Gernulf Olzheimer kommentiert (LXXXIV): Adel

26 11 2010
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Jede Gesellschaftsordnung, und sei sie noch so nebensächlich wie das Konglomerat aus Feudalstaat und Sklavenhaltergesellschaft, das die aktuelle Demokratur hervorgebracht hat, muss sich im stillen Kämmerlein eingestehen, dass die Menschen größtenteils gleich sind; zwar haben einige von ihnen Qualitäten, die leichter erkannt werden können – sie sind dümmer, dicker, hässlicher und fallen durch eine Penetranz auf, die zwingend nach Materialkaltverformung im Gesichtsschädelbereich ruft – doch im Grunde ihres Wesens sind diese Hominiden überall gleich unerträglich und eine Landplage, die nicht einmal durch Zivilisation einzudämmen wäre. Und doch spielen einige von ihnen nicht mit, nicht aus Mutwillen oder Lust an der Gefahr, sondern aus reiner Gewohnheit. Dass die Gesellschaft sie gewähren lässt, die Adligen, ist schon ein Ärgernis für sich, vor allem da, wo es sich nicht um Tugendnobilität, Leistungselite oder die intellektuelle Oberschicht handelt.

Die erste Welle des Adels beruht auf Rittertum, und das war mitnichten die edle Gesinnung, die Herrschaft des Kaisers mit Blut und Eisen gegen unrechtmäßige Angreifer zu verteidigen. Sie waren seit jeher die Mafia der Gesellschaft, verlogen und Recht missachtend, sonst wären sie kaum so schnell an Grundbesitz gekommen, hätten nicht fahrendes Gut am Rande der Handelsadern abgeschöpft – zeitgenössische Termini der juristischen Würdigung wären „Bandenkriminalität“ oder „Raubmord“ – oder Witwen und Waisen, statt sie glaubensfest und gottgefällig zu beschützen vor dem altbösen Feind, schikaniert und ausgeplündert, dass es seine Art hatte. Pilger und Prälat, Bauers- und Bettelmann ließen ihre Taler im Säckel der Ganoven, die sich geräumige Burgen in die Landschaft klotzten. Kein Wunder, dass der Adel Stammsitze in bester Lage sein Eigen nennt, weshalb er im zunehmenden Verstädterungsprozess auch ansehnliche Adressen auf die Visitenkarten pinseln konnte; hört sich doch für ein bürgerliches Fräulein im heiratsfähigen Alter Kevin von Bröselfels viel potenter an als beispielsweise Jupp Müller.

Die zweite Welle nutzte bereits das Renommee der ersten. Nun kannte keine der Fachkräfte des ausgehenden Mittelalters die Ritterburgen aus eigener Anschauung, das Propagandageschwalle machte aus den begehbaren Bedürfnisanstalten mit fließend Wasser von den Innenwänden heroische Trutztempel der protominimalistischen Lebensart, angefüllt mit Fräuleins und Minnesängern, kühnem Reiterspiel und abendlichem Festgelage. Und so pochte der Ministeriale, der Bürokrat der Staufer und Welfen, statt Gehaltserhöhung und Sozialabgaben zu fordern, auf eine Erhöhung in den Adelsstand, um sich gleichfalls Üffes von Schälsick zu nennen, niedere Nobilität, die doch die Verpflichtung zum Kriegsdienst endlich von der Backe hatten, und das war der eigentliche Sinn: die anderen durften die Rübe hinhalten.

Genau so sieht es bis heute aus. Die Adelshäuser verfügen über nicht unerheblichen Grundbesitz, der selten gepfändet, versetzt oder mit Hypotheken bepflastert ward, wenngleich es mehr als einmal nötig gewesen wäre, und sie diktieren in höheren Höhen als Monarchen diverse Staaten. Noch im Absolutismus schwiemelten sich die Russen als Nachzügler der europäischen Systeme einen Adels-Ordo zurecht, der die Bodenpertinenz mitsamt Leibeigenschaft zementierte – die Ungleichheit des Volkes also festschrieb. Doch um welchen Preis?

Außer fürs Bettamüsement taugte der Plebs der Aristokratie ohnehin zu nichts, ihre evolutionäre Testreihe setzten sie untereinander fort. So paarte sich die Noblesse mit ihresgleichen, nota bene: aus politischen Gründen meist kastenweise hoher oder niederer Adel, protestantischer oder katholischer, vornapoleonischer oder nachnapoleonischer. Die Folgen sind ersichtlich, die erlauchten Herren leiden inzuchtbedingt unter hereditärer Hämophilie oder sind schlicht kognitiv naturbelassene Burschis mit der Zutatenliste für einen Dachschaden im Marschgepäck. Ob Foffi Ernst oder Gloria August macht, wir können auf den Adel verzichten.

Dennoch gibt es wohl genügend Brezelbieger, die den aufwendigen Namen mit den verklemmten Präpositionen nachseufzen, wo sie können – der anstrengungslose Wohlstand der Märchenwelt ist scheint’s noch attraktiver als der wenigstens durch Erwerbsarbeit finanzierte Lebensstil der Filmdiven, die fiskalisch inzwischen interessanter sein dürften als der heruntergekommene Brief- und Schwertadel mit anderthalb Morgen Wind ums Haus. Allein die Vorstellung, dass sich hinter einem Briefzusteller der legitime Nachfahre eines Polizisten aus dem 14. Jahrhundert verbirgt, fasziniert die Mehlmützen über Gebühr. Bis heute ist der Aristokrat in den Berufen zu finden, in denen er das bisschen Birne nicht groß gebrauchen muss, er lernt Diplomat und Offizier, wird Prälat oder Prolet, und wenn er zu gar nichts taugt, fernab jeglicher Eignung, sinnvoll wie rosa Schleifchen um den Müllsack, dann entsorgt man ihn da, wo er der Familie keine Schande mehr macht, wenn er über die eigenen Füße stolpert: im Ministeramt. Welch ein Traum für die Bekloppten.