Wunder gibt es immer wieder

2 09 2010

„Haben Sie das gelesen? Ja? Mensch, ich sage Ihnen, da haben bei uns aber die Korken geknallt. Ja! Gestern hier noch so eine miese Stimmung im Vorstand, alle immerzu am Weinen, die Personaler wurden schon religiös, Weltuntergangsstimmung – heute dann die Meldung, dass die Krise längst vorbei ist, und das Beste: der Aufschwung ist da!

Keine Ahnung. Kann ich ja nicht wissen, ich habe hier nur die Zahlen aus meinem Betrieb, mir geht’s nicht anders als vorher. Oder zwischendrin. Wissen Sie, mir war das eigentlich auch völlig egal, das Gerede. Man will doch bloß informiert sein, was in der Wirtschaft so passiert. Schauen Sie mal, das mit dem Jobwunder – ich finde das schön. Also schön gerechnet, wissen Sie, jetzt sind da gut und gerne Hunderttausend aus der Statistik raus. Das ist doch schon mal ein Erfolg. Jobs? Nee, die sind in Rente jetzt. Deshalb ließen die sich ja so gut rausrechnen. Oder die Maßnahmenbezieher. Wenn Sie mich fragen, die machen da schon gute Arbeit. Also die Statistiker, nicht wahr.

Man muss informiert sein, verstehn Sie. Man muss ja wissen, ob es noch Krise ist, wie man jetzt aus dem Arbeitsministerium hört, oder ob die Krise schon vorbei ist, wie der Finanzminister manchmal sagt, oder ob’s schon längst der Riesenaufschwung ist, bevor der große Zusammenbruch – nein, so deutlich auch nicht, das kam ja dann von Brüderle, der kann nicht deutlich. Kann gar nichts, da haben Sie mal Recht! Aber man muss informiert sein, man muss doch wenigstens mal informiert tun können, so wie die Kanzlerin immer. Wenn man dann mit den Gewerkschaften spricht, kann man denen doch nicht sagen, es ist Krise, jetzt gibt’s keine Erhöhung – dann muss man eben sagen, im Aufschwung ist eine Lohnanpassung nach oben vollkommen ausgeschlossen, sonst hätte man doch nichts, was man in der Hausse anspart, weil dann die Arbeiter schon aus Taktgefühl auf mehr Geld verzichten sollten, bevor man ihnen im Abschwung sagen muss, wie schwierig alles ist, und dass ohne eine Lohnkürzung und mehr Arbeit und weniger Urlaub dann bei guter Konjunktur keine Lohnerhöhungen geben kann, das ist doch in der Rezession klar.

Man müsste mal so was machen wie das Sparpaket von der Bundesregierung. Einfach unten abschneiden und oben wieder drankleben. Soll sich ja auch lohnen, oder? Was? Wieso Beschiss? Nennen Sie es einfach: kreative Buchungen. Macht die Regierung auch. Früher hieß es Kombilohn, jetzt heißt es eben Aufstocker. Das ist doch das Schöne für die Merkel, sie kann sich hinstellen und sagen, sie hätte die Wirtschaft nicht dabei behindert, den Niedriglohnsektor auszubauen, und dabei hat sie auch noch die Arbeitslosenzahlen verringert. Was? Hören Sie doch hin, nicht Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosenzahlen! Oder was meinen Sie, warum wir heute mehr Hartz-IV-Bezieher mehr als Arbeitslose weniger haben? Man muss sich eben anpassen, auch als Wirtschaft. Wissen Sie was, so einen Schattenhaushalt müsste man haben.

Stimmt, das würde machbar sein. Eine Art Schattenhaushalt mit Zeitarbeitern und Ein-Euro-Jobs und Kurzarbeit, das würde schon einiges in die Kasse bringen. Schattenwirtschaft. Die im Dunkeln sieht man nicht.

Aber ich bitte Sie, es geht doch alles! Die Regierung hat begriffen, dass sie nicht für die Wirtschaftsentwicklung zuständig ist – nur nicht Brüderle, der will sich immer noch einmischen – sondern nur die Rahmenbedingungen zu schaffen hat. Das machen sie ja auch. Mit der Kernkraft, das läuft schon wie geschmiert. Als ob’s alle Hoteliers wären. Sie, ich sage Ihnen was: das ist doch überhaupt die Idee, man sollte viel mehr diese direkte Demokratie einführen, Volksbeteiligung uns solche Sachen. Dass man sich jetzt direkt bei der Regierung ein Gesetz bestellen kann, oder dass man sagt, wir haben keine Lust auf Steuern, die zahlen wir nicht, sonst schmieren wir Euch im nächsten Wahlkampf nicht – da täten sie aber mal etwas Gutes, die Politiker, meinen Sie nicht auch?

Wir müssen da viel mehr an Deutschland denken, meinen Sie nicht? Das wär’s doch: wir machen eine Arbeitsvermittlungsagentur auf. Das wäre doch was! Klar, an der Arbeitslosigkeit kann man immer bestens verdienen, da stehen die Arbeitsgemeinschaften doch drauf. Wenn die einen Arbeitslosen nämlich erst einmal zum gewerblichen Vermittler verschoben haben, dann gilt der nicht mehr als arbeitslos, auch wenn er nie Arbeit findet und weiterhin sein Arbeitslosengeld bekommt. Ja, das ist doch der Trick! Da können sie dann auf der einen Seite sich feiern lassen, weil es immer weniger Arbeitslose gibt, und auf der anderen Seite darf Westerwelle Hartz-IV-Empfänger anpöbeln, weil sich das Pack sprunghaft vermehrt. Damit ist schließlich jedem gedient.

Nein, lassen Sie es uns so machen. Wir gründen eine Arbeitsvermittlung und verleihen Arbeitslose. Machen Sie sich mal schlau, ob man die kaufen muss oder ob man da Ablöse bezahlt. Umsonst? Das wissen Sie absolut sicher? Na, das ist ja ein Wunder! Erst Krise vorbei, jetzt noch ein zweites Geschäft – solche wie uns, davon sollte es doch wirklich mehr geben in Deutschland, meinen Sie nicht? Ich sage es Ihnen, das ist der Aufschwung, wir werden den kräftig beschleunigen. Und ich meine, wenn wir uns schon so ins Zeug legen für unser Gemeinwohl, sollten wir bei den Steuern mal ein Wörtchen mitreden. Sagen Sie, wissen Sie zufällig, wann das nächste Sparpaket kommt?“