
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Überall im Bereich des Lebendigen gibt es soziale Verbände, die ihr bisweilen hochkomplexes Durch- und Miteinander als Herde, Rotte, Rudel organisieren, bis hinauf zu den Primaten, erkennbar an einer charakteristischen Fertigkeit, die dem also Begabten die Pole Position verschafft dank eines evolutionären Vorteils: Nüsse knacken, Schlangen fangen, dem Endgegner unter den Fressfeinden mit geschicktem Einsatz intelligenter Verhaltensweisen derart in die Kauwerkzeuge grätschen, dass er seine Präferenz auf Moos und Butterblumen umpolt. Das sichert das Fortbestehen der Art, imponiert es doch dem Weibchen maßlos, wenn sich der maskuline Affe freihändig an den Darmausgang fassen kann.
Vieles hat die Phylogenese seither erledigt; die flächendeckende Körperbehaarung ist größtenteils verschwunden, die Schwimmhäute haben sich nicht durchgesetzt, der aufrechte Gang lässt sich bis auf wenige Berufsgruppen nicht mehr wegdenken, doch mit richtigem Zubehör setzt flugs galoppierende Resthirnverdunkelung ein. Denen, die nicht weit genug entfernt sind vom Lebensmittelpunkt eines Bescheuerten, bleibt nichts erspart. Fällt dem Dummlurch durch unglücklichen Zufall Hammer, Säge oder elektrisches Getier in die motorisch unsteten Hände, so ist es mit der Regression nicht weit. Sie begreifen die Welt um sich herum als Ansammlung bearbeitungsbedürftiger Objekte, schlimmer noch: sie halten sich selbst für geeignet, ebendiese Bearbeitungen vorzunehmen.
Einmal nicht aufgepasst, da ist der Torfschädel schon ausgerückt und hat sich im Heimwerkermarkt einen Satz rüttelnder, bohrender, jedenfalls Krach und Staub produzierender Maschinen besorgt, mit denen er zunächst der arglosen Bausubstanz seines Eigenheims im wahrsten Sinne des Wortes auf die Bude rückt. Kein auf Putz gelegtes Elektrokabel, kein in der Wand laufendes Fallrohr ist sicher vor der Brummapparatur, mit der der Bekloppte sich an tragenden Wänden entlang in Trance fräst, bis je nach Einsatz britzelnde Funken für apokalyptische Dunkelheit sorgen oder eine aus Vorverdautem und Brauchwasser verschwiemelte Jauche auf die trittschallverbesserte Cordrippfliese suppt, so dass das Haus nur noch mit schwerem Gerät betreten werden darf. Professionelle Heimwerker, denen Sinn und Verstand frühzeitig abhanden gekommen sind, verfügen über die Fähigkeit, mit nichts als einem Kreuzschlitzschraubendreher ein Hochhaus in rauchende Trümmer zu verwandeln – beim reinen Versuch, Türbeschläge zu befestigen.
Wo jegliche Einsichtsfähigkeit fehlt, weil sich die Bohrmaschinen schwingenden Blödblunzen für die Antwort auf Michelangelo halten, entstehen bisweilen Konstrukte seltsam surrealer Art, etwa, wenn sich Verwaltungsbeamte, denen nichts so gründlich das Schulzeugnis versaute wie der Werkunterricht, mit Knochenleim, Stichsäge und einer Rolle doppelseitigem Klebeband anschicken, die bis dato noch eher braungrau gestaltete Zwei-Zimmer-Küche-Bad-Behausung in ein Wimmelbild interessant angeordneter Kacheldessins zu wandeln, das neue Klosettbecken aus organisatorischen Gründen escherhaft an der Seitenwand neben dem Wohnzimmerschrank befestigt, während kryptische Kratzspuren dem mangelhaft Eingeweihten von Kämpfen auf Leben und Tod berichten, während der Freizeitwerktätige ja nur versucht hat, die versehentlich ausgehängte Tür des Küchenschranks nicht wieder seitenverkehrt zu befestigen. Namhafte Psychoanalytiker vertreten die Ansicht, Kafka habe sein verstörendes Œuvre überhaupt nur schreiben können nach der erniedrigenden Erfahrung des mit Muffenzange und Gewindeschneider um sich schmeißenden Maniaken, der sein Vater war.
Sei es so oder anders, die Gesellschaft nutzt es natürlich aus, denn der zumeist mit Y-Chromosom ausgestattete Phänotyp ist behämmert genug, den Einflüsterungen einer kompletten Industrie zu folgen und Kleinkredite aufzunehmen, um sich einen Satz Ratschen aus vernickeltem Titanstahl zu kaufen samt Drehmomentschlüssel, die ab sofort das Festdrehen einer Schraube, das ein gesunder Hominide im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte in sieben Sekunden mit Hilfe eines Taschenmessers erledigt, zu einer mehrstündigen Operation entarten lässt, deren logistische Anforderungen allein eine dreiköpfige Mannschaft beschäftigt, während der Rest der Hausgemeinschaft Verbandmaterial sammelt, die Gültigkeit der Hausratversicherung sicherstellt und hernach sich anschickt, nach dem Wohnblock den restlichen Stadtteil zu evakuieren. Sollte angelegentlich ein psychotisch anmutender Mensch mit einem kreischenden Akkuschrauber allen sich in den Weg stellenden Dingen – die Klasse der Dinge ist ja bisweilen geneigt, auch das zeitweilig Belebte als Dinghaftes zu sehen – Lack und Lebenslicht zerschmirgeln, so ist er ein Opfer der skrupellos vorgehenden Heimwerkermafia, die doofe, aber unschuldige Mulmhirne mit allerlei Firlefanz lockt und ihrem destruktiven Schicksal überlässt. Obwohl er es mit Sicherheit nur tut, um der Blonden von schräg gegenüber zu imponieren. Die Arterhaltung schlägt eben manchmal skurrile Volten und bedient sich komischer Werkzeuge.
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