Lachnummer

20 05 2010

Klaubertsmöller kringelte sich. „Das ist ja komisch, das finde ich ja urkomisch! Haha!“ Zwar war mir nicht ganz klar, was an meinem Missgeschick – der Bus musste wegen der Bauarbeiten im Schritttempo durch die Innenstadt fahren und kam prompt zu spät – nun so lustig sei, aber hatte ich etwas anderes erwartet? „Na, dann kommen Sie mal mit!“ Er setzte eine Brille mit großen Plüschaugenbrauen auf und klemmte sich einen Clownnase ins Gesicht. Natürlich, warum auch nicht, in der Großhandlung für Scherzartikel.

Die Regale waren mit allerhand mehr oder weniger lustigem Zeug beladen. „Das geht immer“, teilte Klaubertsmöller mir grinsend mit. „Diese Kissen – Sie wissen ja, der Deutsche lacht gerne auf diesem Niveau. Aber das hier ist schon ein bisschen besser.“ Prustend drückte er mir ein kleines Rohr aus Metall in die Hand. Es handelte sich um eine Auspufftröte. „Man steckt das also bei einem Auto in den Auspuff“, fragte ich, „und das Ding pfeift?“ „Ein Höllenlärm“, gluckste der Witzboldausstatter. „Ich habe es am Auspuff meiner Schwiegermutter ausprobiert – köstlich, die alte Dame hätte um ein Haar einen Herzinfarkt bekommen, haha!“

Bonbons in buntem Glanzpapier lagen in den großen Gläsern, die Aufschriften zeigten diverse Geschmacksrichtungen an: Chili, Knoblauch und Salz. „Und diese blauen Drops?“ Klaubertsmöller feixte. Ich traute ihm nicht über den Weg und lehnte dankend ab, als er mir von der Süßigkeit anbot. Dafür stopfte er sich rasch ein Stück davon in den Mund. „Warten Sie“, kicherte er, „gleich haben wir’s!“ Und er steckte mir die Zunge heraus – blau. „Wir sind noch ein bisschen am Probieren, der Farbton könnte besser sein. Aber was halten Sie denn davon?“ Schokoladenkekse mit Nüssen? Klaubertsmöller griente und zeigte auf die Packung. Tatsächlich, das Gebäck enthielt zwar keine Nüsse, war dafür aber auch komplett schokoladenfrei. „Die Oberverlade“, juchzte er. „Was meinen Sie, wie Sie damit die Leute auf den Arm nehmen können? Und geht wie blöde, sage ich Ihnen. Kriegen Sie inzwischen in jedem Supermarkt. Verkaufsschlager, das. Wir expandieren hier übrigens. Im nächsten Quartal haben wir auch käsefreie Käsepizza mit ohne Champignons. Ulkig, nicht wahr?“ Zum Beweis spritzte er mir eine kleine Wasserfontäne aus der Plastikblume in seinem Knopfloch mitten ins Gesicht.

Da wir gerade am offenen Fenster standen, zog Klaubertsmöller ein Päckchen Zigaretten aus der Kitteltasche. „Haben Sie zufällig Feuer“, fragte er und trat schon von einem Bein aufs andere. Ich rechnete fest damit, dass der Stängel gar nicht erst zu glimmen beginnen würde, statt dessen knatterte es, während das ganze Tabakstäbchen zischend verglühte. Die Überraschung hielt sich in Grenzen, doch der Humorlieferant wieherte und schlug sich auf die Schenkel, ganz und gar begeistert von seinem Knalleffektchen. „Das ist ja gut und schön“, monierte ich, „aber reichlich sinnlos. Wer raucht heute noch? Und wer bietet jemandem noch freiwillig eine Kippe an? Das ist ja total 20. Jahrhundert, Klaubertsmöller.“ „Mag sein“, keuchte er, „mag ja durchaus sein, und Sie haben Recht. Aber ein bisschen auf die alten Sachen setzen – Pfefferminz gefällig?“ Die Dose ließ sich nicht gleich öffnen, erst mit festem Druck sprang der Deckel ab; ein glibberiges Glasauge samt Sehnerv schoss mir entgegen. „Das Auge isst ja bekanntlich immer mit“, pruschte Klaubertsmöller und verschluckte sich fast vor Lachen.

Einige Regalmeter mit den üblichen Arm- und Beinattrappen, die man aus dem Fenster oder aus dem Kofferraum heraushängen lässt, dann hatten wie die Tür zu einem Nebenraum erreicht. „Hier findet die Qualitätskontrolle statt.“ Klaubertsmöller legte warnend den Finger über die Lippen. „Es ist ein Herr Dr. D. Gotthold Arsinius, vormals lange Jahre Kirchenvorstand in Knölfingen.“ Ich nickte mitfühlend. Wir öffneten die Tür; da hockte der Gottesmann an seinem Schreibtisch und starrte auf etwas, das aussah, als hätte sich ein mittelgroßer Hund direkt vor ihm vergessen. Er riss knisternde Knalltütchen auf und kaute saures Popcorn. Aus seinen Augen blitzte blanke Empörung. „Das ist nicht witzig“, knurrte er gallig, während er in ohnmächtiger Verbitterung die Faust ballte, „das ist überhaupt nicht witzig! Ich verbitte mir das ein für allemal!“ Sanft zog mich Klaubertsmöller am Arm aus dem Zimmer; zuletzt sah ich noch, wie der fromme Mensch ein abgerissenes Ohr durch den Raum schmiss. Mein Begleiter strahlte. „Das ist eine gute Nachricht, wir ordern sofort einen ganzen Container Hundehaufen!“ Skeptisch sah ich ihn an. „Was macht Sie da so sicher?“ Klaubertsmöller erläuterte es mir geduldig. „Unser guter Arsinius ist vollständig humorfrei, er weiß nicht einmal, was das ist. Je grantiger er reagiert, desto besser ist der Artikel. Der Mann ist unfehlbar! Neulich haben wir ihm ein Gebiss gezeigt, das über den Tisch hüpft – was soll ich Ihnen sagen, er hätte fast den Schreibtisch zerhauen, so gut war das Ding!“

Da lag eine Menge in der Kiste mit der Großbestellung, die Klassiker – Spritzblumen, ein platzendes Senftübchen, Stinkbomben, die Dose, aus der eine Papierschlange hervorquillt – und ein seltsames Paket. „Was bitte hat denn das hier zu suchen?“ Klaubertsmöller quiekte vor Vergnügen. „Unser aktueller Bestseller. Mann, mit dem Wahlprogramm verarschen Sie die Leute! Draußen alles voller Abrüstung, Nachhaltigkeit, mit sozialer Gerechtigkeit, keine Kohlekraftwerke, ordentliche Finanzpolitik, Bürgerrechte, verfassungskonforme Netzpolitik, keine Bündnisse mit neoliberalen Klientelparteien – und drinnen dann die richtigen Grünen. Hammer, sage ich Ihnen, die Lachnummer überhaupt! Zum Piepen!“