Und raus bist Du

30 09 2010

„Und das geht?“ „Logisch. Sonst würden wir es ja nicht machen.“ „Sie wissen doch, wie das in Berlin ist. Da geht eine Menge nicht, aber machen tun sie es trotzdem.“ „Doch, das hier geht. Bombensicher.“ „Und die Bezahlung? Gibt es da Einschränkungen im Vergleich zum normalen Personal?“ „Das fällt nicht weiter ins Gewicht, denn Sie wissen ja, dass man für Politiker eh meist nur den Ramsch kriegt, der für den normalen Arbeitsmarkt sowieso nicht zu gebrauchen ist.“ „Stimmt auch wieder.“ „Und trotz allem mache ich mir ein bisschen Sorgen.“ „Ach was, nicht nötig. Wenn man sich am Fließband mit Zeitarbeitern behilft, warum nicht in der Politik?“

„Es trifft zu, dass die überlassenen Arbeiter hier das Dreifache ihrer Lohnkosten erwirtschaften?“ „Wir kalkulieren eben mit dem spitzen Bleistift. Da können wir uns auch schon mal eine etwas größere Menge an Staatssekretären leisten.“ „Sie meinen, eine etwas sehr viel größere Menge, als die FDP noch vor der Wahl haben wollte?“ „Genau. Und es ist auch noch ein bisschen mehr drin für, na sagen wir mal: repräsentatives Personal.“ „Also für einen Frühstücksdirektor wie Wulff?“ „Richtig, der Mann ist uns zwar schon ein bisschen länger empfohlen worden, aber er…“ „Empfohlen? als was denn bitte empfohlen?“ „Als Grüßaugust. Passt ja auch zu seinen Qualifikationen.“ „Er hat doch gar keine.“ „Sage ich ja. Normalerweise hätte man für so was Abstand gezahlt oder wäre bei der Wohnungssuche behilflich gewesen, aber als Leiharbeiter?“ „Hm, das ist schon einleuchtend. Aber die Laufzeiten?“ „Bei Großabnahme lässt der Verleiher mit sich reden. Und da das Modell in der Wirtschaft so gut lief, haben wir uns selbstständig gemacht. Eine eigene Arbeitsverleihagentur erspart Aufwand, und die Kosten fließen von einer Tasche in die andere.“

„Nur, wissen Sie: über den Erfolg müssten wir mal reden.“ „Hmja. Nicht so toll, oder?“ „Ich will ja nichts gegen Ihre Personalpolitik sagen, aber das macht doch keinen guten Eindruck. Die Leute sind doch größtenteils unter aller Sau.“ „Selbstredend, es war ja auch als Eingliederungshilfe in den ersten Arbeitsmarkt gedacht, aber dann hat es sich irgendwie verselbstständigt.“ „Um Geld zu sparen, sehe ich ja auch ein – aber Ihnen muss doch klar sein, dass man bei der Personalauswahl auch mal auf die Eignung der Leute guckt. Also ehrlich, das geht doch nicht!“ „Ich weiß, dass das nicht optimal läuft. Aber Sie müssen auch zugeben, wir haben in der Zeit eine Menge…“ „Nein, das lasse ich alles nicht gelten bei diesen Fällen! Hier, schauen Sie sich das mal an: jahrelange Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation, die Zeugnisse sind schon eindeutig, dann wird der Mann zum Vorstellungsgespräch eingeladen, das erste, was er macht, er greift hier tief in die Kasse, dann pöbelt er den Arbeitgeber an, droht der Unternehmensleitung, und dann schleust er auch noch sein Betthäschen ein und lässt ihn sich die Taschen vollstopfen. Das geht so nicht!“ „Er hatte aber auch eine schwere Zeit, müssen Sie zugeben. So von jetzt auf gleich als Außenminister in Hier-ist-Deutschland, das kann auch nicht jeder.“ „Papperlapapp, wenn ich unqualifiziertes Personal haben will, stelle ich mich an die Straßenecke! Oder hier, in Volkswirtschaft versagt, Medizinstudium nicht hingekriegt, Doktor gekauft, zwei Festanstellungen versemmelt, jetzt in Verwaltungsrecht am Anfängerwissen gescheitert – wissen Sie, das muss doch alles nicht sein, es gibt doch wohl bessere Besetzungen als ausgerechnet diese Bildungsallergikerinnen.“ „Aber die ist…“ „Nix! Ich kenne Ihre Schwäche für Blondinen, aber so viel Stroh auf einem Ministersessel sollte man auch nicht noch fördern. Das geht zu weit!“

„Allerdings haben wir bisweilen ein kleines Problem.“ „Ein Problem? Ich dachte, mit Zeitarbeit gäbe es keine Probleme?“ „Es ist ja auch nicht mit der Zeitarbeit, sondern…“ „Na?“ „… sondern die Personaldecke.“ „Was hat denn das jetzt mit der Personaldecke zu tun?“ „Sie wissen doch, wie der Staat üblicherweise mit dem Geld umgeht.“ „Er schmeißt es mit beiden Händen zum Fenster raus und sagt den Bürger, dass sie über ihre Verhältnisse gelebt hätten.“ „Eben. Und jetzt ist hier eine etwas größere Menge an… schauen Sie mal.“ „Was? das sollen diese Heinis selbst bezahlen! Wir sind doch hier nicht Westerwelles Party-Service? Was bildet der Knilch sich eigentlich ein?“ „Wir konnten das ja auch nicht ahnen. Es ist ja sowieso so, dass die Integration der Leihkräfte in den normalen Verwaltungsbetrieb eher schleppend verläuft. Sie werden auch nicht richtig angenommen.“ „Weil sie als Außenseiter gelten?“ „Naja, schauen Sie sich mal dies Personal an. Rösler, Schröder, die sind ja im Grunde unterqualifiziert. Keine Ausbildung, nur etwas auf die Schnelle angelernt, und dann tun sie so, als hätten sie im Ressort ansatzweise Ahnung. Das kann ja nicht gut gehen!“ „Und warum machen Sie es dann überhaupt?“ „Wir machen es wie in der Wirtschaft: solange die Stückkosten schön niedrig sind, wird immer noch eingekauft, und auf die horrenden Folgekosten achtet keiner.“ „Haben die denn etwa keine private Altersvorsorge?“ „Die bekommen Pensionen, warum?“ „Auf unsere Kosten?“ „Wir konnten das ja nicht verhindern. Aber denken Sie an die eine große Verbesserung, die alles wettmacht. Diese eine bahnbrechende Neuerung im Vergleich zu alten Beschäftigungen.“ „Die wäre?“ „Sie können sie sofort loswerden. Von einem Tag auf den anderen. Es reicht, wenn einem die Nase nicht mehr passt. Ein Anruf, und zack! ist Ihr Kandidat draußen.“ „Echt? Das hatte ich nicht bedacht. Sagen Sie, haben Sie zufällig gerade mal die Akte Sauerland zur Hand?“