Der Himmel unter Berlin

13 05 2010

„Wovor haben Sie Angst? dass das morgen alles wieder ganz anders ist und Sie eventuell reagieren müssten? Oder regieren, was übrigens auf dasselbe hinausliefe? Nein, Frau Merkel, so billig kommen Sie mir jetzt nicht raus aus der Nummer. Und machen Sie hier gefälligst nicht den Schröder – das könnte Ihnen so passen, in Nordrhein-Westfalen verreißen und dann den Karren einfach an der Wand stehen lassen. Jetzt wird gesprungen, Frau Merkel.

Wovor haben Sie denn Angst? Seien Sie froh, dass Sie Rüttgers von der Backe haben, der zappelt etwas herum, bis ihn seine Spendenaffären erledigt haben – für ihn ist das alles anders, er faselt davon, er habe seinen Untertanen ein Mietspracherecht eingeräumt – und dann können Sie Koch in einem Aufwasch gleich mit erledigen. Dann haben wir aber endlich mal freies Schussfeld, Frau Merkel, und dann stehen die nötigen Reformen an: Arbeits- und Sozialbereich, volkswirtschaftliche Stabilität, Bürgerrechte, innere Sicherheit, Verbraucherschutz, digitale Gesellschaft, Bildung, Forschung, es gibt da den einen oder anderen Bereich, der eventuell ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient als einen Halbsatz in einer Wahlkampfrede. Doch, Frau Merkel, das sagt Ihre eigene Partei. Nicht nur diese Opposition da draußen.

Weil Sie, Frau Merkel, eine ganze Kleinigkeit übersehen haben im fortgesetzten Koalitionsjubel. Die FDP ist nicht der Wirtschaftsflügel der Union. Nein, ist er nicht. Glauben Sie es. Die FDP ist eine ganz und gar eigenständige Partei. Und das ist das Problem. Ihr Problem, Frau Merkel.

Sie haben diesen Klüngelkreis mit Leihstimmen gefüttert und als Mehrheitsbeschaffer mit ins Boot gezogen. Ein paar wasserscheue Leichtmatrosen, die erst die Rettungsboote über Bord geworfen haben, der selbst ernannte Steuermann hat versucht, den Kiel durchzuhacken, und die anderen hängen über der Reling und kotzen, weil sie sich unbedingt schon im Heimathafen die Ration für vier Jahre Kreuzfahrt in den Rachen stopfen wollten. Sie wussten es genau. Dieser unerträgliche Egomane hat Ihnen den letzten Nerv geraubt, er hat sich für nichts und wieder nichts immer in den Vordergrund gespielt und heiße Luft in die Mikrofone gehustet, bis sie seiner überdrüssig waren. Und Sie, Frau Merkel, haben ein ums andere Mal zugesehen und gezeigt: meine Koalition, meine Regierung, meine Kanzlerschaft. Wie dumm kann man sein?

Steuersenkung? Aber wer hat denn an dieses Ammenmärchen noch geglaubt? Die Kläffer haben elf Jahre lang den Mond angeheult, und es ist noch nicht einmal raus, ob es der echte war. Der Zauber ist vorbei, das Vizefigürchen wird innerhalb der nächsten Wochen und Monate in der Versenkung verschwinden, und dann werden wir sehen, was rauskommt. Nur, Frau Merkel, einer Sache kann ich Sie versichern: es wird nicht ruhiger werden. Sie haben die Kopfpauschale und den ganzen anderen Mist noch immer nicht verworfen. Das wird ein Himmelfahrtskommando. Mit dieser FDP, Frau Merkel, werden Sie chancenlos sein. Sie werden Berlin von unten sehen, das kann ich Ihnen versprechen. Wenn Sie jetzt nicht klipp und klar zeigen, dass Sie den liberalen Wahlverein jederzeit über die Planke zu jagen bereit sind, dann haben Sie keine nennenswerte Chance mehr.

Doch, Frau Merkel. Der Verrat geht doch schon los. Erst wollten sie nicht, jetzt wollen sie doch, können nicht, aber stellen wenigstens Bedingungen. Pinkwart. Offenbar ist der Druck der Lobbyisten so groß, dass er sich an alles heran schmeißt, was nach Macht riecht. Gehen Sie auf Distanz zu den Last-Minute-Koalitionären. Sie machen es in Düsseldorf nicht anders als in Berlin: der Schwanz wedelt mit dem bisschen Hund, das noch übrig geblieben ist. Sie brauchen das nicht, Frau Merkel. Oder leidet die CDU inzwischen an Gelb-Sucht?

Sehen Sie sich nach einer Alternative um, Frau Merkel. Ging es nicht ohne das ganze Gedöns viel besser? War nicht Steinmeier ein verlässlicher Kerl, der dazu auch nicht auf Steuerkosten den zweiten Aufguss aus der Sauna spazieren fliegen lässt? Man kann der SPD ja viel vorwerfen, aber mit Sicherheit keine allzu große Nähe zur Wirklichkeit; dieses Wir-sind-wieder-da-Getute müssen wir aushalten, bis wieder irgendein Zausel sich zu weit aus dem Fenster lehnt. Also verlassen Sie sich nicht darauf, dass hier eine Art verhandlungsfähiger Opposition heranwächst. Das können die noch nicht. Aber drücken Sie den Sozen einen Hammer in die Hand und zeigen Sie ihnen, wo der Nagel in die Wand muss. Das geht immer. Darauf ist allemal Verlass.

Ach ja, und da gerade mal wieder Ihre rechten Haken kreuzen – wenn Sie noch so etwas wie ein konservatives Profil brauchen und die Lufthoheit über den Stammtischen, pusten Sie die Truppe aus dem Fenster, bevor sie mit ihrem Populismus die letzten Dämme unterwühlen. Das ist der Himmel unter Berlin.

Natürlich, gegen jeden Parteitagsbeschluss. Und die einen wollen auch weiter Steuern senken und nehmen dazu das Kanzleramt ins Visier. Eine entzündliche Stelle, Frau Merkel. Das wird Sie schmerzen, aber Sie sollten doch wissen: man kann so einen Wurmfortsatz auch herausschneiden.

Handeln Sie. Jetzt ist keine Zeit mehr zum Angsthaben. Dieses Geeier mit einer themenlosen Pöstchenschacherclique kostet Sie den Kopf. So, Frau Merkel, und jetzt gehen Sie da raus. Da ist die Tür. Da wartet die Presse. Sie wollen etwas hören. – Meine Damen und Herren, die Bundeskanzlerin!“


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