Kreuzzug

15 11 2010

„Dreck? Ich muss doch sehr bitten, Herr Kollege! Sie versündigen sich am Grundgesetz. Sie können doch nicht einfach die Sicherheitsbestrebungen der Bundesregierung als Dreck bezeichnen!“ „Kann ich nicht? Weil die Hemmschwelle der Regierung, ein Kolonialdenken nachgerade wilhelminischer Art zu etablieren, rapide sinkt?“ „Das mag in einigen Fällen zu Konflikten führen, aber Sie sollten es nicht überbewerten.“ „Weil die kriegerischen Aktivitäten, wie ich sie umgangssprachlich nennen möchte, längst eine Doktrin zur ökonomischen Interessensicherung der Westalliierten stützt?“ „Es geht doch nicht um Interessensicherung. Nur um Sicherheitsinteressen.“

„Der Bedarf an Rohstoffen steigt eben.“ „Vor allem hat unser Verteidigungsminister betont, dass der Rohstoffbedarf der aufstrebenden Mächte in Zukunft ansteigen wird. Der Mann ist lebensmüde.“ „Weil die Bundeswehr jetzt schon Probleme mit der Truppenstärke hat?“ „Weil er Indien und China den Krieg erklärt. Wer so etwas von sich gibt, sollte in der geschlossenen Abteilung hocken, aber nicht im Kabinett.“ „Aber er greift doch China gar nicht an.“ „Sie haben den Streit um die Seltenen Erden schon gut verdrängt?“ „China hat die Ausfuhr von Erzen blockiert.“ „Zwanzig Prozent der relevanten Erze, die richtige Versorgungslücke entstand durch die amerikanischen Konzerne, die die Lager im eigenen Land lieber nicht abbauen, weil das zu wenig Profil bedeuten würde.“ „Das würde doch heißen, dass er ohne Wehrpflichtige in den Wirtschaftskrieg zieht? Sind Sie so naiv?“ „Sind Sie so naiv? Haben Sie nie an eine Berufsarmee gedacht? Ein Söldnerheer haben Sie auch nie in Erwägung gezogen?“ „Das kann man in einer Demokratie nicht machen!“ „Es wird unsere Freunde in den USA freuen, wie Sie über staatsrechtliche Fragen denken.“

„Drehen wir das doch mal um. Wir können nicht eine Auseinandersetzung, die wir als notwendig ansehen…“ „Notwendiger Krieg – das scheint das neue bellum iustum zu sein, wenn ich mich nicht täusche?“ „Es ist doch aber nur eine Maßnahme, die den Weltfrieden…“ „Und das dürfen wir umgangssprachlich mit ministerieller Billigung als Krieg bezeichnen, was? Entweder lügt der Mann, oder er ist ein Feigling.“ „Sollten das die strategischen Interessen sein, die er angesprochen hat?“ „Jedenfalls haben sie keinen Angriffskrieg vorbereitet, sie sind ins Kanonenboot gehüpft, als es schon auf See war. Die Verfassung macht sich daran, Interventionsarmee für den Kolonialclub zu werden. Die reichen, christlichen Länder zeigen es den Rohstoffproduzenten.“ „Das klingt ja wie ein Kreuzzug.“ „Und so ist es gemeint: Deus lo vult.“ „Da es sich hier um die Stellvertreter der christlichen Idee handelt…“ „… kann man von einem Stellvertreterkrieg reden. Ganz richtig.“

„Diese Kreuzzugs-Metaphorik in allen Ehren, es mag da etwas dran sein, aber ich finde es etwas übertrieben.“ „Durchaus nicht. Die historischen Parallelen sind frappierend. Ein von langer Hand geplanter machtpolitischer Coup, um vom Versagen der bisherigen Regierungsarbeit abzulenken, alle westlichen Kräfte militärisch unter einer Ordre zu sammeln und sie zur Stabilisierung in einen Krieg zu schicken, gegen den Feind, den man methodisch zu einem Popanz aufgebaut hat, den man auf der einen Seite als ultrabrutalen, bis an die Zähne bewaffneten Gegner darstellt, jederzeit bereit und in der Lage, das christliche Abendland auszuradieren, und auf der anderen Seite als leicht zu besiegendes Häufchen, das man mit ein paar mies ausgerüsteten Landsern in die Knie zwingt. Mit singendem, klingendem Spiel, für Volk, Vaterland und DAX. Sie dürfen sich aussuchen, ob Sie Guttenberg für größenwahnsinnig halten oder für einen Deppen.“

„Natürlich ist die Lage nicht einfach. Sie wissen doch auch, dass der internationale Terrorismus die finanziellen Mittel aus solchen Operationen holt.“ „Sie meinen also, die islamistischen Organisationen bekämen Prozente, wenn Brasilien die Ausfuhr von Neodym stoppt?“ „Nein, aber…“ „Oder wollen Sie mir damit erklären, China gehöre neuerdings zum islamischen Kulturkreis?“ „Man muss sich doch zur Wehr setzen, es sind doch regelrecht faschistische Zustände dort!“ „Meinten Sie Dubai oder Saudi-Arabien?“ „Man kann doch ein System, das seine Politik mit religiösen Vorstellungen begründet, nur vollkommen ablehnen! Und diese religiösen Vorstellungen am besten gleich mit!“ „Sie meinten sicher den Ablass und den nie welkenden Ruhm im Himmelreich, ja? Oder verwechsle ich es mit dem Papst, dem Oberhaupt des Bundespräsidenten, der zur Vereinfachung der Hausordnung die Vorhölle abgeschafft hat? Übrigens an Führers Geburtstag.“ „Das ist pure Polemik! Sie werden nicht erwarten, dass wir uns an religiösen Vorstellungen abarbeiten wie der Islam!“ „Sicher nicht. Mit Feindesliebe kommen Sie nun mal nicht an Rohöl.“ „Sie vergessen, dass das christliche Abendland mit der Demokratie über die Errungenschaft verfügt, die…“ „…der christlichen Obrigkeit in jahrhundertelanger Mühe abgetrotzt wurde. Das nennen Sie christliche Leitkultur? Die Schnapsbrenner haben die uns die Abstinenz gebracht – unfassbar!“ „Wollen Sie etwa behaupten, es gäbe einen Zusammenhang zwischen der Bezugnahme auf christliche Werte und den Abbau der Demokratie in Deutschland?“ „Sicher nicht. Aber Guttenberg löst das Problem mit Fachkräftemangel und Migranten sicher auch militärisch. Wo doch Bildung ja inzwischen als Rohstoff verteidigt werden muss.“

„Wenn dem Bundesverteidigungsminister die Soldaten so wenig bedeuten, warum führt er dann eine Sonderstufe der Verdienstmedaille ein? Doch sicher nicht, um der Truppe seine Geringschätzung zu demonstrieren, wie Sie das andeuten.“ „Das Stückchen Blech stiftet der Ölprinz, um seine Rolle als künftiger König und Kriegsherr schon mal in der Öffentlichkeit auszuprobieren. In Kriegszeiten pappt Ihnen die Kanzlerin das Bonbon an – er macht es im umgangssprachlichen Frieden eben in Vertretung seiner selbst als kommender Kanzler. Der fürstliche Heerführer, der Herr in Krieg und Frieden, bereitet Deutschland auf eine neue Zeit jenseits der Demokratie vor.“ „Dann hat Köhler die Wahrheit gesagt.“ „Er wird einen Orden dafür bekommen. Den Pour le Profit am Bande.“ „Alles nur taktische Vorarbeit für eine bundespolitische Karriere…“ „… als Karl-Theodor der Große.“ „Dann stimmt es. Deutsche Soldaten fallen für einen Scheißdreck.“


Aktionen

Information

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..




%d Bloggern gefällt das: