
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Auch der Herbst kann noch schöne Tage haben; zumindest wäre das erträglich, was nach Abzug von Nieselregenwetter, Grippeepidemien, klitschigem Laub unter den Schuhsohlen und dauerdudelndem Weihnachtsliedergeseier in der Discounterhölle davon übrig bliebe, wüsste man nicht spätestens nach einmal Rundherum im Jahrkreis, dass auch die anderen drei Viertel durch saisonalen Vollschrott unangenehm aufzufallen bemüht sind. Mit Heuschnupfen und Sonnenstich liegen sie schon ganz gut im Rennen, doch den Garaus macht der von Beknackten erdachte Versuch, die komplette Grütze von zwölf Monaten in anderthalb Stunden Mageninhalt beim fröhlichen Wiedersehen zu pferchen – den TV-Jahresrückblick.
Während sich das gemeine Volk aus purer Verzweiflung die Birne mit Glühwein aus billigem Pinselreiniger und Mähdrescheröl ostbulgarischer Herkunft wegschießt, um auf die Schnelle alle zur Erinnerung notwendigen Synapsen wegzumarmeln, suhlt sich eine Herde entmenschter Intensivtäter im Faulschlamm der Vergessenheit. Vier Quartale lang rotten Medienkadaver unter Luftabschluss vor sich hin, jetzt füttern sie das wehrlose Publikum mit den Wiedergängern aus dem Massengrab der Sinn- und Geschmacksverwesung. Der Krempel, der ohnehin nur durch Heißlufteinsatz schlagzeilentauglich wurde, darf hier noch mal Dampf ablassen.
Als hätte man das Geplänkel des politischen und gesellschaftlichen Kroppzeugs noch nicht zu den unverdaulichen Resten gekotzt, hier ringelt sich der Matsch mit neuer Kraft aus den Sielen. Abgesägte Minister, verdrängte Singsang-, Darstell-, Hupf- oder sonstige Bohlendohlen röcheln noch einmal aus dem Abfluss, bevor die Spülung sie entweder über den Umweg Dschungelcamp in Madennähe bringt oder sie im Direktzug erledigt. Der untere Rand der Cervelatprominenz, den noch vor sechs Monaten keiner kannte und dessen Name bereits seit einem Vierteljahr gründlich verdrängt wird, hier hopsen die Koordinationsversager, die sonst in der Suppenumrührsondersendung verkocht werden, auf den Schwingen verschwiemelten Faselschwalls in die Arena und verfehlen die Falltür zur Ewigkeit nur knapp. Es gäbe Schlimmeres als ihren gewaltsamen Abgang; ihre Auferstehung nämlich.
Dazu selbstverständlich die Riege derer, die weg sind vom Fenster, größtenteils tot und in fast allen diesen Fällen auch ordnungsgemäß begraben, die von verhaltensgestörten Redaktösen nochmals exhumiert werden und in den Szenen auftreten dürfen, in denen sie dem Zuschauer zwischen den Werbepausen nicht übermäßig auf die Plomben gehen. Es funktioniert wie die übliche PR-Rotation, hat aber den Vorteil, dass man den Aufmarsch der Jammerlappen nicht mehr im Original erdulden muss. Die einzig legitime Zwischenposition nimmt Johannes Heesters ein; der ist zwar inzwischen auch schon abgeschrammt, weiß es aber nicht und geht immer noch fröhlich dem Heer der Nachgeburten auf den Sack.
Die Königsdisziplin jedoch stellt die Weiterentwicklung des Katastrophentourismus mit anderen Mitteln dar. Jede Massenkarambolage, jedes Blutbad, jeder Flugzeugabsturz über dem Atlantik wird noch einmal auf die Tränendrüsen gequetscht für die Nacht der aus dem Schimmel reitenden Leichen, präsentiert von den blödesten Klugscheißern der Nation. Ob Buschfeuer oder Seebeben, detonierte Züge oder füsilierte Kinder, das Sabberpack mit dem angewachsenen Mikrofon hechelt sich zur besten Sendezeit die widerlichsten Obszönitäten für professionelle Opferspanner aus dem Schritt – da wird Fernsehen vor der Glotze zum Ekeltraining und hinter der Kamera zum Leistungssport, den kein Brezelbieger ungedopt absolviert. Ein Esslöffel Mehlwürmer hat mehr Hirnzellen als die Fehlinkarnationen mit dem IQ von Quallenfutter, und sie stilisieren sich als Ikonen unter den Hohlpfosten.
Doch nicht das ist das Unerträgliche an den Best-of-Ballerspielen. Wirklich widerwärtig ist die Bande der Winseltuten, die den Mist ins Programm schleppen. Kerner, Jauch und Gottschalk, allesamt skrupellos dabei, wenn es gilt, die Zeugen des Sofas ins Unbehagen zu zwingen. Und selbst hier gibt es Abstufungen. Ist der Banküberfall- und Bettnässer-Wiederkäuer durchschnittlich von der Ausstrahlung einer Waschbetonmauer und so attraktiv wie eine Wanne voll Pudelamputat, die volle Punktzahl für klinisch relevante Hirnkaries schießt der unvermeidliche Beckmann ab, der Paradedepp des Gebührenverheizerfernsehens, der mit der komplett merkbefreiten Frage Waren Sie traurig, als Ihre Mutter starb? Maßstäbe gesetzt hat fürs Einstellungsgespräch als Gehwegplatte im Mainzer Rotlichtviertel. Jede Dumpfnulpe dieses Formats gehört mit den Genitalien an einem ukrainischen Rübenvollernter getackert, den religiöse Fanatiker zur Tilgung ihrer dreckigen Wunschvorstellungen unterbrechungsfrei über die Schotterpiste möllern. Tagelang. Bis tief aus den Erinnerungslücken Susan Stahnkes Darmspiegelung aufblubbert – Kinder, werden die Deppen sagen, damals gab’s noch echte Kultur im Fernsehen!
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