„Das wird doch wohl einen Grund haben.“ „Nein, das bezweifle ich.“ „Wie? Sie glauben, das käme alles aus heiterem Himmel? Na, Sie sind mir ja ein Spaßvogel!“ „Das habe ich überhaupt nicht gesagt. Ich habe nur gesagt: es hat nicht einen Grund. Es hat viele Gründe.“ „Dass diese Trottel uns als Umfaller bezeichnen? Pah!“ „Einer der Gründe ist Hochnäsigkeit, wie Sie sehr schön beweisen. Dann sollten Sie sich auch nicht wundern, wenn kein Arzt mehr etwas mit der FDP am Hut haben will.“
„Dabei waren das unsere treuesten Anhänger.“ „Die wir abgehängt haben.“ „Aber womit denn?“ „Mit diesen ständigen Lügen.“ „Bitte, das waren doch größtenteils Notlügen.“ „Notlüge, das ist noch schlimmer. Das ist Lüge mit Feigheit obendrauf.“ „Was hätten wir machen sollen?“ „Die Wahrheit sagen.“ „Dann hätte uns aber keiner gewählt.“ „Und jetzt? Sie sehen, dass es heiße Luft war.“ „Aber der Vorsitzende hat doch zehn Prozent versprochen.“ „Vertrauen Sie mir, wenn ich Ihnen Sonnenschein verspreche und es Ihnen schriftlich gebe?“
„Vielleicht kommt ja die Gesundheitskarte gar nicht.“ „Vielleicht kommt ja auch diese beschissene Steuerreform gar nicht.“ „Was macht Sie da so sicher?“ „Weil sie alle nichts anderes tun, als darüber zu reden. Kopfpauschale, Steuerreform, alles nur ein ewiges Geblubber ohne Ergebnisse.“ „Das liegt ja aber auch an der Regierung, die…“ „Falls Sie es nicht gemerkt haben sollten, die FDP befindet sich in der Regierung.“ „Ach so, ja.“ „Wer es wohl nicht bemerkt hat, ist der Parteichef.“ „Das dürfen Sie dem Mann nicht übel nehmen. Er hat als Außenminister so viel zu tun, da vergisst man das schon einmal im Eifer des Gefechts.“
„Und was war mit dem Datenschutz?“ „Den hat Frau Schmidt zerstören wollen, aber wir haben uns heldenhaft gewehrt – als Bürgerrechtspartei ist die FDP…“ „… programmgemäß eingeknickt und will jetzt die Komplettüberwachung einführen.“ „Weil die selbst verschuldeten Krankheiten jetzt der Kasse gemeldet werden sollen?“ „Was für ein grandioser Schwachsinn, wer bestimmt dann bitte, ob ich mir das Bein freiwillig gebrochen habe?“ „Man könnte in derartigen Fällen doch überlegen, ob sich ein Versicherungsnehmer noch gemäß seinen Pflichten zur Mitwirkung an der Solidargemeinschaft verhält. Ansonsten gibt es immer noch die Möglichkeit, ihn zu einer freiwilligen privaten Versicherung zu zwingen.“ „Und Sie glauben, das macht die Kassenärztliche Vereinigung mit?“
„Aber jetzt haben wir doch einen Arzt ins Ministerium geschickt – Mensch, das hätte doch die Medizinmänner beruhigen sollen, stattdessen regt sich dieser ganze Haufen derart auf.“ „Das war eben der Fehler. Der Mann ist unterqualifiziert.“ „Als Arzt? Ich bitte Sie!“ „Als Teppichhändler. Schauen Sie sich doch dieses Geschacher mit den Pharmaherstellern an – Preisverhandlungen! Er redet allen Ernstes von einer Preisgarantie, bei der die Firmen die Obergrenze ihrer Einnahmen selbst bestimmen dürfen!“ „Das ist doch schon einmal in Schritt in die richtige Richtung. Da wissen wir wenigstens, um wie viel wir über den Tisch gezogen werden. Haben Sie etwa Zweifel, dass der Gesundheitsminister die Medikamentenhersteller in Schach halten wird?“ „Rösler – ein Tanzäffchen, gefangen im Körper eines Pekinesen! Wenn einem der Kläffer ans Bein pisst, schmeißt man ihn über die Reling!“ „Da übertreiben Sie aber.“ „Ach was, der Mann ist doch eine Nulpe! Kopfpauschale, Zusatzbeiträge, die Arbeitgeberbeiträge zu Lasten der Arbeitnehmer einfrieren, die Privaten stärken, damit wir möglichst schnell Zweiklassenmedizin haben und die Versicherungsfonds hohe Renditen abwerfen und vor allem hübsche Boni für ein halbes Dutzend Aufsichtsratsmitglieder, die zufällig in der FDP sind.“ „Jetzt hören Sie auf!“ „Irrtum, ich fange gerade erst an. Demnächst dann noch die Kostenerstattung, weil es ein privatrechtliches Schuldverhältnis mit den Patienten gibt – dann können Ärzte für jede Rechnung ihre Patienten mit Mahnverfahren überziehen. Bis der Arzt kommt.“
„Aber wenn die Gesundheitskarte eingeführt wird, können wir wieder viele Kosten sparen.“ „Sie merken auch nicht mehr, was? Gerade deshalb laufen uns doch die niedergelassenen Ärzte weg, Sie Trottel!“ „Dabei bringt die Karte nur Vorteile: wir haben transparente Diagnosen, alles wird einfacher…“ „Vor allem für die Datenkraken im Innenministerium. Abgesehen von den Kosten, was macht der Arzt eigentlich, wenn die Datenserver genauso unzuverlässig sind wie Geldautomaten? Stellen dann die Praxen den Betrieb ein und lassen die Notfälle im Wartezimmer krepieren?“ „Sie sehen das immer alles gleich so negativ.“ „Wenn sie den Datenschutz aushebeln wollen, warum schaffen sie dann nicht die Verschwiegenheitspflicht für die Rechtsanwälte ab?“ „Weil sie selbst Juristen sind?“ „Falsch. Weil sich mit den Daten, die ungesichert im Netz herumschwirren, legal jede Menge Kohle machen lässt. Jede Firma zahlt Ihnen viel Geld, wenn Sie denen, welche Vorerkrankungen ein Bewerber hat. Jede Versicherung. Und was meinen Sie, wer sich die Kohle in den Hintern schiebt?“
„Dann war es also doch ein Rechenfehler.“ „Ein Rechenfehler?“ „Ja, ein Rechenfehler. Die Hotels machen viel mehr Umsatz als beispielweise die Arztpraxen – aber die Zimmermädchen wählen manchmal nicht FDP, und es sind auch nicht so viele Hoteliers wie Ärzte.“
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