Stabilitäts- und Wachstumspack

31 10 2010

Die Krähen, die sich aufs Aushacken von Augen spezialisiert haben, vermelden Vollbeschäftigung. Immer mit von der Partie unsere geliebte Regierung in Radfahrerpose: nach oben buckeln, nach unten treten. Was national geklappt hat, andere verarmen zu lassen und dann auf ihnen herumtrampeln, weil sie sich haben ausbeuten lassen, das wird doch wohl auch in Europa funktionieren? Dann warten wir ab, ob sie ihre Demokratiereform, nach der kein Stimmrecht hat, wer nicht einzahlt, auch nach Deutschland exportieren können. Alle weiteren Sinnlosigkeiten mit hohem Unterhaltungswert wie immer nun in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • aktueller börsenstand von zwiebeln: Es ist eh alles zum Heulen.
  • ich trage als mann steghosen: Ihr Nachbar kaut an seinen Fußnägeln. Auch nicht besser.
  • oma fährt roller: Sie meinten: Rollator.
  • kreisrunder schuppenbefall beim hund: Eckige Schuppen sind auch nicht besser.
  • nummernschildvorlage office: Schafft Ihr Drucker Weißblechschilder?
  • hasenkrankheiten: Medikamente bitte nicht mit den Löffeln einnehmen.
  • bartagamen leichenstarre: Sie müssen auch alles kaputtspielen.
  • ceranfeld giftig: Vielleicht hätten Sie doch lieber die Spiegeleier essen sollen statt der Kochplatte.
  • ich habe beim scheidungsrichter gelogen: Deshalb haben Sie die Alte ja auch wieder an der Backe.
  • pusteblumentattow: Liegt meines Wissens in Brandenburg.
  • florian silbereisen zahnregulierung: Hauen Sie ihm das Silbereisen immer ordentlich rein.
  • scherzartikel eine flasche und angezogen: Sie tragen ein Buddelschiff? Interessant.
  • fallbeil selber bauen: Testen Sie es bitte eingehend selbst, bevor Sie die Betriebserlaubnis einholen.
  • barbie beine reparieren: Ist Steffi auf dem falschen Fuß erwischt worden?
  • luftröhrenschnitt mops: Wenn das Tier schnauft, liegt es meist an der Nase.
  • musterungsfragebogen zu spät: Dann werden Sie wenigstens nur im Abendland eingesetzt.
  • sakradi! gefängnis für bayerische flüche: Nicht integrationsfähige Volksstämme sollten generell weggesperrt… oh, ist ja schon!
  • brandenburg bäuerin sucht mann: Wahrscheinlich in Pusteblumentattow.
  • ausscheider pullover erstellen: Braun?
  • erdstrahlen kohlepapier: Nehmen Sie linksdrehende Kohlefasern, die verhalten sich neutral gegenüber Wasseradern.
  • wer hat eine idee möchte meinen arzt ein: Das zahlt die Kasse sowieso nicht.
  • stück kostenliste: Kostet ein Stück Liste.
  • was steht auf den t-shirts die der troll: Die Junge Union hat sich inzwischen davon distanziert. Sie wollen es jetzt nüchtern betrachten.
  • bild til „sie könnte seine tochter sein“: Er hat sein Manta-Niveau erreicht. Tiefer geht’s nicht.
  • desiree nick funkenmariechen bilder: Dazu sind selbst die Kölner nicht geschmacklos genug.
  • hausmeister essen malerpreise: Wann hat Fassbinder den gedreht?
  • legen gauner würfelzucker vor die tür: Ich arbeite immer mit Streusalz.
  • filzjacken: Gehören bei Bilfinger Berger zur Berufsbekleidung.
  • grippeimpfstoff eiweißfrei: Nur für Regierungsmitglieder und Ärzte.
  • christlich-jüdisches menschenbild: Seitdem sich die Kanzlerin einen Stalker einbildet, ist ihr alles zuzutrauen.
  • ungleichmäßige spirale: Dient der Arbeitslosenstatistik. Siehe auch: Imaginäre Zahlen.
  • abgekocht roland koch volker bouffier: In diesem Land gibt es bis auf Weiteres sowieso nur Gammelfleisch.
  • eichhörnchenhaltung im garten: Leisten Sie sich ein Freigehege, die Eichhörnchen werden es Ihnen danken.
  • eisbär umrisse: Der Allen’schen Regel folgend: rund.
  • verpfuschtes tattoo schadensersatz?: Suchen Sie sich Ihre Freunde besser aus.
  • untersuchungsgeschichten: Jetzt neu in der Mappus Show!
  • limerick mit moos: Bedaure, wir produzieren nur frisch.
  • die Ökos häkeln für den weltfrieden: Die CDU knüppelt für den Endsieg.
  • perverser gartenzwerg: Gut, ich mag Bosbach auch nicht gerade, aber pervers?
  • der ewige sündenbock: Das hat sich Westerwelle nun mal ausgesucht. Selbst schuld.
  • woher kommt der nachname kotzke: Aus dem Mittelniederdeutschen.
  • nix im kopf: Wieso liegt hier eigentlich Stroh rum?
  • körpergeruch süßlich: Wieder Möllemanns billiges Herrenparfüm aufgelegt, Lindner?
  • johannes heesters knoblauch rezept: Ich würde ihn ja in Buttermilch einlegen. Das Fleisch ist sonst zu trocken.
  • gedicht zur hotel-einweihung: „Prozent, Prozent, ein Guido brennt.“
  • handarbeiten-häkelnschwan: Mir schweint da was.
  • essbare scherzartikel für senioren: Die meisten würden sich über den modernen Tütenfraß eh schon amüsieren.
  • monroe stoßdämpfer für toyota picnic: Geht Ihnen sonst der Rock hoch?
  • suche gummischürzen bei praktiker: Die haben ja auch alles. Außer zwanzig Prozent.
  • lebervergiftung welli: Ich dachte, Brüderle hätte die Säuferrolle?
  • frank rennicke totgeburt: Hirntot, das käme hin.
  • rindertöten in indien: Was Ihre Volkshochschule so alles anbietet…
  • was trinkt man zu stippgrütze: Schnaps. (Geht aber auch ohne Stippgrütze.)
  • seit wann trägt hinterseer ein toupet: Das war noch vor der Pränataldiagnostik.
  • netzhaut im magen: Das kommt davon, wenn man zu viel Ochsenaugen isst.
  • köttbullar wettbewerb: Meine sind immer runder.
  • habe beim vorstellungsgespräch versagt: Wissen wir, Wulff.
  • paranoia frühpension: Schicken Sie den Sarrazin lieber ins Endlager.
  • tricks fernreiki: Der beste Trick wäre, sich den Krempel zu verkneifen.
  • polenböller bestellt strafe: Gut so.
  • zungenpiercing verstecken?: Klappe halten.
  • korkenarmbrust: Falls Sie demnächst mal von einem billigen Weißwein angegriffen werden.
  • oben bleiben: Rech wartet noch den nächsten Grillabend ab.
  • hospitalismus spitz: Sie sollten das Tier artgerecht halten.
  • drehsymmetrische verkehrszeichen: Nein, der Kreisverkehr ist doch eckig?
  • scherzartikel bewegungsmelder hund: Vielleicht können Sie mit dem hospitalisierten Spitz noch etwas anfangen.
  • scherzartikel pfannkuchen aus schaumstof: Wesentlich besser sind die Hamburgerbrötchen auch nicht. Und keiner lacht darüber.
  • wohnzimmerdecken erneuern: Sobald das Sofa der Mieter aus dem oberen Stockwerk Dellen hinterlässt, sollte man es ins Auge fassen.
  • sarrazin sprachfehler: Eher ein Geburtsfehler.
  • der gemeine vollspaten: Was meinen Sie, was bei mir im Vorgarten alles herumläuft.
  • haarefärben nach kopfplatzwunde: Färben Sie sie lila, dann fällt die Platzwunde nicht auf.
  • „piraten zeichnen“: Wurde wegen Datenschutzbedenken abgesagt.
  • opel kurbelstange: Opel springt nur noch an, wenn Sie den Wagen bergab rollen lassen.
  • handschriften nachmacher: Wenn die HRE nicht mehr zu retten ist, sollten Sie sich bewerben.
  • besteck schnitzen: Aus einer reifen Zucchini bekommen Sie ein zauberhaftes Fischbesteck hin.
  • steißprellung körper: Ich ziehe mir so etwas ja vorzugsweise seelisch zu.
  • wieviel wiegt ein sarg: Ohne Knochen oder mit Fleischeinwaage?
  • paranoia körpergeruch: Seien Sie beruhigt, bei Ihnen ist das keine Wahnvorstellung.
  • pappsargverleih: Die Rückgabe lässt zu wünschen übrig.
  • rosa schimmel auf fleisch: Grüner fiele mehr auf.
  • woher kommt der name falscher hase: Aus der Spitzengastronomie. Nicht.
  • prekariatsschlampe: Sie müssen ja mittags den Fernseher nicht anschalten.
  • braun dampfbügeleisen explosionszeichnung: Wenn Sie nach der Explosion noch die Muße zum Zeichnen haben…
  • anleitung korken männchenbasteln: Vorher leeren Sie bitte das dazugehörige Kistchen Wein auf mein Wohl.
  • weißwurst kochsalzlösung: Wenn es Sie ansonsten kalt lässt, was da drin ist…
  • maultaschenzange: Wurde von der baden-württembergischen Landesregierung bereits als Terroristenzubehör verboten.




Aus deutschen Landen. Limericks (XV)

30 10 2010

Die Müllers, und zwar die aus Fruchten,
ein Urlaubsquartier beide suchten.
Doch stellte das Meer sich
heraus als gefährlich.
Statt Buchten durchwandern sie Schluchten.

Ein Knastwärter, welcher in Biebertal
den Dienst schob, erwies sich als liberal.
Statt seinen Insassen
ans Sacktuch zu fassen,
schaut lieber er auf die Kassiber mal.

Ein Schnupfenerkrankter in Gohrisch
nimmt Pillen, doch rein metaphorisch.
Er schluckt drei am Tage
trotz Packungsbeilage
nicht nach dem Mahl, sondern schon vor Tisch.

Ein Sammler im Walde von Nehren
sucht Pilze und Kräuter und Beeren.
Von Schonung zu Schonung
ging er. Zur Belohnung
kann er sich davon fast ernähren.

Ein Bauer, der hatte in Blunk
mit seinem Gesinde stets Stunk.
Es wurde nur schlimmer,
man fand ihn ja immer
im Dorfkrug, ergeben dem Trunk.

Beim Melken traf Hansen in Braak
ein Zweihundertzwanzig-Volt-Schlag.
Es muhte die Trine,
es melkt die Maschine.
Kein Mensch wusste, woran das lag.

Der Dorfpastor Puhlmann aus Fitzen
bringt alle zum Lachen mit Witzen –
was keinen verwundert,
denn an die fünfhundert
Witzbücher tat Puhlmann besitzen.





Gernulf Olzheimer kommentiert (LXXX): Polittalkshows

29 10 2010
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die Sonne sinkt. Zwei bis drei Kleingebinde Bier hat sich der Durchschnittsdussel schon in die Birne geziegelt, die Lider fallen in Schlafstellung, da kündigt der Glotzkasten jäh die Apokalypse an: der Untergang des Abendlandes steht unmittelbar bevor, die Menschheit schmilzt ab, die Polkappen kriegen kein Abitur auf die Reihe, die Migranten migrieren in die Migräne, das Gesundheitssystem hat zu wenig Stasi und der Sozialstaat ist auch nicht mehr das, was er nie war. Überfallartig rauscht der Schmadder auf die Hirnrinde, klöppelt Pflöcke in den weichen Wabber und versenkt Elektroden, wo die Schmerzreize von Florian Hinterseer und den Jacob Sisters Brandspuren hinterlassen haben. Dem Polittalk, der letzten zivilisatorischen Annäherung an alttestamentarische Körperstrafen, entkommt man nicht ohne Gefahren für Leib und Leben.

Blutleere Blitzbirnen, Illner, Plasberg und Will, werden aus flüssigem Stickstoff gepfriemelt, um die Sprechbewegungen ihrer Quasselstrippenzieher synchron nachzuturnen. Egal, wie das Thema auch lautet, ob Politik- oder Staatsverdrossenheit, ob Sozen auf die Wirtschaft schimpfen, die Wirtschaft über Sozen meckert oder beide über den maßlosen Bürger, der auch noch frech Lohn fordert, wo er doch schon so einen schönen Leiharbeitsplatz hat, es sind immer dieselben ausgekauten Schlauben, nichts Neues unter der Höhensonne. In der Not werden der Kadaver der Sujetunion ausgebuddelt, die Aufreger des ansonsten unbehelligt rotierenden Planeten zum trötenden Popanz aufgepumpt oder schlicht die Gesprächswünsche der Dauergäste zum Leitmotiv des Abends hochgestapelt.

Denn auch die Schar der Redeflüssigen ist von zyklischer Wiederkehr geprägt; immer dieselben Fressen aus Politik, Kommerz und Psychiatrie speicheln ihren argumentativen Dünnschleim in den intellektuellen Fußraum, lauter Apostelkohlrabi und Propheseierköpfe, wie sie PR-Brechkübelverleiher im magenerweiternden Sechserpack anbieten, stets denselben Parteien, Verbänden, Gewerkschaften, Lobby- und Selbsthilfegruppen entlaufen, die mit nie nachlassender Stumpfheit ihre Zementdenke in die Fauna kleckern, Platitüdenbingo nach Art des Hauses, um innerhalb von einer Stunde auch ja alle Vorurteile vom Stapel zu lassen, die der Stammtisch braucht: die Welt ist aus Neid gegen Deutschland, die Neger nehmen uns die Frauen weg, die Türken die Arbeitsplätze, deshalb sind die Arbeitslosen auch selbst schuld, und die Steuern müssen runter.

Längst schon kommt es nicht mehr darauf an, wer den Seich in die Kamera kippt – irgendein Neoliberallala, der alle drei Tage an anderer Stelle seine soziokulturelle Schwerstbehinderung unter Beweis stellen muss, unpopuläre Landesminister, die sich mit schräg gehäkelten Metaphern durch den nächsten Wahlkampf drücken, oder Richard David Precht, der mit der Nummer „Habe ich Argumente, und wenn nicht, wie viele“ von einem Sender in den nächsten tingelt und den Sozialphilosophen der Dieter-Bohlen-Klasse gibt – denn alles das ist nur als scheinheilig zurechtgeschwiemelte Pseudo-Diskussion gedacht, hastig austauschbare Phrasen und heißgeklebtes Gefasel zwischen Ballerformaten mit werksseitig blondierten Bumsköppen. Keine Frage wird hier gestellt, um Antwort zu finden, im Gegenteil: minutiös choreografiertes Geeier um den springenden Punkt gaukelt dem Bescheuerten im Fernsehsessel vor, es handle sich um ernsthafte Versuche, der Wahrheit einen Millimeter näher zu kommen, statt schreiend vor der Aufklärung wegzurennen. Die Lager wollen festgeschrieben sein, jede Sendung ein Kotau vor dem Denkverbot, jeglicher Einsatz der Vernunft gegen die Torheit wird durch die Seligsprechung der Lernresistenz abgebrezelt. Richtungsänderungen? Nicht mit uns, da sei unsere Leitplanke vor.

Als Widerlinge unter den Schweinheiligen geben sich soi-disant unabhängige Experten die Ehre, unabhängig vor allem von allseits bekannten Mitgliedschaften in Instituten, Organisationen und Seilschaften, allesamt so objektiv wie der Papst in einer Debatte über Schwangerschaftsabbruch. Das rülpst nicht aus reiner Erkenntnis seine Ideologeme in die Manege, das tönt nicht umsonst im Chor mit den Kollateralmaden der Parteizentralen, dass der Deutsche an sich überbezahlt sei, der Muselman ein Ballast der Republik und das korrupte Pack in den Bankvorständen ein Kränzchen duftender Jungfern. Es geht nicht um Erkenntnisgewinn, wo dieser Klüngel seine Fazialis- und sonstigen Lähmungen ins Licht hängen lässt, schon gar nicht geht es um schichtübergreifende Kommunikation, sondern um die Verewigung des bleibenden Kadavergestanks im nationalen Riechepithel: Politikverdrossenheit, Bildungsabbau, Obrigkeitshörigkeit und alle jene Formen von Dummheit, die Gemeinwesen und Gemeinsinn nivellieren, werden angefüttert und großgezogen, damit man sie als Geschwüre der jeweiligen Aktualität anprangern kann. Denn die Show muss weitergehen, Woche für Woche, zu Tode amüsiert von Markt-Schreiern, Quotengräbern und speichelleckeren Aasfressern, Blödmachern für die Blödzeitung, die Schrottpresse als Papiergestalt der Volksverdummer.





Todsicher

28 10 2010

Die Herbstsonne schien mild auf den Rasen. Unter der Kastanie häuften sich aufgeplatzte, stachelige Hüllen. Braun erglänzten die Früchte. Die Vögel zwitscherten. Ein letzter Schmetterling gaukelte durch die Luft. Glaskow nahm einen letzten tiefen Zug aus seiner Zigarette, drückte sie in den großen Kristallteller und schritt auf die Tür zu. Der Boden knackte kalt unter seinen Schuhen. Ihn fröstelte.

Die cremefarbene Fassade reflektierte die Sonne ein bisschen. Schoppmanns hatten ihren Bungalow sofort nach dem Einzug schwarz verklinkern lassen. Weiter rechts wuchs eine gewaltige Hecke. Kaum jemand wusste, wer sich dahinter verbarg. Nur wenige waren noch wach und lauschten auf, wenn die schweren Limousinen durch das eiserne Gatter rollten. Manche sagten, das rotbraune Haus gehöre einem Milliardär, der alle Wochen wieder eine neue Kurtisane dort unterbringe; andere behaupteten, es residiere dort ein ehemaliger Minister, in elf Staaten als Kriegsverbrecher gesucht und in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Einer, vielleicht auch zwei ahnten, dass das eine das andere nicht ausschließen müsse. Glaskow blinzelte in den Himmel, der wie dünnscherbiges Glas hinter trüben Wolken lag.

„Das kann da aber nicht liegen.“ Der fette Mann riss ihn aus der Stille. Behäbig wie ein großer Gartenzwerg stand der Alte an der Rasenkante und zeigte mit dem Finger auf das Kinderrad,.das dort auf dem Grün lag. Glaskow lief bedächtig an dem kleinen, metallenen Gegenstand vorbei, streifte den glitzernden Rahmen mit einem nachlässigen Blick, und schon stand er dem Mann gegenüber. „Sie, das kann hier nicht…“ „Kann es nicht?“ Scharf sah er den Eindringling an. „Ich meine“, stammelte der Fette, „das ist doch ein Kinderfahrrad, und wer hat denn hier ein Kinderfahrrad, und es gehört sich ja nicht, wenn so ein Kinderfahrrad…“ „Schnauze“, zischte Glaskow. „Das ist mein Haus, das ist mein Rasen. Das Rad gehört meiner Tochter. Es gehört mir. Hören Sie?“ Seine Augen loderten. „Mir! Das hier gehört mir!“ „Aber wie sieht das denn aus“, begehrte der Mann auf. „Schauen Sie, ich will Sie nicht kritisieren – aber Sie sehen doch…“ „Mir!“ Glaskow hatte einen Satz auf ihn zu gemacht und packte den Mann am Arm. „Das ist mein Haus“, schrie er, „das ist mein Grundstück, auf dem Sie stehen! Verschwinden Sie, oder ich werde…“

Mit fahrigen Fingern zündete Glaskow eine neue Zigarette an. Fast zwei Jahre war das nun so gegangen. Zwei Jahre, in denen man sie ignoriert hatte, freundlich gegrüßt und kurz vor dem ersten Jahrestag ihres Zuzugs als neue Nachbarn bemerkt. Zwei Jahre, in denen Glaskow versucht war, den Konzertflügel im Terrassenzimmer mit dem Beil zu zerhacken, nur um zu sehen, ob jemand den Lärm bemerkt hätte. Zwei Jahre, in denen er von seinem Nachbarn nur wusste, dass es sich um jemanden handelte, der sein Haus noch nie betreten hatte. Ein Dutzend Afrikaner versorgte das Anwesen, doch mehr war nie zu sehen gewesen. Verhältnismäßig wenig, wo kaum so viele ständig hier lebten.

Das kleine Kästchen an der Tür surrte. „Sergej Andrejewitsch“, krackste die dünne Stimme aus dem kleinen Lautsprecher, „ich bin’s. Dekabr!“ „Dekabr“, antwortete Glaskow hastig und drückte auf den weißen Knopf. Irgendwo am Tor löste sich jetzt die elektrische Sperre und ließ Nikolai Iwanowitsch Sadowkin eintreten.

„Kalt geworden“, sagte Sadowkin und trat in die geräumige Halle. Der Kamin an der Westseite gab dem Haus ein ungewohnt altmodisches, wenngleich behagliches Ambiente. Zwei kleine, schmucklos gerahmte Gauguins gaben der hellen Vertäfelung die Farbigkeit zurück. An der Ostseite stand ein zierlicher Sekretär, daneben einer der acht Louis-Quatorze-Stühle, gegenüber das Stehpult. „Vera und die Kleine?“ „Sind zu Hause“, gab Glaskow dumpf zurück. „Klar“, meinte Sadowkin. „Natürlich.“

Glaskow stand an der Fensterfront, die Hände in die Taschen vergraben. „Zwei Jahre“, presste er hervor. „Gottverdammte Scheiße, zwei Jahre. Zwei Jahre!“ „Komm“, sagte der Andere besänftigend, „Serioscha, komm – es ist ja vorbei. Du hast es Dir vielleicht einfach vorgestellt hier, aber es ist ja vorbei.“ „Zwei Jahre“, presste Glaskow mit kaum gedämpftem Hass hervor. „Nika, sie haben mich und Vera – das Kind – uns hier gehalten wie im Knast. Hinter Zäunen und Mauern. Es war zum Kotzen.“ Sadowkin lächelte. „Siebentausend pro Monat, dafür kann man eine gewisse Sicherheit verlangen.“ „Nein“, entgegnete Sergej, „das war es nicht. Wenn Du weißt, einen Kilometer weiter ist der Wohnturm für die Fabrikarbeiter, die nur einmal im Monat Freigang haben. Wenn Dir klar ist, dass Du nur einen Knopf auf dem Telefon zu drücken brauchst, und schon kommen bewaffnete Truppen, die jeden niederschießen, den sie nicht als Gast identifizieren können. Wenn Du einmal begriffen hast, dass sie nichts begriffen haben. Dass sie sich eingrenzen und damit ausgrenzen.“ Nika blickte stumm auf den Boden.

„Ich habe es nie ausgehalten“, begann Glaskow, „denn die Bediensteten kamen von draußen. Frau Webler war unser Hausmädchen. Eine liebe, gute Frau.“ Er zeigte auf eine Kinderzeichnung neben dem Sekretär. „Schau, sie hat einen kleinen Sohn. Er hat sich so gefreut, als wir im Zoo waren. Die Elefanten. Nika, ich habe nie ein glücklicheres Kind gesehen.“ „Ja, ich verstehe.“ Sadowkin spürte, wie es hinter seiner Stirn zu hämmern begann. Diese Jahre, sie waren auch ihm ein Albtraum gewesen. Zeit, die ihn zur Bewegungslosigkeit verurteilte, ohne Bewährung, ohne mildernde Umstände. Er hatte das Urteil annehmen müssen, und er hatte gewartet, in Tuschino, wo die anderen waren, die man als Ingenieure ausgebildet hatte, Schnittke und Hartmann. Immer diese Zeit, die wie ein Mühlrad anfing, wenn sie hatte aufhören wollen. „Du kannst ihr nicht einmal die Kleider von der Kleinen geben. Sie wird alleine sein.“ „Ich weiß nicht, was mit ihr geschieht.“ Sergej Andrejewitsch drehte sich abrupt um. „Hoffentlich überlebt sie es. Sie hat ja nichts getan.“ „Natürlich nicht“, bestärkte ihn Sadowkin. „Natürlich nicht.“

Mit einem trockenen Schnalzen sprang die Feder auf; der Sekretär gab sein grünes Tuch preis. „Du weißt, worauf es ankommt. Dies ist der Code. Du kennst den Lageplan. Es sind noch knapp zehn Minuten. Reicht es? Ist es genug? Wird es gehen?“ Nikolai Iwanowitsch streifte die Handschuhe über. „Sechshundert Schuss. Es wird reichen.“





Unter dem Teppich

27 10 2010

„Ich kapiere das nicht. Erklären Sie es mir.“ „Die FDP? Was gibt’s da noch groß zu erklären?“ „Wie kann die Partei nur derart unter die Räder kommen? Das ist doch nicht mehr normal.“ „Allerdings nicht. Aber was ist denn da schon normal?“ „Diese Leute müssten doch Selbsterhaltungstrieb haben – oder wenigstens Angst davor, für immer im Orkus zu landen. Die müssen doch panische Angst haben, dass sie die Bodenhaftung verlieren!“ „Merken Sie sich das: Politiker fürchten keinen Realitätsverlust, sie haben nur Angst, dass man ihn bemerkt.“

„Dass Westerwelle überhaupt da auftritt – jeder andere hätte Angst,dass sie ihm den Teppich unter den Füßen wegziehen.“ „Ich sage Ihnen doch: der Mann ist komplett realitätsresistent. Sie werden den niemals beeindrucken können. Seine Ideologie ist zurechtgezimmert, Fakten bringen ihn nur aus dem Konzept.“ „Wahlumfragen?“ „Makulatur, er glaubt, jederzeit wieder 18 Prozent zu holen.“ „Und die Wahlergebnisse?“ „Sind sozialistische Propaganda aus dem Paralleluniversum. In NRW hat er ja auch nicht die sozialliberale Koalition versägt, Pinkwart wurde bloß daran gehindert, den Stimmenzuwachs für die FDP auch in die Regierung einzubringen.“ „Sie sind ja vollkommen durchgeknallt! Das nimmt Ihnen doch keiner ab, wenn Sie es der Parteibasis erzählen. Die Leute tragen ihren Vorsitzenden doch schon lange nicht mehr mit.“ „Müssen die das? Er braucht den Teppich nicht, solange er sich einbildet, er könne übers Wasser gehen.“

„Man hat inzwischen das Gefühl, dieser innere Zirkel, der um Westerwelle agiert, sei wichtiger als die ganze FDP.“ „Das ist richtig. Und es wird auch deutlich, wenn Sie sich die Verhältnisse ansehen.“ „Weil da oben nur Idioten hocken?“ „Das mag ja durchaus sein, aber…“ „Natürlich ist das so! Schauen Sie sich doch diese Mischpoke an – das da vertritt die bürgerlichen Interessen? Eine Herde von Dünnbrettbohrern, bar von Moral, prinzipienfrei, lauter Opportunisten, das Mäntelchen flattert frei im jeweils aktuellen Wind. Und der Nachwuchs steht bei Fuß, Jungspunde, die nichts geleistet haben und ihre Väter mit altklugem Gequase nerven.“ „Das ist nicht verkehrt. Aber ich meine etwas anderes. Sie merken es nicht.“ „Natürlich merken die es nicht. Die merken doch sowieso nichts mehr! Eine geschlossene Abteilung ist ein Kindergarten gegen diesen Deppenverein!“ „Ich meinte etwas anderes: sie sehen den fliegenden Teppich nur von oben.“ „Und das macht einen Unterschied?“ „Schauen Sie sich einen Teppich von unten an, dann werden Sie den schon bemerken. Von unten sehen Sie, ob es mit Sachverstand geknüpft wurde oder nur schnell hingehauene Ware ist.“ „Und die merken es nicht?“ „Es sind, so ist es, Opportunisten. Sie hocken an den Fleischtöpfen und werden einen Teufel tun, um etwas daran zu ändern.“ „Aber sehen Sie sich die Basis an – die sehen doch, wie inkompetent die Spitze ist. Sie nennen Westerwelle einen liberalen Grüßaugust.“ „Ist er denn mehr?“

„Jetzt frage ich Sie: wenn Westerwelle schon gar nichts anderes kann als Außenpolitik, warum beschränkt er sich nicht darauf?“ „Weil er das am wenigsten kann. Dieser Mann ist die größte Niete, die je für Deutschland durch die Welt gestolpert ist.“ „Weil er in Indien als Kritiker des deutschen Sozialstaats auftrumpfen musste?“ „Weil er allen Ernstes seinen Gastgebern erklärt hat, er, Guido Westerwelle, würde, sollte er in Indien arbeiten müssen, sofort anfangen, Englisch zu lernen.“ „Das ist verräterisch – wenn er angibt, es noch lernen zu müssen, ist er mit seinen Aufgaben überfordert.“ „Das ist es nicht einmal. Englisch – die Sprache der verhassten Besatzer. Das ist, als wollten Sie nach Dresden fahren, und verkündeten, Sie lernten schon einmal Russisch.“ „Das ist – wie kriegt man das raus? Ohrfeigen?“ „Sinnlos. Der hat Prallschutz.“

„Aber er sagt doch: ‚Raus aus der Defensive, rein in die Offensive!‘ Was heißt das?“ „Nichts. Es ist die Verbindung von Arroganz und Ignoranz, die ihn prägt.“ „Weil sogar sein Generalsekretär die Phase der kritischen Selbstbetrachtung für beendet erklärt?“ „Die da oben machen es wie ihr Chef. Sie glauben mittlerweile selbst, was sie sagen.“ „Und die Parteibasis?“ „Lassen Sie es mich so sagen: Westerwelle sollte Angst haben.“ „Vor der Basis?“ „Er hat sich mit der FDP einen Feind gezüchtet, der weder Skrupel noch Mitleid kennt. Er hat diese Leute verraten.“ „Indem er den Liberalismus vor ihren Augen zerstört hat?“ „Das nur am Rande; die meisten von denen waren auch nur Ehrgeizlinge, die für ein bisschen Geld so gut wie alles über Bord geschmissen hätten, was an Haltung noch blieb. Sie haben nicht geglaubt, dass Westerwelle das getan hätte.“ „Was getan hätte?“ „Was er jetzt tut. Den Abfall von jeglicher Gesittung. Die enthemmte und entfesselte Gier.“ „Jeder hat es doch vorher schon gewusst: er ist korrupt bis auf die Knochen. Er will nur nach oben, um nach unten treten zu können. Er ist eine Zumutung – er nimmt nichts zur Kenntnis, er trötet herum und lobt die Erfolge der Koalition. Er ist stolz auf das, was er in den letzten zwölf Monaten erreicht hat – ich frage Sie, worauf soll man da stolz sein? Dass die FDP noch nicht von der Bildfläche verschwunden ist?“ „Sehen Sie, das ist es. Er hat alles vorher angekündigt, Lobbyismus und Sozialabbau, die Umverteilung nach oben, jeder wusste das. Er hat nur den Fehler gemacht, dabei nicht umzufallen.“ „Aber sie haben doch fast nichts erreicht?“ „Natürlich haben sie das erreicht, sie haben es doch an die Wand gemalt. Die Leute hätten fast gemeint, es sei nur ein Bild und nicht der Teufel.“ „Sie meinen, Westerwelle wird von ihnen gehasst, weil er nicht programmgemäß wieder einmal umgekippt ist?“ „Jetzt begreifen Sie es. Er hätte einknicken müssen, zusammenschnurren wie ein Gummitigerentchen ohne Luft. Dann hätte man ein bisschen auf die Opposition geschimpft und die großen, epochalen Steuersenkungen…“ „Einfach, niedrig und gerecht, was?“ „… die hätte man dann in der nächsten Legislatur gemacht. Oder in der übernächsten. Oder danach. Aber so? Er hat alles das so gemacht, wie er es angekündigt hatte. Nur noch skrupelloser. Um zu zeigen, dass er der große Führer ist.“ „Wobei sich dann herausstellte, dass er es nicht kann.“ „Richtig. Sie haben gesehen, wie Westerwelle die Freiheitsstatue gegeben hat. Eine hohle Pappfigur, aus der ein bisschen Schlagermüll tönt, bevor das Ding im Nieselregen versuppt. Sie haben geprotzt und geprahlt, aber nicht geliefert. Und jetzt stellt sich dieser Vizebold hin, schluckt vor ihren Augen den Schlüssel, mit dem er sich im Elfenbeinturm verrammelt hat, und schwafelt von den Erfolgen der Partei.“

„Sie meinen also, Westerwelle ist in Gefahr?“ „Durchaus. Wenn er nicht freiwillig abtritt und im März ins nächste Loch fällt, dann sollten Sie auf die erbosten Sparkassendirektoren achten, die keine Freunde mehr haben, weil sie nicht rechtzeitig aus der Partei abgehauen sind. Manche von denen sind exzellente Schützen.“ „Und was macht die FDP, wenn sich die Sache nur mit einem Königsmord erledigen lässt?“ „Was sie immer tut, wenn es unappetitlich wird. Sie kehrt die Reste unter den Teppich.“





Stets zu Diensten

26 10 2010

Ausgerechnet der Wecker. Nicht, dass mir das Aufstehen zu dieser Jahreszeit besondere Probleme bereiten würde; meine Kundentermine liegen meist ohnehin in den Nachmittagsstunden. Aber ganz ohne diese kleine elektrische Uhr, das wollte ich nun doch nicht riskieren. Vielleicht wäre ich sonst an einem kalten Morgen einfach im Bett geblieben.

„Das muss an dem Hebelmechanismus liegen“, murmelte der Verkäufer und drehte die Weckuhr skeptisch in den Händen. „Das Gerät ist ja auch schon ziemlich alt.“ „Wie man’s nimmt“, gab ich zurück und reichte ihm die Quittung, die man mir drei Wochen zuvor beim Kauf überreicht hatte. Er schielte über den Rand seiner Brille auf das Papier. „Kann sein, dass wir den noch auf Lager haben. Warten Sie mal einen Augenblick.“ Fort war er.

Es muss eine knappe Viertelstunde gedauert haben, bis mir leicht fröstelte. Kein Wunder, stand ich doch nur im Anzug dort und hatte den Mantel für die wenigen Minuten im Wagen gelassen. Die Wecker in der Vitrine hatte ich vorsichtshalber gleich dreimal gezählt, es waren auch nach dem dritten Mal siebzehn Stück, nicht mehr und nicht weniger. Da nahte sich eine Verkäuferin, die durch die Elektroabteilung schlich, Klebeschilder für Heizlüfter in der Hand, die sie neben dem Schrank auf dem Kassentresen deponierte. „Verzeihung“, sprach ich sie an, „können Sie mir sagen…“ Sie blitzte mich an. „Sie sehen doch, dass ich zu tun habe!“ Und war schon wieder verschwunden.

Die alte Dame sah sich hilflos auf der Etage um. Dann aber steuerte schnurstracks auf mich zu. „Junger Mann“, sagte sie, „das funktioniert doch nicht!“ „Es tut mir Leid“, stammelte ich. „Auch wenn es so aussieht, Sie irren sich. Sie irren sich!“ „Aber Sie verkaufen das doch“, beharrte sie. „Dann zeigen Sie mir mal, wie das geht.“ Damit drückte sie mir eine elektrische Gebäckpresse in die Hand. „Haben Sie denn die Gebrauchsanweisung auch genau studiert?“ Sie schüttelte den Kopf. „Da steht doch immer nur Mist drin.“ Ich drückte einen Hebel nach unten, stellte den Wahlschalter auf Mandel-Mürbeteig und ließ das Gerät surren. „Ach da unten muss man drücken?“ Ihre Begeisterung kannte keine Grenze, doch ein aufgebrachter Kunde mit einem Waffeleisen ging förmlich auf mich los. „Das ist schon das zweite!“ Meine Nachfrage, ob es sich um das zweite Küchenutensil seines Lebens oder um doppelten Brand in seinem Sicherungskasten handelte, wartete er gar nicht erst ab. „Die Waffeln werden immer sofort schwarz!“ „Möglicherweise ist Ihr Teig zu zuckrig“, grenzte ich das Problem ein, „oder Sie fetten die Form zu sehr?“ Er war verwirrt. „Meine Frau legt die Eierwaffeln aus dem Sparkauf rein, aber die sind wohl zu dick für den Apparat, oder?“

Warum hatte ich mir keine elektrische Käsereibe gekauft. Die hätte gemütlich kaputtgehen können, ich hätte es nicht einmal bemerkt.

Unversehens kam eine dickliche Verkäuferin auf mich zugelaufen. „Heute ist Quartalsmeeting, was machen Sie denn hier so lange?“ Ich stutzte. „In dem Ton reden Sie mit mir? Vor den Kunden?“ Sie zog eine krause Nase. „Als Ihre Abteilungsleiterin werde ich mir…“ „Ach ja“, schnitt ich sie ab, „Sie sind das! Hätte ich mir denken können.“ Ein Blick auf ihr Schildchen bestätigte mir, dass es sich um Frau Töpperfeld handelte (oder so ähnlich). „Sie gehören hier zum Verkaufspersonal und nicht zum Management? Dann wollen wir mal gucken, ob Ihre Karriere den heutigen Tag überlebt.“ Ihr Mund klappte auf, doch ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen. „Sie melden sich bei der Geschäftsleitung, die Versetzung als Lagerkraft in unsere neue Filiale dürfte ungefähr Ihren Fähigkeiten entsprechen.“ Mechanisch drehte sie sich um und stolperte zum Aufzug. Ich pfiff zwei Auszubildende heran. „Nehmen Sie mal diese Schilder hier, das Display mit den Heizdecken sieht ja aus wie eine schlechte Kaffeefahrt – Dekozeugs hat die Materialausgabe, und dann zaubern Sie uns eine schöne Pyramide aus Heizlüftern, ja?“ Sie nickten dienstbeflissen.

„Da sind Sie ja“, keuchte Gablonsky. „Ich brauche Ihre Unterschrift für die Warenannahme. Die Skisachen sind endlich gekommen.“ „Die was? Ski? Blödsinn!“ Langsam wurde ich ungehalten. Nichts klappte in diesem Kaufhaus. „Aber Sie hatten doch gesagt, wir bräuchten Wintersport, und es ist…“ „Unsinn“, schoss ich Gablonsky an. „Die antizyklische Angebotspalette ist doch das A und O jeder modernen Marketingstrategie! Wofür bezahle ich Sie eigentlich?“ Er gab mir zerknirscht Recht. „Wir könnten die Federball-Sets wieder rausholen“, versuchte er zu seiner Rehabilitierung anzumerken, „und die Badeanzüge sind noch da.“ „Na also“, lobte ich. „Sie können’s doch, Gablonsky! Warum immer so zögerlich – zeigen Sie Initiative, dann merken Ihre Kollegen schon, was sie an Ihnen haben!“ Ich klopfte ihm auf die Schulter. Komplett neu motiviert verließ er die Elektroabteilung. Da kam auch der Kreisgebietsleiter auf mich zu, mit der Hand verdeckte er die Sprechmuschel eines Telefons. „Zentrale“, zischte er, „der Alte macht Druck und das Controlling kriegt den Ärger ab.“ Ich fischte den Hörer aus seiner Hand. „Verkaufen“, bellte ich. „Ab 124 wird verkauft, ist denn das so schwierig zu merken?“ Schon spürte ich im Keim die Widerworte, doch ich ließ mich nicht darauf ein. „Sie wissen, was mit Stockheimer & Goldbuytel passiert ist, ja? Dann stellen Sie keine dummen Fragen!“ Resolut beendete ich das Gespräch; nur jetzt keine Schwächen zeigen, das war ich auch dem alten Goldbuytel schuldig, er war bis heute untröstlich über den jähen Niedergang seiner florierenden Türklinken-Fabrik. Rasch bestellte ich Luftballons für die Karnevalssaison nach, ordnete den Abriss der beiden Filialen in der Hauptstadt an sowie die Expansion in die mikronesische Föderation, gliederte die Europäische Zentralbank in die Lebensmittelabteilung ein und erhob einen Vorschuss auf die nächsten zehn Jahresgehälter einschließlich der just gestiegenen Boni. Dann suchte ich die Toilette auf, um mir die Hände zu waschen. Ich schlenderte durch die Abteilung und blickte intensiv auf meine Armbanduhr.

„Wir hatten noch einen“, sagte der Verkäufer und hielt mir einen Wecker hin, den gleichen, der wegen eines defekten Hebels nicht zum Wecken zu bewegen war. „Sie mussten hoffentlich nicht zu lange warten?“ Ich lächelte. „Ach nein, ich habe mich unterdessen ein bisschen um die Wirtschaft gekümmert. Irgendwo muss der Aufschwung ja schließlich herkommen.“





Zirkusluft

25 10 2010

„Kommen Sie her, kommen Sie rein! Hier ist es gut! Hier ist es fein! Ja, wer hat noch nicht, wer will noch mal? Nur hier die original Grünen, die Partei mit der – Heißluft? Wieso ist das Heißluft? Ich werde Ihnen mal was sagen: stellen Sie sich hier hin, und dann kriegen Sie mal das Zelt voll.

Man muss den Leuten doch echte Attraktionen bieten, sonst hauen die gleich wieder ab. Und das Publikum wird langsam wählerisch, ich sage nur: erneuerbare Energien. Öko-Steuer. Das waren gute Nummern, aber das ist auch lange her, wissen Sie, mit dem Ding locken Sie keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Das funktioniert einmal, und dann ist auch gut. Aber daran sehen Sie auch schon den qualitativen Unterschied zur FDP. Die sind zwar auch nur so beliebt geworden, weil sie genug Zeit hatten, um in der Opposition herumzuplärren, aber die haben auch immer dasselbe Zeugs erzählt. Steuersenkung, Steuerentlastung, Steuererlass. Wollen Sie das noch hören? Sehen Sie!

Dosenpfand? Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Natürlich vertreten wir liberale Positionen, das ist doch auch nicht falsch. Aber bei uns heißt das grüne Zukunftspolitik. Das Dosenpfand passt da ja auch ganz gut rein. Die Verwertungsbranche hat sich bisher noch nicht beschwert, die Automaten werden flächendeckend produziert, aufgestellt, verpachtet und gewertet und ausgetauscht, das ist ein großer Erfolg für den Wirtschaftsstandort. Und natürlich für die Branchen. Die unserer Spender? Das weiß ich jetzt gerade nicht, bedaure.

Immer hereinspaziert, die Damen – nur hier echt mit den Windkraftanlagen, wir machen ordentlich Strom! Nur hier die original Grünen, bei uns gibt’s Klimaschutz ohne Angela Merkel!

Und ob das ein Unterschied ist! Wir wissen natürlich, dass das alles nicht so unbedingt klappt, Kyoto und Kopenhagen, aber wir machen darum nicht gleich so ein großes Geschrei wie die Merkel. Wir würden uns einfach hinstellen, die Roth sagt: ‚Liebe Bundesbürger-innen‘ – sie kanzlert heimlich schon mal, nicht weitersagen! – ‚wir würden gerne den Klimaschutz im Sinne einer ökologischen und nachhaltigen Bla-bla-bla, und leider geht’s nicht.‘ Und dann bauen wir ein paar neue Kohlekraftwerke Modell Moorburg, und damit sparen wir uns jede Menge Atomstrom. Toll, oder?

Natürlich kann man das nicht vergleichen. Die FDP ist eine Partei, die als erste Amtshandlung den Hoteliers ein Steuergeschenk gemacht hat für die Wahlkampfspenden. Wir unterstützen hingegen die Investition in Solaranlagen, indem wir die anderen Branchen platt machen. Das ist keine verbotene Subvention. Und dabei entstehen nicht einmal überflüssige Arbeitsplätze, die irgendwann wieder wegfallen und die Menschen arbeitslos machen könnten. Das ist ganzheitlich sozial gedacht.

Das mit dem Umfallen haben wir nicht so genau im Parteiprogramm verorten können, vielleicht könnte man das Rotationsprinzip dafür reanimieren. Der eine Abgeordnete spricht sich strikt gegen die Sicherheitsgesetzgebung der Regierung aus, nennt sie einen staatsterroristischen Unfug, droht mit Verfassungsklage und Europäischem Gericht und was noch allem – und seine Nachfolgerin winkt den Mist durch, weil sie sich sowieso nur für Verkehr und Biochemie interessiert, und selbst das nur am Rande. Damit schlagen wir natürlich zwei Fliegen mit einer Klappe. Das nenne ich innovativ!

Das mit dem Ausstieg ist so eine Sache. Im Prinzip kann man das mit der Laufzeitverlängerung ja sogar machen. Es werden dann bloß keine neuen Atomkraftwerke mehr gebaut, wir benutzen die alten nur etwas länger. Dann hätten wir auch mehr Zeit, um uns ein passendes Endlager zu suchen. Also auch zwei Fliegen mit einer – Verfassung? Das kann ich Ihnen gar nicht mal sagen, wir haben uns damals unter Schröder nur um die ökologische Seite gekümmert, die Gesetzgebung war Sache der Regierung. Das war die SPD. Die Grünen in der Regierung? Ehrlich? Was Sie nicht sagen…

Wenn Sie wüssten, was das mit Stuttgart für Ärger macht. Ich meine, schließlich und endlich ist es doch nur ein Bahnhof, das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Das muss man auch juristisch immer berücksichtigen. Die Verträge müssen strikt eingehalten werden. Und in denen stand, soweit ich mich erinnere, von Demokratie gar nichts drin.

Hat der Müntefering gesagt? Ja? Witzig! Haha, das ist aber mal wirklich lustig! Opposition soll Mist sein? Das ist ja zum Schreien! Pah, Opposition ist große Klasse! Was meinen Sie denn, woher man mal eben zwanzig Prozent bekommt? Für doppelte Energiekosten alle zwei Jahre? Auslandseinsätze in Afghanistan? Spitzensteuersenkung und kräftigen Sozialabbau? Sie sind mir vielleicht einer…

Und hier noch mal, wer hat noch nicht? Treten Sie näher, Menschen, Tiere, Sensationen – Jürgen Trittin dressiert das Versammlungsrecht und Cem Özdemir hüpft durch ein brennendes Grundgesetz!

Klar, das kostet. Wir sind nun mal eine Partei des gehobenen Bürgertums. Also der Gutsituierten. Oder, wenn Sie so wollen, der Besserverdienenden. Kann man so sagen, ja. Aber das wissen Sie doch jetzt schon, nicht wahr? Dann müssen Sie doch nicht enttäuscht sein, wenn es nach der Wahl so kommt, wie Sie sich das jetzt ausmalen. Jetzt seien Sie doch mal begeistert, dass wir so ehrlich sind! Wo findet man das denn sonst noch, heutzutage?

Kommen Sie her, kommen Sie rein! Hier nur einmal die original Grünen – für CDU-Mitglieder heute zum halben Preis! Kleine Geschenke erhalten doch schließlich die Freundschaft, oder?“





Der Versuch der alten Dame

24 10 2010

Was man so macht, wenn man nichts tut.
Die Sache holpert, stolpert, kippt
wie Aschenreste, Staub und Glut,
die man hinab zum Rinnstein schippt.
Berauscht von etwas Wichtigkeit,
da weiß sie plötzlich: ausgedient,
was bleibt, ist reine Nichtigkeit.
Ihr Guido greint. Das Karlchen grient.
Das Volk regiert. Das passt ihr nicht,
zumal’s ihr keine Kränze flicht,
es ist für sie, im Gegensatz,
fehl am Platz,
    fehl am Platz.

Mit Eimerchen und Pinsel malt
die Kanzlerin sich selbst ins Eck.
Da hockt sie. Alles unbezahlt.
Ihr Horst siegheilt und schmeißt mit Dreck.
Versprechen auf Versprechen gilt
nicht mehr das Blatt, auf dem man’s schrieb.
Ihr Guido, dem der Kamm schon schwillt,
balgt sich mit Lump und Eierdieb.
Schuld haben alle, nur nicht sie!
Ob sie regiert? Das ist perdü,
in Angelas Erfahrungsschatz
fehl am Platz,
    fehl am Platz.

Nur her mit einem Sündenbock!
Die Hunde kläffen durchs Revier.
Doch diesmal wird’s ein andrer Schmock,
man hat was Neues im Visier,
den Popanz aus der Unterschicht.
Man drischt. Man brüllt. Man pumpt ihn auf.
Man klagt und sitzt auch zu Gericht.
Die Dinge nehmen ihren Lauf,
das Lügenpack gibt Schuss um Schuss –
ja, achwarzbraun ist der Faselstuss,
der Stürmer stürmt und bläst zur Hatz:
fehl am Platz!
    Fehl am Platz!

Doch was ist sonst? Was tut die Frau?
Sie trötet für ihr Seelenheil
und predigt dort vom Himmelsblau
das Wischiwaschigegenteil.
Das sägt die Nerven, quält das Land,
denn eher fängt man Vögel ein
und nagelt Sülze an die Wand;
die Bonzen halten alles klein.
Was soll das noch. Das Spiel ist aus.
Das Licht verlischt. Rideau. Kehraus.
Du warst vergebens. Für die Katz.
Fehl am Platz.
  Fehl am Platz.
    Fehl am Platz.





Aus deutschen Landen. Limericks (XIV)

23 10 2010

Den Gatten, den störte in Goch,
dass alles nach Kohlsuppe roch.
Die Gattin hingegen,
des Kohlpreises wegen,
kocht Kohlsuppe doch. Noch und noch.

Ein Metzger, der sagte in Dauchingen,
als Würste und Speck dort im Rauch hingen:
„Man sollte, ich meine,
dem Dauchinger Schweine
ein Loblied nach uraltem Brauch singen!“

Zwei Kellner, die wollten in Lienen
zwei Damen partout nicht bedienen.
Der Chef schob sie sacht fort
und sprach dann ein Machtwort.
Jetzt kellnern sie – mit sauren Mienen.

Ein Dachdecker deckte in Melz
das Dach. Fragt der Bauherr ihn: „Hält’s?“
Voll Zuversicht spricht er,
der Meister: „Je dichter
das Dach, desto besser gefällt’s!“

Ein Schneider bekam in Salzkotten
im Sinne des Wortes die Motten.
Die saßen und nagten
sein Tuch und sie plagten
den Schneider. Und taten noch spotten.

Zwei Einbrechern wurde in Xanten
der Boden zu heiß, und sie rannten.
Das kam, weil dort unter
der Decke ganz munter
die Flammen schon lichterloh brannten.

Ein Mahner, der sagte in Stuttgart:
„Dass Ihr Eure Stadt so zu Schutt fahrt,
ist nicht zu verzeihen.
Ihr schließt nur die Reihen
und gaunert, dass Geld sich mit Gut paart!“





Gernulf Olzheimer kommentiert (LXXIX): Handwerker

22 10 2010
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Was haben wir nicht alles hingekriegt: die Entstehung des Sonnensystems, die Auffaltung der Alpen, das Versuppen kompletter Urwälder zu den Ölfeldern, die heute die Fisch- und Vogelbestände im Golf von Mexiko niedermachen. Sogar das Tunguska-Ereignis in der Version mit Kometen und Orchester verlief harmonisch und rund, zwar hier und da überraschend im Abgang, doch im Ganzen störungsfrei und ohne Grund zur Sorge. Es war nämlich kein Handwerker beteiligt.

Handwerker, diese kleine, gehässige Subspezies knapp unterhalb der Intelligenz von Rädertierchen, sie haben mehr zum Abbau der geistigen und materiellen Substanz dieses Planeten beigetragen als zu Erhalt und Renovierung der umgebenden Variablen, und sollte es je einen legalen Weg geben, Schwarze Löcher in den Orbit zu ziehen, der Plan, alle Handwerker von Terra zu entfernen, würde jede Steuererhöhung sowie den Verzicht auf Fußball, Flaschenbier und Johannes Heesters rechtfertigen, bei Letzterem sogar über den Jüngsten Tag hinaus – sobald alle Klempner, Elektriker und Fliesenleger mit Glasern, Maurern und Dachdeckern in die ewige Zentrifuge des Vergessens geschlürft würden, sollte auf diesem Rotationskörper auch wieder eine Daseinsstufe oberhalb von Vegetieren drin sein.

Keiner Rohrzangengeburt käme es je in den Sinn, andere Götter neben sich zu akzeptieren. Der Akt der Schöpfung, glaubt der Fliesenleger, habe überhaupt nur stattfinden können auf Basis von dreißig mal dreißig Zentimeter großen Flächen, unsauber verfugt, in den Trendfarben braungrau und graubraun, an der oberen Kante leicht schräg, aber das guckt sich weg, sobald der Maler die Sache von oben bekleckert und feststellt, dass schon der Estrich uneben gegossen sein muss. Der Heizungsbauer, Pflasterer, Zimmermann hat generell Recht, vor allem da, wo er auf Banausen trifft, die nicht in den höheren Sphären des Schraubendrehens beheimatet sind, sondern nur über untergeordnete Bildungsabschlüsse wie Promotion und Professorentitel verfügen. Laienvolk vermag nicht zu glauben, dass dreimal dreißig an der einen Seite locker in vierundachtzig passen und auf der anderen Seite für hundertzehn gut reichen – der Handwerker ist das kreative Gegenteil des formalistischen Spießbürgers, der außer aufrechtem Gang und umfassender Allgemeinbildung auch noch ekelhaft deutlich unter Beweis stellen muss, dass er mehr beherrscht als das verkaute Gegrunze der Kellen-, Hammer- und Fuchsschwanzschinger. Der Handwerker nämlich, der weiß, was er kann.

Meist beschränkt sich dies Wissen auf die Kernkompetenzen Schmutz, Lärm und Chaos. In schöner Regelmäßigkeit setzen Glaser im Rohbau neue Fenster ein, da die anderen unausweichlich vollgeschwiemelt sind mit Mörtel, Kleber, Sand und Zement, angeätzt, sollbruchstellentechnisch vorperforiert und zum Bersten gebracht durch Pressluftdresche und Powergemeißel knapp an der Erdkruste, während Horden von Betonbauern die Stätte späterer Architektensuizide regelmäßig in konzentrischen Kreisen drehen, um auch ja nichts dem Bauplan ähneln zu lassen. So rennt der Bauherr im Wahn an die Wand, da hier keine Tür seiner harrt, er stolpert in nicht vorhandene Treppen und zerschellt am Nullgrund, plattgematscht, wo doch längst ein Aufzug hätte fahren sollen.

Denn was soll bei einem Rudel Handwerker schon funktionieren? Tischler mietet man nicht, um sie mit Holzarbeit zu betrauen, man setzt sie ein in mehr oder weniger berechtigter Hoffnung, dass sie aus Respekt vor Strom und Wasser ihre dreckigen Finger von Rohr und Steckdosen lassen und sich nicht auch noch mit anderen Handwerkern streiten. Doch weit gefehlt – schlimmer als der Hausherr, der nur mal eben eine Glühwendel in seine Lampe geschraubt haben wollte, dümmer als der Amateur ist für den Handwerker nur der Handwerker aus anderem Gewerk. Alle halten sie einander für strunzdumme Plumplummen, komplett unfähig, die Wasserwaage mit der Libelle nach oben zu halten. Hielte es sie nicht von der Mittagspause ab, die sie mit Kippe und Tittenblatt im Kleinlaster abhocken, sie würden mit Hieb- und Stichwaffen aufeinander losgehen und die Überreste in Zwischendecken und hinter dem Wandbehang entsorgen.

Alles hat ein Ende, so meint der Beknackte, und kaum sieht er die Freuden seines Lebensabends am Horizont aufziehen – zu Jugendzeiten, noch vor der Geburt seiner Söhne, die nun selbst bald in den allerbesten Jahren sind – da klatscht der Meister ihm die Pranke feucht-vertraulich auf die Achsel, um zu verkünden, dass Abend und Morgen ward und der dämliche Wasserhahn, um den es einst ging, bevor der Norddeutsche Bund in Versailles beendet ward und die Entscheidung fiel zwischen zwei gleich hässlichen wie unpraktischen Zapfern, entworfen von magenkranken Kretins, unter infernalischem Gelöte und Gefräs an die viermal ausgewechselte Frischwasserleitung geflanscht, abgeflext, gesandstrahlt, feuervergoldet, atomisiert und reinkarniert, nun fertig sei. Die Rechnung würde alsbald folgen, nach so langer Zeit könne man ja von einer soliden Geschäftsbeziehung voller Vertrauen und Bonität ausgehen. Und kaum hat der Bescheuerte das müde Röcheln der Tröpfelkruke im Ohr, deren Schraubgewinde sich bei vorsichtigem Betasten auch in Wohlgefallen und Schmirgelpaste auflöst, da keucht das Faxgerät die Liquidation aus, berechnet auf der Anzahl von Meisterstunden, als hätte der Rohrfigaro seit dem Urknall den Grand Canyon mit Stapelkathedralen zugekotzt. Handwerk hat, so sagt man, goldenen Boden, und was läge näher, als einen Handwerker unter ebendiesen zu pflügen.