„Was haben Sie denn da, Fitzner? Die kenne ich doch – Deutsche Mark? Woher sind die denn?“ „Notreserven.“ „Wie, Reserven? Ich dachte, die Mark sei endgültig weg vom Fenster? Nur noch der Euro?“ „Wird sich zeigen. Wir brauchen jedenfalls etwas in der Hinterhand, wenn die Regierung in Brüssel schlappmacht.“
„Wollten die nicht erstmal alles sparen?“ „Das ist ja der Fehler, dass sie es nicht kapieren: die deutsche Sparwut hat die Krise vorangetrieben. Die Lohnentwicklung hat dem Euro fast das Genick gebrochen.“ „Und jetzt ist keiner mehr da?“ „So ähnlich. Das heißt, es gibt noch Euros, aber die werden von Merkel in die Banken gesteckt.“ „Dann hätte man sie auch gleich verheizen können.“ „Na, das wäre zu einfach.“ „Technische Gründe, nehme ich an?“ „Nein, Merkel hat die Zusammenhänge mal wieder nicht verstanden.“ „Aha, begreife. Sie tun alles, um den Euro wenigstens vordergründig zu retten…“ „… und sträuben sich hintenrum um die gemeinsamen Staatsanleihen herum, weil das die konservativen Kräfte mit Abwanderung strafen.“ „Sie macht also die typische Europapolitik nach Merkel-Rezept: was für die CDU gut ist, kann für Europa nicht schlecht sein.“ „Richtig. Und aus dieser rhetorischen Luftpumpennummer kommt eine der größten Krisen seit Menschengedenken. Sie will keinen größeren Rettungsschirm, sie will keine Bonds, sie will aber auch keine Risikobeteiligung der Banken.“ „Zumindest den Part lässt sie von ihrem Versicherungsbeauftragten erledigen.“ „Westerwelle? Der Mann ist doch genauso eine Nulpe!“ „Wird keiner bestreiten. Sie hat ja Ackermanns Einkaufszettel zur Bankrettung auch brav abgenickt, ohne zu kapieren, was sie tut.“ „Sie tut’s ja auch wieder – kaum lamentiert die Deutsche Bank, dass man die vielen Privatanleger ja auch entschädigen müsste, schon hüpft sie über das Stöckchen und tut so, als wäre es ihr eigenes Anliegen.“ „Interessant, das hatte ich noch gar nicht gewusst. Angesichts der hündischen Gefolgschaft zu Ackermann bekommt ja ihre Einschätzung als unkreative Teflon-Kanzlette ganz neuen Drall.“
„Aber mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Es geht nicht mehr nur um die Stabilität des Euro.“ „Sondern?“ „Um die innenpolitische Stabilität der EU.“ „Meinen Sie, es gibt bald dieselben Streiks wie in Griechenland in ganz Europa?“ „Nein, aber die Proteste aus Frankreich. Aus Großbritannien. Oder aus Spanien, wenn die Reise so weitergeht.“ „Dafür hat die EU doch die schönen neuen internationalen Eingreiftruppen geschaffen, mit denen man auf ausländische Demonstranten schießen darf.“ „Zu teuer.“ „Und was dann? Irgendeine Waffe muss doch kommen.“ „Schäuble.“
„Schäuble könnte die Destabilisierung vielleicht aufhalten, aber doch nicht rückgängig machen.“ „Wieso denn nicht? Als Innenminister ist der Mann doch erprobt?“ „Aber er zeigt keine Integration bei den rechtskonservativen Kräften am Rand der Union.“ „Dass Schäuble bei der Integration versagt, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung.“ „Lassen Sie die dummen Witze! Mir ist es durchaus Ernst!“ „Mir auch. Und der Kanzlerin auch, sonst hätte sie für diese Aufgabe nicht ausgerechnet Schäuble abgestellt.“ „Weil der rechte Rand der Gesellschaft schadet?“ „Scherzkeks – was interessiert denn die Regierung die Gesellschaft? die Demokratie, die Verfassung? Das geht denen doch meilenweit an der Sitzfläche vorbei. Hauptsache, es macht die Wahlchancen für die Union nicht kaputt.“ „Ach, die neue Partei?“ „Der Dreck unter den rechten Nägeln. Sie werden Stellung beziehen müssen.“
„Aber jetzt mal ohne Scherz, Fitzner. Wir können uns zwar immer noch überlegen, ob wir die Bürgschaften erhöhen oder neue Einsparungen vorschreiben – zu klein, um die Schuldenbremse zu bedienen, aber ausreichend, um die Binnenkonjunktur abzuwürgen – nur das wird bleiben: der Drang zu den Nationalstaaten.“ „Das haben sie eben nicht verstanden, Merkel und die Grobschwätzer. Sie holt zwar schon ein bisschen in Richtung Multikulti-Bashing aus, aber sie weiß auch, dass die vulgären rassistischen Äußerungen in Seehofers Ressort fallen. Sie will weiter moderieren und sich heraushalten, weil sie nichts anderes kann. Und das wird ihr nicht gelingen.“ „Was meinen Sie, wenn jetzt die ganzen rechten Kräfte mit ihrer Islam- und Unterschichtenfeindlichkeit auch in Deutschland produktiv werden, wo wird sie dann stehen?“ „Im Abseits. Mit dem Euro, falls sie ihn bis dahin noch will.“ „Sie meinen: wenn es ihn bis dahin noch gibt?“ „Nein, denn die Frage sollte sich schon jetzt nicht mehr stellen. Sie wird daran scheitern, und ich kann Ihnen da keine Hoffnungen mehr machen. Sie werden die Mark wiedersehen.“
„Merkel wird sich an die Wand moderieren?“ „Sie wird gar nichts mehr tun. Sie wird zusehen, wie die Folgekosten steigen, und sich mit einer lauen Entschuldigung nach der Legislatur in den Orkus der Geschichte zurückziehen.“ „Der Rest fegt dann die Scherben weg.“ „Und für die habe ich die gute alte Deutsche Mark wieder aus dem Keller geholt. Damit werden wir zwar nicht mehr Export-Weltmeister, aber wir haben wieder anständiges Geld. Wir werden den Rechten ein Schnippchen schlagen!“ „Wie das denn? Wollen Sie sich die Wechselkurse ausdenken?“ „Nein, viel besser: die Union führt die Mark wieder ein, und schon werden die Nationalkonservativen eine Hauptforderung fallen lassen müssen. Allerdings um einen hohen Preis. Sehr hoch.“ „Wie hoch? Steht uns eine Inflation ins Haus?“ „Schlimmer. Merkel könnte damit noch mal die Wahl gewinnen.“
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