
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Die Geschichte des Menschengeschlechts ist eine Geschichte der körperlichen Gebrechen. Hätte der erste Hominide, dem die Wohnhöhle auf seine inzwischen doch recht stabile Kalotte klömperte, schon die Wahlfreiheit der Krankenkasse gehabt, wie mochte er sich wohl entschieden haben? In der gesetzlichen Cro-Magnon-Versicherung hätte er sechs Wochen stramm gelegen, dafür erstklassige Verpflegung mit Mammut vom Grill und schnieke Schwestern aus dem Neandertal; die Orang-Utan-Gesellschaft hätte ihn mit Trepanation gequält, die Prähominiden-Ersatzkasse mit Gürteltierspucke in Flusswasser abgefertigt, und gerade dies Modell hat sich durchgesetzt – keiner kapierte, was da genau passierte, der Arzt hatte nicht viel zu tun, und der Heilungserfolg glich einer kurzweiligen Lotterie.
Geändert hat sich seither, dass die Bekloppten mangels Gelegenheit Mammut essen und öfter an kardiologischen Notfällen abschrammen als an Flugsaurierkollisionen. Dafür bleibt die Hirnschale so leer wie in der ersten Modellreihe, während das Nachtmützengeschwader fleißig Zuckerkügelchen müffelt und es für wirksame Medizin hält, weil das Zeug außer Nachgeschmack nichts als Zahnbelag hinterlässt. Die Idee ist es, Symptome erzeugendes Zeugs in möglichst geringer Dosis zuzuführen – gegen blaue Fußnägel einen Hammer in kleinste Partikelgröße gefeilt – und zwar alles, was sich an Substanz oberhalb der Erdkruste zusammenfegen lässt. Zu sehen wäre, was derlei Scharlatanerie zu kurieren sucht, womit und wie.
Die von der Wissenschaft nicht zu Unrecht vors Tor beförderten Schmutzwassergurgler schmeißen fröhlich alles durcheinander, Fieber und Syphilis, Husten und Ertrinkung, Noxe, Krankheit und Symptom. Pickel, Pneumonie und Pilzbefall schert der Pillendreher über einen Kamm, denn: stimmen die äußerlichen Anzeichen, dann ist die Droge in Ordnung. Die von der Werbung heraufsalbaderten 37 Arten von Kopfschmerz sind demnach piepe, der Quacksalber kann den Schnaps gesoffen oder mit der Flasche kollidiert sein, die Kur bleibt gleich. Und selbst da, wo der studierte Mediziner die Symptome verschwinden lässt, etwa das Fieber durch Penicillin, kaspern die Hahnemännchen herum und meinen, nur ihr ausschließlicher Kampf gegen die Symptome behebe auch die Krankheit. Wie krank auch immer das sein mag.
Doch nicht immer ist es so einfach, weil die verhaltensoriginelle Verfassung der Windbeutel sich im Aufschmieren übler Argumentationsmarmelade sorgfältig präpariert. Um noch die letzte Hohlwurst in die Praxis zu locken, werden auch komplizierte Vaterbindung oder Arbeitslosigkeit als Krankheiten anerkannt, als wären sie wie Schweißfüße heilbar. Kein Wunder, dass in Deutschlands großer Zeit, als wirres Denken Pflicht war, die Faschingsprinzen, voran der schlampig gescheitelte Schlappschwanz mit dem Nasenhaarbärtchen, der Homöopathologie frönten. Gegen Arbeitslosigkeit wäre beispielsweise getrocknete Hundekacke gedacht, die als geistiges Miasma die Schadwirkung auf die Lebenskraft zu neutralisieren versucht. Allerlei Firlefanz, Opium und Brechnuss und, Abbild des Kosmos, jedes verfügbare Element. Wobei der Kosmos sich ein paar neue Bestandteile reingepfiffen haben muss, weil seit der Erfindung des Kurpfuscherwesens noch ein paar neue Sachen entdeckt wurden.
Und haben die Homöopatzer auch mittlerweile ein Grundgesetz ihrer als Heilkunst aufgerüschten Pseudoreligion verletzt, nämlich das Gebot, nur unvermischten Müll zu verabreichen, so panschen sie allerlei zusammen, immer wieder zehn- und hundertfach in Wässerchen verdünnt und wieder verdünnt, so dass zum Schluss auf Dilutionen kommt von einem Molekül auf den Rest des Universums – statistisch ist in der Plempe sowieso keine Substanz mehr vorhanden, auch wenn die Heilkunstgewerbler sich als Überdosis zu Mixturen hinreißen lassen von einer Schmerztablette auf den kompletten Atlantischen Ozean. Um das wackelige Luftschiff auf Stelzen zu stabilisieren, schwiemelt man gleich noch das Märchen vom Gedächtnis des Wassers rein – die Suppe kann sich also an ein Salzmolekül erinnern, auch wenn es gar nicht mehr darin herumschwimmt. Nach derlei Theorie dürfte man mit einer einzigen Tollkirsche eine ganze Großstadt in den Sekundentod treiben, da die ausreichende Verdünnung gegeben ist, und über die Abwässer erinnern sich vermutlich Milliarden jeden Tag an das Siechtum ihrer Vorfahren. Dass nach dieser Theorie jedoch jedes Wasser im Weltall für weitere Medikamentenherstellung unbrauchbar würde, darf man ebenso wenig fragen, wie man überlegen könnte, warum bei den Globuli eigentlich immer nur die minimalen Wirkstoffe tätig werden und nicht die unvermeidlichen Verunreinigen in ähnlicher Konzentration.
Man darf das aber nicht kritisieren. Man sollte tolerant sein, als handele es sich bei diesen ins Hirn gepflockten Synapsenschäden um Rundtanz zu schamanischem Nasenflötenpusten, Heilsteinboccia oder ähnliche Karnevalsveranstaltungen, die die kranken Kassen natürlich auch brav zahlen sollen, weil wir ja sonst nichts vom Leben haben – nicht nur den billigen Placeboeffekt tragen wir mit, auch die vielen Fälle, in denen sich Homöopathieopfer nach erfolglosem Herumdoktern im Spätstadium einer Krankheit zu einem ordentlichen Mediziner schleppen, der die Grütze einer systematischen Verdummung ausbaden muss, die sich Wissenschaft nennt und allen Ernstes verspricht, mit Taubendreck und Mörtelstaub Krebs und Aids heilen zu können. Toleranz? Sicher, wir lallen im Chor der Blöden mit, die die böse Schulmedizin mit ihren teuren Apparaten verdammt und kleistern uns beim nächsten Knochenbruch lieber lauwarmen Spinat auf die Gräten, denn das spart Kosten. Aber wer will das eigentlich außer der Klientel dieses Schweinepriestervereins, Körnerkauer, Alternative und alte Naive, Sozialpädagogen und ähnliche Abraumverfüllungen in den geistigen Zahnlücken des postdiluvialen Portfolios, kurz: hoch potenzierte Dummheit, bei der auch der Hominide mit Dachschaden die Verwandtschaft strikt leugnete. Aus Gründen.
Satzspiegel