
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Das Kind hat es verhältnismäßig leicht. Es verbringt den Vormittag in angenehmer Atmosphäre beim Klingeltonherunterladen, auf dem Raucherhof oder gleich Pädagogen schonend im Stadtpark, panzert sich eine Portion Separatorenfleisch in die Figur und döst vor der Spielkonsole dem Abend entgegen, wenn die Haushaltsführung abrückt, um selbst die Schule zu betreten. Die Suppe auslöffeln sollen die, die das Blag unvorsichtigerweise in die Welt gesetzt haben. Es ist Elternabend.
Größtenteils paarig gemischtes Publikum in herkömmlicher Wuchshöhe trifft sich zum rituellen Fest der Selbsterniedrigung, und da das wörtlich gemeint ist, falten sich Bausparer im Schlichtpulli neben Zahnwälten im Kaschmirsakko auf XXS-Stühlchen zusammen, bis der Meniskus röhrt. Zehn Masochisten treffen zehn Sadisten, die Spielregeln standen lange fest, bevor einer der anwesenden Akteure die Bildfläche mit seiner langweiligen Existenz entnervt hatte. Es geht nicht um Schule, Erziehung, Bildung, es geht um alles, aber nicht um Kinder, schon gar nicht um die, die tagsüber der Versetzung entgegenschnarchen in diesem Reservat der unangenehmen Körpergerüche, wo noch die Ausdünstung des letzten Jahrhunderts aus dem Bröckelputz keucht. Hier sind Erwachsene ganz unter sich. Wenngleich sie sich nicht unbedingt auch dementsprechend verhalten.
Allerdings beruht das auf Gegenseitigkeit. Der Auftrieb der Genspender hat nichts mehr gemein mit dem ursprünglich angedachten pädagogischen Partizipationsschmonzes, er gleicht inzwischen einer Aktionärshauptversammlung mit Powerpoint-Präsentationen und haufenweise Overhead-Folien über die Performance der Blagen: Justin notiert fest, Frühenglisch zieht an, während die Mathe-Werte in diesem Quartal stagnieren, dafür kann Anne-Sophie schon ganz toll ihren Namen tanzen. Demnächst werden sie die Corporate Identity der Penne auf einem Motivationsseminar kommunizieren und den Biestern Benchmarks verpassen, börsentaugliche. Leistung und Anspruch klaffen jäh auseinander, komplett verstrahlte Lehrerinnen reflektieren tapfer völlig irrelevantes Anstaltsgeschehen, das weder wichtig noch schmerzfrei zu ertragen wäre. Möglicherweise sind die ganzen Rotzlöffel inzwischen sowieso schon alle hochbegabt, stopfen sich anorganische Materialien nur noch aus Protest gehen die strukturelle Verschleierung der Heteronormativität in die kariesverseuchten Plärröffnungen und freuen sich auf den Tag, da sie die narzisstischen Gehstörungen mit der Waffe in der Hand auf die Gesellschaft trampeln können. Denn um Bildung ging es ja kaum.
Sollte es aber. Die Altlasten der Großbaustelle namens Schule klömpern auf Erziehungsberechtigte ein, die längst abgeschaltet haben und sich nur noch ärgern, in welche Mischpoke man sie verfrachtet hat. Was aus diesem verschwiemelten Ansatz von Gesellschaft soll daran witzig sein, wenn Ökos, Kapitalistenschweine und Hipster sich mit dem freundlichen Neonazi von nebenan über die Kost auf dem Wandertag zanken müssen? Cola sei ein freundlichen Gruß in Richtung Satanismus, gibt der Moppel aus dem Frauenbuchladen zu Protokoll, während die erfolgreich geschiedene Kreative eh nur Holunderlimo als adäquat ansieht – was diverse Migrationshintergründe aus einer Scheibe Schinken machen können, ähnelt bei flüchtigem Hinsehen bereits dem Spanischen Erbfolgekrieg. Auf Gedeih und Verderb ist man zusammengeschweißt, obwohl man sich im wirklichen Leben meist aus dem Weg gehen würde – wo nicht ohnedies Homogenität herrscht, weil der Mietspiegel längst die untere Mittelschicht an den Rand gedrängt hat und sich keine Sorgen mehr macht, wenn das Schulessen bei drei veganen Gerichten zur Auswahl aus dem Budget kippt, weil die elenden Bastarde ohne eine korrekte Verwesung in Sahne-Glutamat-Emulgator keine Pause überstehen könnten, ohne die ganze Hütte zusammenzuschreien.
Und so führen die Beknackten lustvoll ihre Stellvertreterkriege, Mann gegen Mann. Während der eine Sohn tolle Lateinnoten bekommt, hat der andere aus reinem Interesse den Gasthörerschein in Festkörperphysik – beides Gejodel infantiler Papas, um aus dem lästigen Stuhlkreis wenigstens etwas Personality-Show zu machen, auch wenn es wieder keine Sau interessieren dürfte. Das glutenfreie Dinkelgebäck, das die Bambinos zur Belohnung nach dem repressionsfreien Nasenflötenunterricht mitbekommen, verstärkt den Eindruck permanenter Fassadenbildung; was die Kids mit dem Schmadder machen (Fußball, Weitwurf, Tauben vergiften), entzieht sich im Regelfall der elterlichen Kenntnis und soll es auch, denn sie bemerken recht schnell, dass die Großen irgendwie nicht alle Latten am Zaun haben können. Möglicherweise sind die sogar ein bisschen glücklich, wie sie so kauern auf ihren Möbelchen, adulte Streber, absolut unfähig, den Ernst des Lebens auch da wahrzunehmen, wo er wirklich einmal lauert. Sie merken es an Söhnen und Töchtern, wie sie ins offene Messer der Peinlichkeit laufen, man lässt sie die Erniedrigung spüren. Und Kinder können so grausam sein.
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