die Toastscheiben. „Für das Hotelfrühstück ist das ideal, wo bekommt man noch gute Butter? Man kann das Streichfett damit viel besser dosieren. Und es nimmt kaum Platz weg auf dem Tisch.“ Ob es auf dieser Messe auch einen Dosierspender für Marmelade gäbe?

Der Kühlschrank mit Glastür ließ mich ratlos. „Das ist ungemein praktisch“, belehrte mich Frau Rupfmöller, „Sie müssen nie mehr die Tür öffnen, um den Inhalt zu kontrollieren. Und es ist endlich Schluss mit dem Märchen, die Industrie hätte einen Pakt mit den Stromkonzernen geschlossen und würde Geräte herstellen, in denen sich heimlich wieder das Licht anschaltet.“ Ich stellte mir den Kühler in meiner Küche vor – kein Bier mehr würde ich vor Jonas verstecken können, keinen Pudding vor den Argusaugen meiner Großnichte.

Was sollte diese unförmige Metallplatte mit den Schlitzen nur sein? „Passen Sie auf.“ Sie legte die Platte am Handgriff auf einen Bierkasten und zog. Zwei Dutzend Kronkorken ploppten, zwei Dutzend Biere zischten simultan. „Für eine Grillparty ist so ein Multiflaschenöffner bestimmt gut“, gab ich zu, „und dieser Synchrontrinkhalm ist für den Sangria-Eimer gedacht?“ Sie nahm mir das Schlauchbündel aus den Fingern und drehte es um. „So wird das verwendet. Entweder Sie stellen Mischgetränke aus verschiedenen Flaschen her – beispielsweise Bier und Cola – oder Sie benutzen es einfach im Liegestuhl. Dann müssen Sie nicht so oft für Nachschub sorgen.“ Der Korken knallte und landete wie vorgesehen im Schlauch. „Und wenn’s mal ein Schlückchen Sekt sein soll, fliegt Ihnen der Stopfen nie mehr um die Ohren.“

Das Bad war mit allen Schikanen versehen. Das Klosettbecken leuchtete matt von innen. „Wenn Sie nachts raus müssen, braucht es nicht das grelle Deckenlicht.“ Wozu aber diente der Kalender am Duschvorhang? Und warum innen angebracht? „Oft hat man die besten Einfälle unter der Dusche. Oder man sortiert gleich morgens den Tagesplan. Das geht nun mit wasserfestem Stift.“ Ganz erstaunlich. „Und mit diesen Badeschuhen haben Sie gleich den Boden blitzblank gewischt.“ An den Sohlen der Pantoffeln waren Wischmoppfäden befestigt.

„Haltet den Dieb!“ Der Wachmann hatte einen hochroten Kopf. Er stürmte durch das Gelände und fuchtelte mit den Händen. „Haltet den Dieb! Er hat die Kasse mit den Tageseinnahmen von gestern geklaut!“ Das kleine Männchen mit dem Revolver lief genau auf die Rutsche zu. „Unsere Antwort auf den Treppenlift – wenigstens abwärts haben die Senioren ihren Spaß, und es spart natürlich Strom.“ Frau Rupfmöller zog einen Stift und eine Spraydose aus der Handtasche. Doch nicht schon wieder Kosmetik? Sie sprühte den Boden ein. Dann drückte sie einmal auf den Stift. Es klackte leise.

Da kam der Bösewicht angerannt. Noch ein Schritt, dann würde er auf der Rutsche liegen – zu meinem grenzenlosen Erstaunen strauchelte der Langfinger über die eigenen Füße und schlug der Länge nach auf den Boden. Dort blieb er in seltsam verdrehter Stellung liegen, die Handflächen wie angenagelt auf dem Parkett und die rechte Wange an seinem Knie.

„Wie haben Sie das denn gemacht?“ „Alles eine Frage der Technik“, lächelte Frau Rupfmöller beschwichtigend, „dieses kleine Gerät ist an sich eher dazu gedacht, eine Wäscheleine in eine Wand zu schießen.“ Tatsächlich, ein Nylonfaden spannte sich beinahe unsichtbar in Knöchelhöhe durch den Raum. Ich wollte den Schurken am Schlafittchen packen, doch sie hielt mich davon ab. „Vorsicht, sonst bekommen Sie Sprühkleber an die Finger!“





Grenzen des Fortschritts

24 05 2009

für Erich Kästner

Sie flogen zum Mars und zum Jupiter hoch.
Sie fuhren auf achtzig Zylindern.
Nur eines verärgerte sie noch und noch:
sie konnten den Tod nicht verhindern.

Verbieten, das ging nicht. Man hat es versucht.
Nur blieb der Erfolg recht bescheiden.
Dann hat man den Tod und den Teufel verflucht.
Es kam keine Antwort von beiden.

Sie schufen gesetzliche Unsterblichkeit
und zeigten dem Tod ihre Waffen.
Sie forschten und dachten, es wär an der Zeit,
den Tod einfach abzuschaffen.

Dann fand es am Ende ein Forscher vom Rhein:
der Tod säße zwischen den Ohren.
Und fortan, da sollte das Leben nur sein.
Der Tod hatte endlich verloren.

Man strich es auf Pflaster. Sie mischten’s in Korn.
Bald gab es Unsterblichkeits-Kuchen.
Doch dann gab es Streit und sie waren voll Zorn:
wer sollt es als erster versuchen?

Sie schlugen und schossen. Sie spießten sich auf.
Sie hatten dem Krieg sich ergeben.
Zuletzt blieben zwei, doch die pfiffen darauf.
Und brachten einander ums Leben.





Im Bewusstsein unserer Verantwortung

23 05 2009

Das Goldne Kalb hat ausgedient,
es wird jetzt eingepackt.
Der Michel hat längst ausgegrient.
Justitia geht nackt.
Es stehen dumm herum und stramm
und halten sich für stark
ein Dutzend Zwerge, trötend am
    Verfassungstag.

Der Würde sei genug gezollt,
das meint der Oberwicht –
und ist dann wieder heim gerollt.
Von Menschen sprach er nicht.
Die Zwerge stehen stramm und dumm.
So komme, was da mag,
sie graben fleißig Löcher zum
    Verfassungstag.

Sie motten die Geschichte ein.
Es stinkt nach Staub und Blei.
Was soll uns Einigkeit allein?
Kein Recht? Sind wir nicht frei?
Sind wir das Volk? Soll Recht bestehn,
holt aus zum Gegenschlag!
Dann feiern wir noch weiter den
    Verfassungstag!





Gernulf Olzheimer kommentiert (VIII): Mehrzweckhallen

22 05 2009

Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer


Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Am Anfang menschlicher Nutzbauten befand sich das Plumpsklo, jener von einem Herzloch in der Tür veredelte Rückzugsraum für menschliche Geschäftigkeit, die aus ästhetischen Gründen nicht in unmittelbarer Nähe des Brotbackautomaten stattfinden sollte. Schnell kam der Hominide auf den Geschmack und schwiemelte sich funktionale Immobilien zurecht, die jeweils einer bestimmten Sinnhaftigkeit gewidmet waren: das Schlachthaus zur Erzeugung der beliebten Nackensteaks seit dem Beginn steinzeitlichen Grillwesens, Hallenbäder zur Ertüchtigung des Volks im wehrfähigen Alter sowie zur kontrollierten Nachzucht von Fußpilz und Filzläusen, schließlich Sakralbauten in diversen Formen, Farben und Höhen, um möglichst viele Mitglieder der Gesellschaft das Menschenopfer am Feierabend simultan erleben zu lassen, begleitet von frommem Singsang und güldenem Gerät. Die Völker in ihrer Mannigfaltigkeit waren’s zufrieden und widmeten sich fortan ihrem eingewurzelten Drang, die Einfamilienhütten am Kralrand durch Jägerzäune, Klinkerfassaden und Walmdächer in den Zustand ultimativer Widerlichkeit zu hieven. Ohne Sinn und Verstand hockten die Architekten in ihren Erdlöchern; da schuf einer von ihnen die grausame Rache des bauenden Menschen an der Zivilisation – die Mehrzweckhalle. Der Niedergang des Planeten beschleunigte sich zusehends.

Seitdem der erste Mehrzweckbau den arglosen Benutzern zum Ausüben vielfältiger Bestimmungen übergeben wurde, hat sich nichts geändert. Seit der mittleren Eisenzeit reichen sich die Atmosphäre einer Klärgrube, der Geruch von Fleischproduktion und die Akustik einer Schwimmhalle lustig die Hände, was nicht weiter auffällt, wenn man sich zwischen Eingang und Ausgang verläuft, weil jene in die Hügellandschaft gehauenen Buden meist das Fassungsvermögen einer spätgotischen Kathedrale besitzen, was sich an vergleichbaren Temperaturen während der Heizperiode bemessen lässt.

In der Gegenwart hat der aufgeklärte Mensch den Priesterkönig, der neben Regenzauber und Wahrsagerei meist die Menschenopfer zu betreuen hatte, durch den gemeinen Bekloppten im Bauamt ersetzt. Das macht die Sache nicht besser, sofern der architektonisch arbeitende Behämmerte nur eine Tür weiter sitzt und weisungsgebunden den Beton in Brechreiz erregende Gestaltungen quält. Derart abhängig von Bauplan, Bezahlung und öffentlichem Druck greift die Grundrisshebamme ein ums andere Mal beherzt ins Klo, um sicherzugehen, dass die Steuergelder auch restlos darin verschwinden.

Bereits die frühe Planungsphase sieht eine Vollauslastung mit symphonischem Konzertbetrieb vor; dessen ungeachtet sind die Architekten auf der Klosetthäuschenstufe stehen geblieben und passen die Garderobengröße dem Rauminhalt eines WCs an, so dass hauptberuflich spielende Orchester Mehrzweckhallen auf dem Tourplan automatisch mit Totenkopfaufklebern markieren oder gleich von der Reiseroute eliminieren. Einen handelsüblichen Konzertflügel auf die Bühne zu verlasten scheitert daran, dass die Zugänge aus Holzfaserplatte in den Maßen zwei zu eins bestehen: zwei Meter hoch, ein Meter breit, Anschlag innen, damit man die Klinke dem Tuttigeiger in der letzten Reihe ergonomischer in den Hinterkopf rammen kann. Vermutlich war der Vollidiot, der der Bauaufsicht vorgesessen hatte, davon ausgegangen, dass der Saalbau mit derselben abnehmbaren Dachkonstruktion ausgerüstet sein würde wie das Balsa-Modell im Maßstab 1:150.

Doch auch der Bekloppte, der freiwillig seinen Fuß in die Arena setzt, kriegt sein Fett weg. Das einzige im Spannbeton verbaute Büfett ist an der Schmalseite – das zweite Drittel der zahlenden Gäste erhält zum Pausenende seichwarmen Schaumwein, die restlichen Alkoholiker müssen sich mit dem Orchesterpersonal solidarisieren, das meistens nicht einmal Kühlschränke zur rapiden Pegelangleichung vorfindet.

Nach zwei Jahren hat sich das erledigt. Die Kommune kürzt die Subventionen auf Null, weil sie festgestellt hat, dass die für den Kosten deckenden Betrieb erforderlichen elf Millionen Besucher pro Monat nicht mit legalen Mitteln zu schaffen sind. Ab dann werden drittklassige Liedermacher, Fußpflegerkongresse und Mannschaftssportturniere für die Einnahmen herangezogen, so dass noch Tage nach der Meisterschaft im Klötenrutschen das Parkett während Beethovens Tripelkonzert nach Altherrenausdünstung stinkt. Rockbands wären gerne gesehene Gäste, doch ist die Ausstattung mit Steckdosen in jeder Reihenhausgarage sinnvoller, von der Dachkonstruktion angesehen, die bereits bei einer Taschenlampe der Schwerkraft nachgeben und den fachgerechten Anbau kompletter Traversen zum Machtkampf mit der Versicherungsgesellschaft werden lassen. Kammermusik fällt weg, da die formschönen Schallsegel aus handgekauter Alufolie nicht höhenverstellbar sind. Startenöre stehen fortan dicht an der Rampe und kreischen wie krebsrote Vollversager auf dem NPD-Parteitag, um in der ersten Reihe gehört zu werden.

Und so wird früher oder später die Schutthalde ihrer eigentlichen Bestimmung übereignet und dient als Austragungsort obskurer Massenbespaßungen mit Thomas Gottschalk, bei denen im Schweißgeruch nicht weiter auffällt, wenn sich bei Johannes Heesters vor Ekel die Leichenstarre zu lösen beginnt.