Survival

23 11 2010

„Jetzt malen Sie doch nicht gleich den Teufel an die Wand! Wo ein Problem ist, da ist auch eine Lösung – und es ist gut, dass Sie sich um Hilfe bemühen. Es wird vielleicht nicht ganz einfach, aber wenn wir gemeinsam…“ „Da dürfte ja das Problem liegen. Es ist nicht viel mit Gemeinsamkeit.“ „Sie wollen doch aus der Depression heraus?“ „Ja klar, aber das geht nicht gemeinsam.“ „Wie soll ich das verstehen?“ „Wir wissen ja schon, wie es gehen könnte. Aber es ist so gut wie unmöglich… Sie verstehen?“ „Nicht im Geringsten.“ „Er wird das nicht mitmachen.“ „Wer wird was nicht mitmachen?“ „Westerwelle. Wir können als FDP machen, was wir wollen, es ist egal, und es ist auch nicht das Problem, denn wir wissen sehr wohl, was gut ist für uns – es ist das Problem, dass… also Westerwelle.“ „Na, das nenne ich mal eine Selbsterkenntnis. Die FDP definiert ihr Problembewusstsein, indem sie weiß, wer ihr Parteivorsitzender ist.“

„Meinen Sie denn, Sie werden uns irgendwie helfen können?“ „Woran hatten Sie gedacht?“ „Es muss schon durchgreifend sein. Eine grundlegende Maßnahme. Also radikal – richtig eine Art Schock für die Öffentlichkeit, gerade für die Öffentlichkeit. Der Wähler muss ganz klar erkennen: die Liberalen sind wieder da, wir machen eine Politik für die ganze Bundesrepublik, jetzt packen wir Probleme an und…“ „Hatten Sie eher an eine inhaltliche Neuausrichtung gedacht oder könnten Sie sich auch mit dem Gedanken an einen personellen Neubeginn anfreunden?“ „Wo genau wäre der Unterschied?“ „Im letzteren Falle gäbe es Milliardenumsätze bei Schaumwein und Konfetti.“

„Wir hatten ein neues Vorgehen beschlossen im Zusammenhang mit Steuersenkungen.“ „Ach, das schon wieder. Wie weit sind Sie gekommen?“ „Es ist noch nichts passiert.“ „Wundert mich nicht.“ „Dass wir noch kein Konzept haben für eine neue Steuergerechtigkeit, die…“ „Dass die FDP noch immer über Steuersenkungen herumlamentiert, dass sie völlig planlos Beschlüsse fasst und verwirft und dass sie nichts auf die Reihe kriegt.“ „Wir haben uns jetzt immerhin ganz klar positioniert.“ „Aha. Wenn ich erfahren dürfte, wo und wie?“ „Wir sind für die Senkung der Steuern, damit der Mittelstand entlastet wird.“ „Warum machen Sie dann das Gegenteil?“ „Warum denn das Gegenteil?“ „Die Krankenversicherung wird teurer, die Pflege bald auch, die Zigaretten werden teurer, damit das Fliegen nicht so teuer wird, und deshalb wird auch das Fliegen teurer – das soll die Entlastung des Mittelstandes sein?“ „Wir müssen die Entlastung des Mittelstandes eben dafür nutzen können, dass wir die Versicherungskonzerne besser finanzieren können. Die Aktionäre sind auch nur Menschen, oder sehe ich das falsch?“ „Wie die Hoteliers?“ „Was haben die mit den aktuellen Steuerplänen der FDP zu tun?“ „Sie wollen lieber die Gewerbesteuer abschaffen, das hat auch nichts mit den mittleren Einkommen zu tun, nur mit den Großkonzernen, und wenn dann die Kommunen pleite sind, holen sie es sich bei den mittleren Einkommen wieder.“ „Da sehen Sie mal, dass wir uns zum mitfühlenden Liberalismus bekennen: die Arbeitslosen gehen wir schon gar nicht mehr an.“

„Wir hatten eventuell daran gedacht, jetzt gar nichts mehr zu machen.“ „Also so wie immer?“ „Nur vorübergehend. Nichts mehr entscheiden, keine neuen Steuerpläne, keine Aussagen über den Koalitionspartner, und nach Möglichkeit die großen Themen verschieben auf unbestimmte Zeit.“ „Ja, das wird bestimmt ganz neu sein für die Leute. Das wird ihn an die Zeit vor der NRW-Wahl erinnern, da fühlt er sich ernst genommen und reagiert sicher mit überschäumendem Enthusiasmus.“ „Wir haben uns im Mai ja auch behauptet, das war eine großer Sieg für uns als FDP!“ „Ach…“ „Und dann wollten wir vielleicht über die Weihnachtsfeiertage erstmal in Klausur gehen, und danach eine Anzeige, doppelseitig, Hochglanz, mit Guido Westerwelle und Birgit Homburger.“ „Die Brandsätze auf Ihre Geschäftsstellen zählen Sie dann aber selbst?“

„Meinen Sie denn, dass Sie es irgendwie schaffen, die FDP wieder in die Schlagzeilen zu bringen?“ „Das Problem dürfte eher sein, dass sie bisher nicht aus den Schlagzeilen herauskam.“ „Aber das muss doch gehen. Sie kennen doch sicher einen PR-Fachmann, der das organisieren kann.“ „Sie denken ernsthaft, das hier sei in erster Linie ein Kommunikationsproblem, das man mit Reklame hinbiegen könnte?“ „Sollen wir mitten in der Legislatur noch anfangen, ein neues Programm zu erfinden?“ „Sie könnten sich mit Liberalismus befassen. Mit Bildung, sozialer Gerechtigkeit, Bürgerrechten und dem Abbau mittelalterlicher Berufsschranken.“ „Das wird die Wähler aber ganz schön irritieren.“ „Warum? Schließlich hatten Sie das in Ihrem Wahlprogramm versprochen.“ „Eben.“

„Also jetzt sagen Sie schon: was sollen wir machen? Das Guidomobil wieder rausholen? Einen Gleichschaltungsparteitag wie in der CDU? Noch mehr Aufschwungspropaganda mit Brüderle?“ „Sie wollen eine ernsthafte Antwort? Für Ihre Partei, die im Herbst der Entscheidungen weniger hinkriegt als eine halbe Legislaturperiode Aussitzen unter Kohl? Mit dieser FDP, die nicht viel mehr darstellen kann als die Salatbeilage neben Westerwelle?“ „Jetzt sagen Sie schon!“ „Das wird ein langer, harter Weg, und ich bin mir nicht sicher, ob es bis 2013…“ „Wieso 2013? Wir brauchen einen Durchbruch bis zum nächsten März!“ „Dann habe ich die Lösung.“ „Los, her damit! Sagen Sie schon – spannen Sie mich doch nicht auf die Folter!“ „Erschießen Sie Westerwelle. Das kann gar nicht schiefgehen.“