Nicht mehr und nicht weniger

17 11 2010

„Jeder Deutsche muss ab sofort…“ „Langweilig!“ „Lassen Sie mich doch ausreden! Ich meine natürlich, dass die…“ „Sie sollen aber nicht mal eben meinen, Meinung ist out. Forderungen!“ „Was stellen Sie sich denn vor, Lenzmann – es ist doch alles schon längst abgearbeitet. Fertig. Aus. Da muss man doch nichts mehr machen.“ „Sagen Sie mal, haben Sie nicht zugehört? Wir sollen hier einen astreinen Forderungskatalog erarbeiten, den wir in Presse und Öffentlichkeit vorstellen können. Also los!“

„Man könnte die Autofahrer nehmen.“ „Das ist ja fast wieder zu generell. Radfahrer sind doch eine bessere Zielgruppe.“ „Aber da sind auch wieder nur die durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer drin, wir müssten etwas haben, was polarisiert.“ „Mofas?“ „Nein, warten Sie: Motorradfahrer!“ „Gut, Peters! Und dann wie weiter?“ „Wir fordern Helmpflicht beim Linksabbiegen.“ „Genial!“ „Ja, aber…“ „Superklasse, Peters!“ „Mensch, toll!“ „Aber warum denn beim Linksabbiegen?“ „Grotewöhler, Sie wirken etwas überfordert – können Sie dem Auftrag nicht mehr folgen?“ „Doch, Chef. Wir sollen die öffentlichen Forderungen maximieren. Oder irgendwie so.“ „Oder irgendwie so, ja. Jetzt merken Sie sich das: unsere Agentur liefert PR-Material für die ausbaufähige Politkarriere. Wer im Gespräch bleiben will, der muss die Agenda beherrschen. Die Stammtische. Dafür braucht man populäre Ansichten. Oder populistische, je nach Perspektive.“ „Aber das mit der Helmpflicht, das ist doch totaler Blödsinn – auf dem Motorrad muss man doch sowieso einen Helm tragen, da braucht man das mit dem Abbiegen doch nicht eigens zu…“ „Mann, Sie sind aber auch schwer von Begriff. Lenzmann, wollen Sie es ihm erklären?“ „Gerne, Chef. – Also wir haben eine rechtlich unstrittige Frage, Helmpflicht, und nehmen uns einen Teil aus der Sache raus. Natürlich gilt hier die Helmpflicht auch. Deshalb ist die Forderung voll durchsetzbar. Und sie kostet uns nichts. Und wir können im nächsten Wahlkampf sagen: wir haben uns im Straßenverkehr als Experten gezeigt und durch unermüdliches Engagement für mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gesorgt. Nicht mehr und nicht weniger. Beweisen Sie mal das Gegenteil!“

„Trotzdem bleibt das Unsinn.“ „Das mag alles sein, Grotewöhler. Nur vergessen Sie bitte nie, dass der durchschnittliche Wähler den Intellekt eines Pudels hat und nur die Hälfte mitkriegt. Und dann können Sie immer darauf hoffen, dass genug Leute Vorurteile gegen Motorradrocker haben.“ „Oh… das klappt aber doch sicher nicht überall, oder?“ „Haben Sie eine Ahnung!“

„Also weiter. Was haben wir noch?“ „Nährwert-Tabellen auf Vollmilchschokolade.“ „Aber das ist doch nichts anderes als auf…“ „Grotewöhler!“ „Ja, ich bin ja schon still.“ „Volle Mehrwertsteuer auf Pfeifentabak.“ „War doch immer schon.“ „Klingt aber ganz hübsch, weil man damit die Reichen aufs Korn nimmt.“ „Keine Steuerermäßigung auf Pelze ab 25.000 Euro.“ „Donnerwetter, Sie können das aber, Peters!“ „Kein Einfuhrzoll für Schnittlauch.“ „Das halte ich dann doch für etwas übertrieben.“ „Wieso? Weil man den nicht einführen muss?“ „Weil es noch nie Einfuhrzoll auf Gartenkräuter gab.“ „Ja, aber doch nur deshalb, weil man die nicht einführen muss.“

„Gut, das ist schon mal etwas zum Aufwärmen. Aber der richtige Burner fehlt hier noch. Lassen Sie sich mal was Cooles einfallen!“ „Aquariumspflicht für Zierfische?“ „Zu harmlos.“ „Unterschätzen Sie mir den Tierschutz nicht, Lenzmann.“ „Bußgelder auch über Online-Banking zahlbar machen.“ „Das ist ja keine große Neuerung.“ „Gültigkeit des Seevölkerrechts außerhalb des Festlandssockels.“ „Hm. Naja.“ „Könnte man eher für Seehandelsrecht andenken, oder für Schiffe mit mehr als zwei Mann Besatzung.“ „Hm. Weiß nicht. Grotewöhler, haben Sie einen Vorschlag?“ „Äääh… Verkaufsverbot für Feuerwerkskörper außerhalb der erlaubten Zeiten?“ „Das poppt ja mal so gar nicht.“ „Nee, flasht null.“ „Sie hören es, Grotewöhler. Optimierungsbedarf.“

„Kein Nachtfahrverbot für Personenkraftwagen mit mehr als einem, aber weniger als drei Fahrgästen.“ „Klasse!“ „Bin ich sofort dabei!“ „Überhaupt diese Verkehrsthemen, da müssen wir schwerpunktmäßig rangehen.“ „Aber auch Arbeit und Wirtschaft.“ „Kündigungsschutz nur bei einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis.“ „Das ist gut.“ „Beschränkung des Mietspiegels auf die kommunale Ebene.“ „Bestattungsrechtliche Gleichstellung der Lebenspartner in allen deutschen Bundesländern.“ „Sie sind wohl vom wilden Mann umzingelt? Das kriegen Sie doch nie durch!“ „Entspricht aber dem Grundgesetz.“ „Egal.“ „Aufhebung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen.“ „Das ist so eine Nazi-Sache, wie?“ „Ja, warum?“ „Das kriegen Sie bei der FDP erst recht nicht durch.“

„Tetanus-Auffrischung nach zehn Jahren.“ „Verfassungsgerichtliche Prüfung der Bundestagswahl 2005 zur Vermeidung eines negativen Stimmgewichtes.“ „Gültigkeit der Straßenbildfreiheit auch für digitale Lichtbilder.“ „Das dürfte wohl reichen. Das ist es.“ „Damit dürften die Parteiveranstaltungen für Westerwelle keine unlösbare Aufgabe mehr sein, der Mann hat Munition.“ „Endlich!“ „Gut, dann lassen Sie uns mal weitermachen. Was liegt an?“ „So eine Type aus der CDU. Fischer.“ „Hm. Keine Ahnung. Was meinen Sie, irgendwas mit Internet?“