„Es ist aber auch ein Kreuz!“ Anne rührte in der Kaffeetasse und zog die Stirn in tiefe Sorgenfalten. Ihr Bruder hatte sich zum Essen angesagt. „Ich sage Dir, der Mann ist schwierig. Und ich habe vor sechs Wochen einen Lammrücken geschmort, der einfach nur zäh war. Fürchterlich! Jetzt bringt er seine neue Freundin mit und wünscht sich Rinderfilet. Was soll ich bloß machen?“ Ich bot mich an, beim Kochen behilflich zu sein, doch sie lehnte ab. „Das ist nicht das Problem. Sie werden mir in der Metzgerei Martens wieder irgendeine altersschwache Kuh andrehen und ich kann dann zusehen, wie ich den Fleischklumpen zu Tode schmore.“
(Der Korrektheit halber muss man sagen, dass Anne gar nicht einmal schlecht kocht. Allerdings ist sie Juristin und kann die meisten Dinge – Laminat verlegen, Kühlwasser nachfüllen, Briefumschläge zukleben – nur mit Hilfe einer genauen Anweisung bewerkstelligen. So ist es auch mit dem Kochen. Es ist bei ihr die präzise Umsetzung vorgegebener Rezepte, nicht mehr und nicht weniger.)
„Was meinst Du“, fragte ich, „wenn Du mir bei den Rohren im Bad hilfst, regle ich das mit dem Fleisch. Einverstanden?“ Denn das war nicht gerade einfach. Der Klempner bestand darauf, die Rohre unter dem Waschbecken mit einem Drehgewinde anzuschrauben, das offensichtlich nur in seiner Vorstellung zu existieren schien; daher hatte er es auch nicht auf Lager und überließ es mir, das Teil zu besorgen. Also kam es, wie es kommen musste: das obere Teil passte ans Becken, das untere passte ans Rohr, beide passten aber in der Mitte nicht zusammen und daher passte ich auf, dass der Eimer unter der Armatur regelmäßig geleert würde. Den Klempner musste das nicht weiter stören, er hatte zu Hause sein eigenes Waschbecken und er empfing auch nicht meinen Besuch.
„Gib mir mal die Rohre“, sagte Anne, als wir vor dem Baumarkt parkten, „ich erledige das.“ Wir betraten die Halle. Zielstrebig steuerte sie auf den Verkaufstresen zu und hieb die Metallteile auf den Tisch. „Das hier soll ein zölliger Doppelflansch sein. Passt aber nicht.“ Der Mann hob nur kurz den Kopf. „Das passt“, murmelte er an dem Streichholz zwischen seinen Zähnen vorbei, „Sie können bloß nicht schrauben.“ „Jetzt hören Sie mal ganz genau zu.“ Annes Stimme hatte bereits den schneidenden Unterton angenommen, der manchen Staatsanwalt seine Berufswahl hatte überdenken lassen. „Das passt nicht, und Sie besorgen jetzt einen zölligen Flansch. Ich warte.“ Der Verkäufer lehnte sich nach vorne. „Kunden wie Sie, zu Hause herummurksen und wiederkommen, weil Sie mit der Rohrzange nicht können.“ Er blickte süffisant. „Lassen Sie das Ihren Mann machen.“ Immer weiter rutschte er nach vorne. „Für den Nenndruck muss ich Ihre Nippel messen“, fuhr er schmierig grinsend fort, „dann verlege ich Ihnen ein Rohr mit Slip-On-Flansch, da können Sie das Höschen anbehalten.“ „Den Geschäftsführer!“ „Der hat für Sie auch keine Zeit.“ Der Rohrkrepierer senkte wieder den Kopf. „Gut, anders“, bellte Anne zurück, „ich rufe bei der Gewerbeaufsicht an und sage den Kollegen, dass keine Geschäftsführung im Haus ist. Dann machen wir Ihre Witzbude für drei Monate dicht.“ Und sie öffnete ihre Handtasche.
Ich begriff. Nicht männliche Diplomatie kommt zum Ziel, sondern weibliche Brutalität.
Schon dreißig Sekunden später begrüßte der Geschäftsführer sie mit Handkuss. Er begutachtete die Rohrstücke samt Quittung. „Gnädige Frau“, sagte er, „das passt schon. Haben Sie vielleicht den Nippel verkehrt herum eingesetzt?“ Annes Gesicht war ein Fragezeichen. „Hat denn der Installateur da nichts eingeschraubt?“ Sie verneinte. „Dann ist der Mann, verzeihen Sie bitte, ein Idiot. Sie brauchen für die beiden Rohre nämlich einen Doppelnippel. Schauen Sie mal.“ Er fuchtelte mit den Rohrteilen herum. „Also zunächst mal nehmen Sie nicht diese Gewinderohre nach DIN 2441, die sind ja viel zu schwer, das ist für Gasbetrieb. Dieselben gibt es in Leichtguss für Wasserabflüsse. So, und dann haben Sie das DN-25-Stück, also zöllig, ja? Das passt zum oberen, wenn der Reduziernippel da angeschraubt ist. Die Nennweite wird so verringert. Ein kleiner Unterschied, aber entscheidend.“ Er fischte aus einer Kiste ein kleines Gewindeteil und schraubte es zwischen die Rohre. „Der Nippel geht aufs Haus, gnädige Frau. Und wenn Sie einen Rat wollen: suchen Sie sich einen guten Klempner. Wissen Sie, die Handwerker heute, das ist ja nicht mehr zum Aushalten! Keine Ahnung, und der Kunde steht dann vor dem Rohrsalat und wir müssen das ausbaden. Empfehlung an den Herrn Gemahl!“
Eine Viertelstunde danach standen wir in der Metzgerei Martens. Durch die Vitrine besah ich das Angebot und verlangte nach Rinderfilet. Kritisch musterte ich, was die Metzgersgattin hochhob. Ich tippte gegen die Glasscheibe. „Zeigen Sie mal das Stück hier. Nein, das große. Links daneben.“ Es war von sanfthellem, aber sattem Rot sowie von feinen Fettäderchen durchzogen, mager und doch kräftig. „Das müssen Sie vorsichtig behandeln“, riet mir die Fleischfrau, „ist auch besonders feinfaserig. Und lassen Sie’s nach dem Braten unbedingt ruhen, damit sich der Saft besser verteilt. Massieren Sie das Öl am besten vorher ein. Und nicht vorher salzen, sonst geht das Aroma verloren!“
Anne wog das Fleischpäckchen in den Händen. Bewundernd schaute sie mich an. „Ich glaube, manche Dinge können Männer einfach besser.“
Satzspiegel