Gernulf Olzheimer kommentiert (LXXIX): Handwerker

22 10 2010
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Was haben wir nicht alles hingekriegt: die Entstehung des Sonnensystems, die Auffaltung der Alpen, das Versuppen kompletter Urwälder zu den Ölfeldern, die heute die Fisch- und Vogelbestände im Golf von Mexiko niedermachen. Sogar das Tunguska-Ereignis in der Version mit Kometen und Orchester verlief harmonisch und rund, zwar hier und da überraschend im Abgang, doch im Ganzen störungsfrei und ohne Grund zur Sorge. Es war nämlich kein Handwerker beteiligt.

Handwerker, diese kleine, gehässige Subspezies knapp unterhalb der Intelligenz von Rädertierchen, sie haben mehr zum Abbau der geistigen und materiellen Substanz dieses Planeten beigetragen als zu Erhalt und Renovierung der umgebenden Variablen, und sollte es je einen legalen Weg geben, Schwarze Löcher in den Orbit zu ziehen, der Plan, alle Handwerker von Terra zu entfernen, würde jede Steuererhöhung sowie den Verzicht auf Fußball, Flaschenbier und Johannes Heesters rechtfertigen, bei Letzterem sogar über den Jüngsten Tag hinaus – sobald alle Klempner, Elektriker und Fliesenleger mit Glasern, Maurern und Dachdeckern in die ewige Zentrifuge des Vergessens geschlürft würden, sollte auf diesem Rotationskörper auch wieder eine Daseinsstufe oberhalb von Vegetieren drin sein.

Keiner Rohrzangengeburt käme es je in den Sinn, andere Götter neben sich zu akzeptieren. Der Akt der Schöpfung, glaubt der Fliesenleger, habe überhaupt nur stattfinden können auf Basis von dreißig mal dreißig Zentimeter großen Flächen, unsauber verfugt, in den Trendfarben braungrau und graubraun, an der oberen Kante leicht schräg, aber das guckt sich weg, sobald der Maler die Sache von oben bekleckert und feststellt, dass schon der Estrich uneben gegossen sein muss. Der Heizungsbauer, Pflasterer, Zimmermann hat generell Recht, vor allem da, wo er auf Banausen trifft, die nicht in den höheren Sphären des Schraubendrehens beheimatet sind, sondern nur über untergeordnete Bildungsabschlüsse wie Promotion und Professorentitel verfügen. Laienvolk vermag nicht zu glauben, dass dreimal dreißig an der einen Seite locker in vierundachtzig passen und auf der anderen Seite für hundertzehn gut reichen – der Handwerker ist das kreative Gegenteil des formalistischen Spießbürgers, der außer aufrechtem Gang und umfassender Allgemeinbildung auch noch ekelhaft deutlich unter Beweis stellen muss, dass er mehr beherrscht als das verkaute Gegrunze der Kellen-, Hammer- und Fuchsschwanzschinger. Der Handwerker nämlich, der weiß, was er kann.

Meist beschränkt sich dies Wissen auf die Kernkompetenzen Schmutz, Lärm und Chaos. In schöner Regelmäßigkeit setzen Glaser im Rohbau neue Fenster ein, da die anderen unausweichlich vollgeschwiemelt sind mit Mörtel, Kleber, Sand und Zement, angeätzt, sollbruchstellentechnisch vorperforiert und zum Bersten gebracht durch Pressluftdresche und Powergemeißel knapp an der Erdkruste, während Horden von Betonbauern die Stätte späterer Architektensuizide regelmäßig in konzentrischen Kreisen drehen, um auch ja nichts dem Bauplan ähneln zu lassen. So rennt der Bauherr im Wahn an die Wand, da hier keine Tür seiner harrt, er stolpert in nicht vorhandene Treppen und zerschellt am Nullgrund, plattgematscht, wo doch längst ein Aufzug hätte fahren sollen.

Denn was soll bei einem Rudel Handwerker schon funktionieren? Tischler mietet man nicht, um sie mit Holzarbeit zu betrauen, man setzt sie ein in mehr oder weniger berechtigter Hoffnung, dass sie aus Respekt vor Strom und Wasser ihre dreckigen Finger von Rohr und Steckdosen lassen und sich nicht auch noch mit anderen Handwerkern streiten. Doch weit gefehlt – schlimmer als der Hausherr, der nur mal eben eine Glühwendel in seine Lampe geschraubt haben wollte, dümmer als der Amateur ist für den Handwerker nur der Handwerker aus anderem Gewerk. Alle halten sie einander für strunzdumme Plumplummen, komplett unfähig, die Wasserwaage mit der Libelle nach oben zu halten. Hielte es sie nicht von der Mittagspause ab, die sie mit Kippe und Tittenblatt im Kleinlaster abhocken, sie würden mit Hieb- und Stichwaffen aufeinander losgehen und die Überreste in Zwischendecken und hinter dem Wandbehang entsorgen.

Alles hat ein Ende, so meint der Beknackte, und kaum sieht er die Freuden seines Lebensabends am Horizont aufziehen – zu Jugendzeiten, noch vor der Geburt seiner Söhne, die nun selbst bald in den allerbesten Jahren sind – da klatscht der Meister ihm die Pranke feucht-vertraulich auf die Achsel, um zu verkünden, dass Abend und Morgen ward und der dämliche Wasserhahn, um den es einst ging, bevor der Norddeutsche Bund in Versailles beendet ward und die Entscheidung fiel zwischen zwei gleich hässlichen wie unpraktischen Zapfern, entworfen von magenkranken Kretins, unter infernalischem Gelöte und Gefräs an die viermal ausgewechselte Frischwasserleitung geflanscht, abgeflext, gesandstrahlt, feuervergoldet, atomisiert und reinkarniert, nun fertig sei. Die Rechnung würde alsbald folgen, nach so langer Zeit könne man ja von einer soliden Geschäftsbeziehung voller Vertrauen und Bonität ausgehen. Und kaum hat der Bescheuerte das müde Röcheln der Tröpfelkruke im Ohr, deren Schraubgewinde sich bei vorsichtigem Betasten auch in Wohlgefallen und Schmirgelpaste auflöst, da keucht das Faxgerät die Liquidation aus, berechnet auf der Anzahl von Meisterstunden, als hätte der Rohrfigaro seit dem Urknall den Grand Canyon mit Stapelkathedralen zugekotzt. Handwerk hat, so sagt man, goldenen Boden, und was läge näher, als einen Handwerker unter ebendiesen zu pflügen.