So viel Sicherheit

10 03 2010

„Das ist doch der absolute Wahnsinn!“ „Eben, das kann auf die Dauer auch gar nicht gut gehen. Wenn sich das erst mal durchsetzt, dann gute Nacht.“ „Warum sind Sie denn alle so negativ eingestellt? Wir sollten es viel eher positiv sehen – die Chancen entdecken, die Möglichkeiten, was wir an Ideen finden, um die Nase vorn zu haben!“

„Zunächst stört mich der Absolutheitsanspruch. Es kann doch nicht jeder einzelne Händler an die Deutschen diesen Datenbrief schicken, das ist doch ein Wahnsinn.“ „Aber wie wollen Sie es denn dann bürgerfreundlich gestalten?“ „Keine Ahnung, aber ich begreife einfach nicht, warum jetzt wieder mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.“ „Na, da übertreiben Sie aber mal.“ „Allerdings, das ganze ist doch wirklich verbraucherfreundlich.“ „Haben Sie eigentlich schon einmal daran gedacht, was das für die Verbraucher bedeutet?“ „Die volle Kontrolle über seine Daten.“ „Nein, jede Menge Papier. Stellen Sie sich das mal vor: hier mal eine Reise online gebucht, da ein Päckchen Backpulver mit Kreditkarte bezahlt…“ „Ach, ich bitte Sie! Das sind doch Petitessen.“ „Im Gegenteil. Wenn Sie das zu Ende denken, dann werden Sie für jeden Vertrag, für dessen Abschluss Sie Daten hinterlassen, eine Datenauskunft bekommen.“ „Aber das sind doch kaum so viele Verträge. Wann schließt man denn schon einmal Verträge ab? Was erzählen Sie denn da für einen Blödsinn, Sie wollen Jurist sein?“ „Sie schließen jeden Tag Verträge ab. Sie schließen einen Vertrag ab, wenn Sie dem Bäcker ein Brot abkaufen.“ „Das ist doch wieder mal Panikmache, was Sie da betreiben! Reine Panikmache!“

„Nein, lassen Sie uns das mal weiterspinnen, er hat ja gar nicht so Unrecht.“ „Eben, finde ich auch. Wer muss denn überhaupt Datenbriefe verschicken? Etwa jeder kleine Anbieter?“ „Jeder.“ „Auch der kleine Krauter, der höchstens ein paar hundert Euro macht? Das ist doch lächerlich!“ „Natürlich auch der, es herrscht Rechtsgleichheit.“ „Also muss auch der Typ Datenbriefe verschicken, der sich nebenbei mit Internet-Auktionen… auwei, das wird aber sehr viel.“ „Sage ich ja.“ „Und was das kostet!“ „Das könnte natürlich dazu führen, dass man in Zukunft als Kleinunternehmer keine Chance mehr hat.“ „Ist doch okay, die FDP ist sowieso für mehr Freiheit im Netz.“ „Wie passt das denn zusammen?“ „Mehr Freiheit für Großkonzerne, that is.“

„Und wenn die Firmen das gar nicht richtig verschicken können?“ „Wie, nicht richtig verschicken?“ „Wenn ich für einen Download beispielsweise nur meine E-Mail-Adresse angebe.“ „Ja und, das reicht doch aus?“ „Aber die müssen doch einen Brief schicken. Wenn da als Adresse nur Name-at-Domain steht, woher wissen die, wo ich wohne?“ „Hm. Kann man die dann nicht ausnehmen?“ „Das sieht der Gesetzgeber aber nicht vor.“ „Da sehen Sie mal, was der Gesetzgeber für eine realitätsferne Vorstellung hat.“ „Wundert Sie das etwa?“ „Habe ich das behauptet?“

„Und selbst: wenn das passiert.“ „Was?“ „Dass sie einen Brief an die Adresse schicken, wenn ich da gar nicht mehr wohne.“ „Na und?“ „Oder wenn ich Post bekomme von diesem… Online-Versand, Sie wissen schon…“ „Bitte?“ „Ich habe da neulich eine DVD in Ihrer Aktentasche gesehen, Herr Kollege.“ „Bitte!?“ „Es geht mich nichts an, wir sind ja auch aufgeklärte Menschen, aber wenn Sie nicht wollen, dass Ihre Frau und Ihr Sohn und Ihre…“ „Bitte!“ „Verbindungsdaten können eben aussagekräftiger als Inhaltsdaten sein.“

„Das muss ja auch refinanziert werden.“ „Also liegt jetzt jedem Datenbrief eine Werbebroschüre bei?“ „Gute Idee. Muss ich gleich mal…“ „Sie sind wohl verrückt?“ „Jetzt haben Sie sich nicht so!“

„Man wird das zentralisieren müssen.“ „Wie? Das kann doch nicht die Lösung sein.“ „Doch, wir werden das zentralisieren müssen. Also eine Art Standard-Datensatz, der jeweils mit Pflichtdaten und optionalen…“ „Unsinn! Das ist doch nicht machbar, schon gar nicht für alle Speicherungen!“ „Ihnen ist auch klar, dass alle Daten, die man ausspähen kann, früher oder später ausgespäht werden?“ „Ja nun, das sind eben die Schattenseiten der Verfügbarkeit. Daran kann man auch nichts machen.“ „Und das wollen Sie auch noch fördern?“ „Wenn das Datensicherheits…“ „Staatssicherheit?“ „Lassen Sie mich doch mal ausreden! Wenn das Datensicherheitshauptamt die Daten verwaltet und die Datenbriefe verschickt, dann können doch die Unternehmen sich auch sicher sein, dass sie nichts falsch machen.“ „Wieso?“ „Na, das ist doch der Staat. Der verstößt doch nicht gegen Gesetze?“

„Aber überlegen Sie mal weiter: man muss doch davon ausgehen, dass die Daten beim Ausdrucken, beim Versenden oder sonst wie in falsche Hände geraten können.“ „Und deshalb müsste man diese Fehlerquelle auch ausschalten.“ „Wollen Sie die Briefe von Blinden eintüten lassen?“ „Warm. Heiß. Aber noch nicht ganz.“ „Ha! Das ist es doch – die Daten werden gar nicht von der Privatwirtschaft gespeichert, sondern gleich von einer staatlichen Stelle!“ „Heureka, das ist es überhaupt!“ „Und damit hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.“ „Das verstehe ich nicht.“ „Mensch, genial! Das ist ja großartig!“ „Erklären Sie das doch!“ „Wie haben endlich eine richtige Vorratsdatenspeicherung, ohne die Flachpfeifen vom BKA zu fragen, und wir können uns ELENA sparen.“ „Große Klasse!“ „Wirklich, das ist toll! So viel Sicherheit war nie!“