
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Wer immer seine Ware, Geschmeide, Baustoff oder totes Tier zu Verzehrzwecken, auf den Markt zu bringen versucht, sollte zusehen, das Produkt als besonders qualifiziert darzustellen: eng umrissen ist der Bereich, in dem sich der Kunde den Drahtkorb auf dem Weg zur Kassenschlange voll schaufelt, denn er weiß, das Gras jenseits des Zauns ist grüner und die Lebensspanne deutlich begrenzt, wenn man nicht gerade Johannes Heesters heißt. So versteigt sich die Werbung aufs Feine, Edle, kreiert Teewurst und Frischmilch und Exquisitplempe in bunter Vielfalt, auf dass der Konsument niemals kapiere, wie innerhalb der Knitterverpackung der übliche Gammel lauert. Dreht man die Schraube fester, landet man bei Premiumtierfutter, Luxuskotztüten und schließlich, wie sollte es anders sein, bei der Elite. Sie ist, der Name deutet’s an, die ausgesuchte Ware im Sortiment, doch ob ausgesucht gut oder ausgesucht beschissen, das erfordert genau den Kontext, der aus Sicherheitsgründen meist fehlt.
Was läge also ferner, als über Los zu gehen und gleich mit dem ersten Schritt im Fettnapf zu stehen – der Elitäre tut’s trotzdem, doppelt verbissen gar und hockt voll Wonne in der Wanne, um in sozialer Dimension sich selbst als Elite einordnen, mithin als bunt verpackten Sonntagsschrott abzuwerten. Chapeau, wir haben dem Pack auf der Kriechspur der Vasallen ja nicht das Auffahren verboten. Die soziale Stellung als Preisliste – warum nicht?
Elite scheint als Bezeichnung eng mit dem Konzept der politischen Korrektheit verwoben; denn so, wie man heute intellektuell eigenwillig operierende Menschen in kreativ herausgearbeiteten Teilbereichen der Gesellschaft anspricht, merkt das blöde Arschloch gar nicht mehr, dass es gemeint ist. Dummerweise hat sich in der Gesellschaft, die Postmoderne spielt, die Qualität erheblich verdünnt. Was seinerzeit noch als Schranzen besetzt werden konnte, rutscht heute durchs Sieb. Bildung ist nicht mehr hinderlich auf dem Weg ins Kellergeschoss, und so zeigt ein illustrer Flor aus Sackpfeifen auf Rütlischulniveau, wie das Volk zum Fremdschämen kommt. Warme Luft steigt nach oben, Hohlköpfe zuerst: Ministerpräsidenten brillieren durch erratisches Gestammel fremder Zunge, Bahnchefs sind nicht mehr in der Lage, Fahrkartenautomaten unblutig zu bedienen, Außenminister beweisen, dass Schlafen im Geschichtsunterricht (Latein findet in Elitehaushalten vorsichtshalber nicht mehr statt) einen schönen Teint macht – Stümper predigen Leistung, wie ebendiese zum Symbol des Elitären stilisiert wird, wenn man sich ganz sicher sein kann, dass die Waschlappen oben auf der Ungezieferstange im Leben noch nicht viel mehr hingeschwiemelt bekommen haben, als vom Kreißsaal über den Hörsaal direkt in den Plenarsaal zu glitschen – keiner repräsentiert die Blaupause dünn angerührter Daseinszwecke wie Politiker.
Denn sie sind das Musterbeispiel für kreativen Umgang mit der Realität; der eklatante Mangel an Moral, die Großtat, ihre Abneigung gegen sinnvolle Arbeit zur Kunstform zu erheben, ihre widerwärtige Unersättlichkeit, Überheblichkeit und Verlustangst, irgendwann auf das zurechtgestutzt zu werden, was sie sind: Wohlstandsmüll einer Deppengesellschaft im intellektuellen Sturzflug, alles das macht sie zu einer Herde von Zivilversagern, die nur in einem rege und findig sind, nämlich dem verschlagenen Versuch, sich mit Nichtwissen und Faulheit nach unten abzuschirmen, wo die harte Normalität droht.
Der Fehler pumpt sich auf und wird System; ein Dumpfschlumpf reicht dem anderen die schwitzige Hand, denn sie verstehen einander, Parvenüs, die das noch zu gut kennen vom Schulhof, wenn die anderen Kinder schon viele waren und immer mehr wurden: eine dicke Lippe verträgt sich nicht mit dem Umstand, keinen großen Bruder zu haben. Jetzt beten sie sich gegenseitig an, soziokulturell überforderte Fettarschbuddhas auf wirr genagelten Klappaltären, die Monstranz des Aufsteigertums, das sich unterwegs die Hohlbirne am Wahnsinn ankloppt, sich Genie attestiert und dann fröhlich der Korruption frönt, der Hauptursache für multiples Hirnarealversagen in derlei Kreisen.
Wer nun denkt, bis jetzt habe der Zoobesuch bei den hohen Tieren schon gefruchtet, täuscht sich. Nichts scheint attraktiver, denn als Ramschware auf den Markt gekotzt zu werden. Was sich Elite nennen kann, nennt sich Elite. Scheint’s hat sie niedrige Eingangsvoraussetzungen, zur Infoelite gehört man inzwischen schon, wenn man ohne Recherche aus anderen Zeitungen abschreiben und das Ergebnis als eigene Arbeit unterjubeln kann (siehe auch: Leistungselite). Logische Fortsetzung ist die alphabloggende Internetelite, die sich auf der Ausweichspur auch als digitale Bohème geriert, früher hieß das: „Der Junge, der hat ja 22 Semester studiert, jetzt verdient er manchmal etwas dazu.“ Inzwischen gibt es Elitenförderung an jeder Straßenecke, die ein Hund markieren kann, wobei der Gegensatz klar ist: Eliten- ist das Gegenteil von Begabtenförderung. Denn wozu müsste man die Elite, per se Spitze der Gesellschaft, noch anheben.
Allein, dieses System hat sein Gutes, unbestreitbar; wenn es denn dereinst soweit ist, können wir einfach das Dachgeschoss in Brand setzen, genau so, wie es interessierte Zeitgenossen dem guten alten Nero in die Schuhe schoben, um einen harmlosen Volltrottel ins Kostüm der degenerierte Bestie zu stopfen – und dann werden wir mit dem Dosenbier im Anschlag auf der Straße hocken und den quäkenden Vorzeigedeppen ein bisschen mehr Leistung empfehlen. Für die Allgemeinheit. Oder für die Geschichte. Wer macht da schon einen Unterschied.
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