
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Während Mutter Natur einigen Geschöpfen die Fähigkeit zu komplexeren Kommunikationsmustern mitgegeben hat – Walen, Bienen und Primaten – verhängt das Dasein dem Menschen seine tägliche Portion Höchststrafe ohne Aussicht auf Bewährung. Die Prüfung erscheint in Gestalt des Bekloppten, der einem hinterrücks wirres Zeug in die seitlichen Schädelausstülpungen kotzt. Er ist rücksichtslos, ohne Schuldbewusstsein geboren und verharrt in diesem Zustand, bis ihm die Luft ausgeht. Das Kardinalproblem besteht darin, dass ihm die Luft nie ausgeht. Unter keinen Umständen. Niemals. Er schwatzt einfach weiter.
In freier Wildbahn sind Schwätzer relativ leicht zu orten. Warnsignale wie Hömma oder Was ich sagen wollte zu missachten kann tödliche Folgen haben; das Opfer verstirbt zugleich an zentralem Versagen und erleidet einen Volumenmangel, verursacht durch massives und unstillbares Ohrenbluten. Gelindert wird diese brutale Art der Kontaktaufnahme mit den Vorvätern nicht etwa durch einen komatösen Zustand; alle Anzeichen für herabgesetzte Hirnfunktion sprechen dafür, dass sie den Labersack selbst befällt. Der Märtyrer befindet sich in akuter Schockstarre und registriert den Verlauf der Folter bei vorerst noch lebendigem Leib sowie bei intakten Sinnen.
Wie Kraken und ähnliche Kopffüßler angeln sich Schwätzer das Opfer mit Hilfe klebriger Kommunikationstentakel. Durch völlig sinnfreies Gelaber und Geschwalle zerrt der Angreifer die Beute in den Abgrund reiner Faselei. Killerphrasen wie Sagense mal oder Ich weiß ja nicht, ob Sie’s wussten lösen umgehend septische Reaktionen im Magen-Darm-Trakt des Arglosen aus, die durch weitere Stusszufuhr bis in die Unerträglichkeit gesteigert werden. „Kennen Sie eigentlich den Hüppelmann? Dem seine Frau ist eine geborene Schmidt, kommt aus Hünxe, die Eltern hatten da so ein kleines Seifengeschäft, der Vater ist aber auch schon lange tot, war wohl Schlaganfall, sagt man jedenfalls, aber ich halt mich da ja raus, weiß man ja auch nicht so genau, geht einen auch gar nix an, obwohl is eigentlich schon ein Skandal, hätte der Arzt doch viel früher erkennen können, gibt doch heutzutage viel mehr Möglichkeiten, ich sag’s Ihnen, wozu bezahlt man denn die Krankenkasse, und was die Tochter ist von dem Hüppelmann, die ist jetzt mit einem Lehrer zusammen oder sogar verheiratet, hab ich nicht gefragt, ist aber auch schon her, ich hab die ja zuletzt gesehen bei der Beerdigung von dem Schmidt, nein, warten Sie mal.“ Spätestens an diesem Augenblick empfiehlt es sich, ein Seuchenschutzlazarett aufzusuchen.
Sämtliche Therapieansätze, diese Sorte von Bekloppten wenigstens unschädlich zu machen, sind zwecklos. Die Distanzlosigkeit, mit der von Hungerödemen gezeichnete Schmeißfliegen sich auf frisch Erbrochenes hinter dem Bierzelt stürzen, ist auch dem Schwadroneur zu eigen. Er krallt sich manisch in die Lücken jeder Intimsphäre und popelt darin mit seinen ungewaschenen Griffeln herum. „Was ich noch fragen wollte, weil Sie heute Schlips tragen, trägt man noch Schlips? Sieht ja ganz gut aus, aber kommt das bei den Frauen an? Ich mein ja, Sie sehen nicht so aus, als ob Sie bei den Frauen, gut, kann man sich ja auch täuschen, aber jeden Tag mit dem Schlips, ich weiß ja nicht, aber man weiß ja nicht, wozu es gut ist.“ Da hilft nur Gegenwehr. Um akuten Sprechdurchfall zu stopfen, darf so gut wie jedes Mittel angewandt werden. Kommunikationsblocker wie Pappschilder oder demonstrativ angebrachte Ohrstopfen zählen zu den bewährten Interventionsmaßnahmen in der präklinischen Notfallmedizin. Heftiges Schütteln am Kragen – Frequenzen von ungefähr 10 Hertz sind zu bevorzugen – stellt die Krakenmechanik des Beknackten vorübergehend ruhig und ermöglicht, dem Fluchtreflex zu folgen.
Neue Forschungen erwägen die Hypothese, es könne sich um eine Schädigung des Frontallappens handeln; der Praxistest zeigt jedoch auffallend oft, dass sich in der Kalotte der Bescheuerten nasse Bierdeckel, sachte verseifender Rosinenkuchen und Gelegereste der babylonischen Hausstaubmade finden, bisweilen Scheuer-, aber keine Hinweise auf die Existenz von Frontallappen. Wahrscheinlich dreht der Sabbelmechanismus der Blechbabbler durch den zusätzlich zur Verfügung stehenden Resonanzraum auf der Überholspur frei. Mehr als Redundanz ist in dem Geseier nicht zu entdecken, nach der sechsten Wiederholung tritt mechanisch arbeitender Leerlauf ein, der den Verbalbrei knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit in schleimigen Aggregatzustand zentrifugiert und ungefiltert aus der Abluftanlage in die Außenwelt rausmangelt. Die Folgen sind aus den Statistiken zur Auslastung psychiatrischer Einrichtungen bekannt.
Am besten ist es, die Dauersalbaderer alle in TV-Talkshows zu entsorgen, wo sie sich gegenseitig die Ohren unter Schwafelsäure setzen können, bis die Lippen in Fetzen hängen. Das kann man getrost ignorieren. Stattdessen geht man Angeln und hält als Reha-Maßnahme einfach mal die Fresse.
Satzspiegel