
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
So verschieden sie sein mögen, der afrikanische Stammeshäuptling, ein ostasiatischer Taxifahrer, die Hausfrau aus Perth und die Lehrerin aus Sachsen, sie alle wachen einen Teil des Tages und schlafen an einem anderen, sie führen sich Nahrungsmittel in fester und flüssiger Form zu und geben diese wieder von sich, sie reagieren auf Schmerzreize und schlechte Musik, sie bedecken in Abhängigkeit von Temperatur, Jahreszeit und Anlass ihre Blöße (was ästhetisch nicht immer ohne Herausforderungen für Außenstehende ist, aber das ist eine andere Sache), und sie alle werden eines Tages wieder Biomasse. Mensch ist Mensch, so viel steht fest, und seien auch Schuhgröße und Pigmentierungsgrad hier oder dort auffällig anders als der Durchschnitt. Der Hominide als solcher ist von nagender Eintönigkeit. Wer es nicht glaubt, muss Promizeitschriften lesen.
Was der Markt hergibt, BLABLA und Blöde Welt, Tunte und Für ihr, gibt er für ein zweifelhaftes Publikum hirnschwächelnder Dummdamen, deren einziges Interesse darin liegt, nicht vorhandene Differenzen zwischen auffälligen Personen der Zeitgeschichte und dem eigenen Existenzversuch herauszuarbeiten. Wie schlafen Schauspieler? Wo popeln Politiker, wichtiger noch: Politikergattinnen, denn hier klappt die Identifikation ohne den ekligen Wundschmerz des Hineindenkens. Was immer die Leserin des grenzdebilen Printproduktes, die Konsumentin eines Kaffeekränzchens in Gestalt einer Primatenpostille, sich durch Voyeurismus und öffentlich zur Schau gestellte Bigotterie verspricht, hier wird’s Ereignis; das ewig Weibliche, hier graut es mit Anlauf. Nutzlos, Frau mit Hau einen freundlichen Avis beizulegen, die Künstlerin, die sich in ihrer Freizeit, beim Erwerb von Wäsche oder auf ihrem eigenen Grundstück ablichten lasse, sei in erster Linie Privatperson und dann nichts als eine Arbeitsnehmerin. Die bürgerliche Bekloppte will mit Macht in die Sphäre der Würdenträger, und sei es als Scheuerfrau an der Schichtgrenze.
Soziale Kontrolle durch Klatsch, schwadroniert es noch aus den Fachperiodika für Aftergerede, sei eine der funktionalen Säulen des Normgefüges, doch was bleibt davon, wo Trümmerfrauen in Trevira spottend über verwackelte Badefotografien herziehen, wo die abendfüllende Veröffentlichung ihrer eigenen Problemzonen bereits ein übler Verstoß gegen die Menschenrechtscharta wäre? Ist es nur die Tratsch- und Skandalisierungssucht, die sich am bröselnden Image abarbeitet? Nur eine auf Nivellierung ins Banale ausgelegte Strategie, die der boulevardisierten Massenkommunikation durch systematische Verdünnung der Wassersuppe die Daseinsgrundlage entzieht?
Es ist Doppelmoral, und sie tritt offen zutage, wo Aushilfssternchen aus der Blondinenfabrik hergestakst kommen, optische Sättigungsbeilage für die überdüngte Wirklichkeit, Netzhautfasching dank edelchirurgisch optimierter Brust-, Nasen- und Kalottenknorpel, zwecklos und störend, weder für die Volkswirtschaft noch den Gang der Geschichte von entscheidender Bedeutung. Promidarsteller, die bekannt sind, weil sie berühmt sind, weil sie bekannt sind, lassen sich am Sandstrand, im Bierzelt, bei der Verleihung des Ehrenspucknapfes der Sächsischen Braunalgenzüchterinnung ablichten und wagen dazu mit dem aufrechten Gang auf einem Stückchen roter Kunstfasertrittmatte den ultimativen Superstunt, den ihnen keiner zugetraut hätte, am wenigsten ihr Imageberater. Mit dem sicheren Gespür, nur in der Wahrnehmung von Schnitzelbiegern wirklich zu sein – esse est percipi – mogelt sich das in die Existenz und geht damit allen Unschuldigen gleichermaßen auf Gemüt und Testikel. Aber immerhin, wer es bis in den Tiefdruck geschafft hat, gilt heutzutage per se als Marionettenschnitzvorlage. Sie sind im Fokus, übernehmen die Schirmherrschaft für zweifelhafte Tier- und Pflanzenschutzvereine, werden geknipst für automatische Garagentore und Rahmspinat, lassen sich von einem Blättchen zum nächsten herumreichen, immer dessen eingedenk, dass der Produktlebenszyklus nach der Homestory in mietbarere Kulisse zu Ende sein könnte, weil dann gerade das Nachfolgemodell unter dem Stein hervorgekrochen kommt. Billige Gerüchte, Halb- und Unwahrheiten, die Abziehbilder aus Kalkhirns Denkkasten, das Geschreibsel führt eine Debatte im Konjunktiv III. Nichts daran wäre bemerkenswert.
Und doch, die Promiblättchen demonstrieren die ubiquitäre Aggression, die sich gegen die Oberen richtet, mehr noch: gegen die Emporkömmlinge, denen der Beknackte noch die Blödheit an den Ohren ansieht. Geifersüchtig und stets auf billige Rache aus, sehnt sich der Normale, Großkopfeten und anderen Kaspern der politischen und sonstigen Bühnen ein Bein zu stellen. Stolpern sie erst, so sind sie wieder auf Augenhöhe und verdienen, perverserweise, auch wieder Mitgefühl. Es steht nur zu fragen, ob man dafür wissen muss, wo und wie die Prinzessin von Lummerland ihre Teebeutel aus dem Kellerfenster pfeffert; der Wahrheitsfindung dient es nicht.
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