
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Dem geneigten Realisten ist klar ersichtlich, dass das Dasein nicht ganz ohne Härten auskommt; Baumwolle verbraucht Unmengen an Wasser, modisches Schuhwerk wird von Lohnsklaven in Billiglohnländern geklöppelt, Thunfisch in Dosen enthält Thunfisch in Dosen. So nimmt es nicht Wunder, dass der Aufgeklärte statt bedenkenlosen Hedomat eher ein kritisches Bewusstsein pflegt, statt schrankenlosen Konsum die Nachhaltigkeit propagiert und insgesamt die privilegierte Stellung als Überholspurfahrer unter den Primaten mit einer systemrelevant stabilisierenden Ausgleichshaltung rechtfertigt: umsonst ist der Tod, und als Dreingabe lauert irgendwo im Gestrüpp des Wahnsinn sowieso die Rache in Gestalt des Gutmenschen.
Der Gutmensch pflegt, wie der Name sagt, den Extremismus der Nächstenliebe, und er beginnt folgerichtig mit sich selbst. Denn nichts ist ihm, der Plapperfresse unter den Phrasenstanzern eines auf Brachiallogik zurechtgezimmerten Denkverhaus, wichtiger als die Toleranz, und das meint zunächst das tolerante Übereinstimmen mit seiner eigenen verquasten Argumentationsgrütze. Eine Psychose, solide genug geschraubt, um von der Krankenkasse durchgewunken zu werden, ist im Vergleich mit weniger Drogen, Materialkaltverformung und Gendefekten zu erzeugen, nur ist sie auch leichter heilbar als beispielsweise ein Weltbild, das auf der Rettung des Rotschwanzwürgers fußt.
Die monopolkapitalistische Ausbeutung von Rohstoffen, der Abschied einer Blattpflanze aus dem Artenspektrum, mangelnde Pietät gegenüber den Opfern des Dreißigjährigen Krieges, jedes noch so vertretbare Ziel – der Bekloppte hält inzwischen auch frittierte Schokoriegel für essbar und die FDP für eine Partei, die Wirklichkeit lässt sich beliebig mit dem Schlagbohrer weiten – gerinnt den in Scharen auftretenden Betroffenheitshausierern zu einer Prüfung für den unschuldig lebenden Bürger. Wer nicht beim Anblick von Schnittblumen in Wehklagen über nicaraguanische Arbeiterinnen ausbricht oder Schokoladenkonsum per se für einen faschistoiden Akt hält, gehört zur Ausbeuterklasse, wie es das banalbinäre Weltbild der Löffelbieger vorschreibt; man ist entweder gut oder das Böse, tertium non datur. Der Gelegenheitsgandhi lässt auch keinen Zweifel daran, welche Straßenseite den immerwährenden Sonnenschein verspricht. Deus lo vult, andere Erklärungsmuster hält er für nicht hinreichend von Vernunft untermauert und sträubt sich vehement gegen die Vorstellung, außerhalb seines verschwiemelten Schädels könnte sich eine funktionsfähige Kohlenstoffstruktur befinden.
Der Gutmensch vermehrt sich ungeschlechtlich durch Missionstätigkeit, als Aufmerksamkeitshure für den eigenen Gesinnungskitsch quält er die Ohren anderer Bescheuerter mit süßlich klebender Betroffenheitsprosa bis aufs Blut. Kein Klischee, ob frierende Negerbuben in der nächtlichen Sahara oder ein tibetischer Tüpfelelch, dem zum Radfahren der Daumen fehlt, keine noch so rücksichtslos an den Haaren herbeigeschleifte Faselei ist zu deppert, um nicht mit dem Vorschlaghammer ins rhetorische Puzzle der Winseltuten gedroschen zu werden. Der Krankheitsverlauf schlägt bisweilen lustige Volten, der Gutmensch entgeht seinen Therapieversuchen gerne dadurch, dass er sich einfach ein neues Problem sucht oder in Todesnot ein solches wie aus dem Nichts selbst erschafft, damit er die einzig richtige Körperstellung einnehmen kann: dagegen, möglichst gegen alles, nicht reflektiert, aber kontra. Im Endstadium treten nässende Wundmale auf, es wächst ein Heiligenschein aus den Nasenlöchern.
Die unerträgliche Güte der Liebdiener ihrer selbst steht in einem aufreizenden Kontrast zum geradezu fanatischen Konkurrenzkampf gegen alle anderen Nebenerwerbsjesusse. Wer sich nicht für die Sozialstrukturen einer westafrikanischen Sippe einsetzt, weil er Infibulation nicht für Folklore hält, und stattdessen lieber für Französischunterricht in Afghanistan demonstriert, ist mindestens Nazi, darf bedroht und verprügelt werden und kriegt beim Schwenk um 180 Grad selbstverständlich den ganzen Krempel von der Gegenseite vorgeworfen, schließlich gibt es kein falsches Leben im richtigen. Dass diese Wahnvorstellung weder Krieg noch Hunger eindämmt, weder Arbeitsplätze schafft noch einen minimalen Einfluss auf den Genpool hat, kurz: dass diese kollektive Hirnverdübelung keine noch so geringe Auswirkung auf die Wirklichkeit hat, ist den Bescheuerten scheißegal, was zählt, ist der Glaube, und sei er noch so fanatisch vergrützt. Das Modell kulminiert in radikalen Entwürfen, herausgemendelt in einer Serie tragischer Unfälle, bei denen sich Spulwürmer Mittelfinger wünschen, um sich etwas in den Hals stecken zu können; Antifaschisten krönen die Körung, Antideutsche, Veganer, denen Mensch und Tier so gleichwertig sind, dass sie vor lauter Gutartigkeit Homosexuelle, Farbige und Juden wieder in Gaskammern stecken wollen, während sie in Unkenntnis ökologischen Basiswissens Laborkäfigratten mit Autonomie zwangsbeglücken und sich wundern, dass die Nager ohne fütterndes Personal in Freiheit verrecken. Man mag denken, sie wüssten es nicht besser, Abfall des großen Sortieralgorithmus, der ihnen ein Ich-bin-ein-Stück-Dumpfkacke-Stirntattoo verpasst, doch in Wahrheit sind sie viel einfacher strukturiert. Sie sind Marionetten der Unfreiheit im Spätstadium des Muckertums, ferngesteuert von Hirnschalenleerern, die nicht minder pervers sind als das, was sie bekämpfen, und ihr Weltverbesserungsgekrampfe ist letztlich nichts anderes als beknackt aufgezogene Kampagnen für Dritte-Welt-Ladenketten, deren ausländerfeindliche Konzernchefs zweimal im Jahr nach Thailand jetten, um auf dem Straßenstrich ihre Gonokokken aufzufrischen. Wenn wir schon alle gleich sind, Mensch und Silberfischchen, dann braucht es keine Mitläufer, die gleicher sein wollen, es sei denn, sie machten sich freiwillig zur Sau.
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