
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Deutschland blanchiert. Wie eine Infektion geht es durch die Küchenblöcke der Nation: die Blöden häckseln fachgerecht Schwein und Schluppe, popeln mit professioneller Eleganz Blütenansätze aus Tomatenvierteln, matschen den resultierenden Schmadder mit zu viel Salz in Muttis Topfset, taufen die Konsequenz in fremder Zunge und nötigen unschuldige Nachbarn, davon zu kosten. Das Huhn wird verrückt in der Pfanne, Wahnsinn ist Normalzustand – das Land leidet unter gefühlt drei Dutzend Kochshows pro Woche.
Wann immer der Bewegtbildjunkie sich aus Versehen auf die Fernbedienung setzt, schaltet er live in die Schnippel- und Anbratorgien von Alfons Lafer oder Tim Poletto, die wie Pilzgeflecht durch das Programm wuchern. Eitel spritzt Olivenöl in die Optik, bester Balsamico tunkt die Kulisse in saures Licht, Fleur de sel und Rohrzucker landen in edlem Gefäß, verschwiemelt verschwallt im Laberflash, während der Koch Allgemeinplätzchen backt. Im Strom des ewig Gleichen hat der Konsument längst Orientierung und Sinn verloren, wünscht sich den sofortigen Reset mit leerem Teller, aber keiner lässt ihn. Übersättigt von Blowup und Showdown würgt er sich den Guckreiz aus der Pupille, während der rebellierende Magen längst zum säurehaltigen Teil des Abends übergegangen ist. Gebündelt und unter kräftiger Hitze einreduziert könnte man das Zeug längst unterbrechungsfrei auf einem Kochkanal laufen lassen, bis das Jüngste Gericht serviert wird.
Doch weniger die schiere Masse der Quirl- und Rührseligkeiten führt zu solidem Sodbrennen, es ist die Küchenbrigade. Zwischen den zwei Polen: Max Inzinger und Clemens Wilmenrod, pendelt die Besetzung, der eine noch der betulich vorbereitete Pfannenschwenker, der andere schon die mit Verbalkäse überbackene Quaktasche der Fresser, Koch- wie Selbstdarsteller, kernlos und frei von Sachkenntnis, überflüssig wie Gelatine am grünen Salat. Gerade aus dieser Fraktion, urtypisch vom ewigen Schwadroneur Biolek angeführt, gurkt und säuft sich der Dilettant unter der Chefmütze wie ein Fettauge über die Oberfläche dieser TV-Schiene, ewig sich selbst in der Löffelfläche bespiegelnd, auch wenn er längst nicht alle Rillen auf der Erbse hat. Mit Bravour köchelt er sich dennoch an der Zielgruppe vorbei, denn wer mit dem nötigen Einkommen hat an diesen Sendeplätzen überhaupt Zeit, sich das Pfannenschwenken der Küchenbullen anzutun? Und wozu?
Wer tatsächlich aus reiner Langeweile vor der Mattscheibe hockt, um das Bratgeschwader zu sehen, gehört zu den finanziell dünn ausgestatteten Essern, die Tomaten allenfalls in zwei Sorten aus dem Discounter kennen – essbar und nicht essbar – und über die Verfügbarkeit von siebenundachtzig Sorten Nachtschattengewächs in diversen Farben, Formen, Grüßen und Reifungsgraden nur in der Theorie zu diskutieren in der Lage sind. Den Wolfsbarsch am Stück ersetzt auch werktags der im Alusarg verklappte Fertigfisch, die Beigabe von Kapernäpfeln in eine Grillmarinade geht ihm am Sitzmuskel vorbei. Es riecht nach Hohn, Bwana.
Doch braucht die anvisierte Mittelschicht den ausgekauten Brei überhaupt? und wozu zieht sie sich täglich eine knappe halbe Stunde televisionäres Schmurgelpapier über die Augen? Die verbliebenen Neubürgerlichen lassen sich in die Roulade namens Megatrend verpacken und schwitzen im eigenen Fett mit, wo im Grunde nur Dauerwerbesendung und pseudokulturelles Resteessen vorliegt. Längst gleicht ein Smutje dem anderen, seit dem Schöpfer des Arabischen Reiterfleischs haben sich Product Placement und Konsumterror in den Geschmack der Grütze gemischt – was damals der Heinzelkoch ist heute der obligate Hochbackofen, Monstranz der Eitelkeit mit Wohlstandsbauch überm Pfeffersack, nicht überlebensnotwendig, nicht einmal praktisch, unmäßig teuer, aber ein Utensil, das für die zweimal pro Quartal anberaumte TK-Pizza ein Must-have ist, so es gilt, dem neidischen Nachbarn die Pupille eitern zu lassen. Dass elektrische Parmesanreibe, japanische Sushimesser und beheizbarer Marmor als Arbeitsfläche (letzterer, damit man die Messer nach spätestens einem Jahr neu erwerben kann) zu den conditiones sine qua non gehören, muss nicht erwähnt werden, Hauptsache: die Show geht weiter, das ewige Lobbygeblök für Gastroausstatter, Elektroschamott und Kochbuchdealer.
Und als wäre das noch nicht genug Elend für die Massen, jetzt kocht schon das Bodenpersonal mit, Lanz, Beckmann und wie die medialen Spülhilfen auch heißen mögen, die ihr Waschwasser in die Kanäle pladdern lassen, sinn- und schmerzfrei, ein kollektiv regrediertes Rudel Topfspucker, denen man lieber die Kelle übers Maul gezogen hätte, statt ihnen auch nur ein Ei in die Hand zu drücken. Der Zuschauer hält’s aus, er frisst, wenn er nicht gerade stirbt, und lässt alle Hoffnung fahren, dass sich je ein ordentlicher Handwerker wieder an den Herd stellte, die Klappe hielte und kochte, statt unter aufplatzender Schleimhaut zu dulden, wie einem Kerner vor Verdeppung die Butter von der Stulle sickert. Was lange gart, wird endlich Wut. Der Krisenherd kocht. Wie lange noch?
Satzspiegel