Heiter bis bedrohlich

25 01 2011

„Gehen Sie davon aus, dass sich nichts verändert hat: Deutschland ist im Fadenkreuz der Terroristen und kann quasi jeden Tag angegriffen werden. Daher haben wir uns entschlossen, die Polizei nun nicht mehr… also nicht mehr so sehr wie vorher, als Deutschland ja noch im Fadenkreuz der Terroristen stand und… jetzt begreifen Sie es doch endlich, es ist schwierig hier, wir sind alle entsetzlich bedroht, da können wir nicht auch noch etwas ändern!

Es ist ja doch so, dass die Terroristen quasi jetzt überall schon sind, weil sie theoretisch auch schon überall sein könnten – theoretisch! Und das müssen Sie auch mal begreifen, sehen Sie? das begreift der Bundesinnenminister schon nicht, wie sollen Sie das dann – verstehen Sie? Wenn es nämlich jetzt so ein mutmaßliches Anschlagsvorhaben gibt, so ein Vorhaben, wo mutmaßlich auch Terroristen daran beteiligt sind, die theoretisch auch einen Anschlag vorhaben könnten, mutmaßlich! und dann auch noch theoretisch! Ich sage Ihnen, das eröffnet ja wieder Möglichkeiten, das eröffnet ja auch wieder theoretische Möglichkeiten für Mutmaßungen über solche Anschläge! Da kann man dann doch nicht von einer einschätzbaren Gefahr sprechen?

Zuerst war es ja auch nur eine Warnung, also eine mutmaßliche Warnung, dass theoretisch bis Ende November etwas passieren könnte. Was da passieren könnte? Das weiß man noch nicht, das kann man theoretisch jetzt nur mutmaßen, weil man ja weiß, was da hätte passieren können – also bis Ende November. Deshalb haben wir ja dann auch ab Dezember die Weihnachtsmärkte alle so gut abgesichert, weil wir theoretisch schon Vorhaben hätten haben können, die dann mutmaßlich nach Ende November hätten passieren können – das muss man sich mal vorstellen! Das wäre ja dann eine mutmaßliche Planvorhabensdurchkreuzung im Dezember, weil die Anschlagsvorhabenspläne, die theoretisch schon im November hätten passieren können, nicht erst im Dezember nicht passiert sind. Da mussten wir doch sofort handeln!

Wir haben ja dann auch sofort gehandelt, als wir Ende November gemutmaßt, nein: gemerkt, wir haben das ja gemerkt, dass wir nichts gemerkt hatten bis Dezember, deshalb mussten wir auf diese Vorhabensgefahr natürlich sofort reagieren und haben überall Präsenz gezeigt. Überall da, wo die Gefährdung theoretisch hätte präsent sein können. Auf Flughäfen, Bahnhöfen und Weihnachtsmärkten. Was lachen Sie, das war ernst gemeint! Also von unserer Seite aus! Das wollen Sie jetzt nur wieder nicht wahrhaben, aber wo man Schweinswurst und Alkohol verkauft, da ist doch der Muslimist nicht weit, und am Ende bringt er noch Islamiker mit!

Ist ja dann auch sehr gut gelaufen. Wir waren da alle sehr präsent, vor allem deshalb, weil wir die Terroristen, die theoretisch ja wohl da gewesen sein dürften, abgeschreckt haben von den mutmaßlichen Anschlagsvorhaben. Die hatten das, was sie da theoretisch hätten tun können, also mutmaßlich gar nicht erst vor – das ist doch ein Erfolg, oder?

Das ist jetzt aber nicht ganz richtig. Ob diese theoretischen Anschlagsvorhaben nun mutmaßlich ausgeblieben sind, weil die Sicherheitsbehörden wegen der vielen Polizeipräsenz gar nichts tun mussten, oder ob die nun nichts getan haben, weil wegen der vielen nur theoretischen Vorhaben ein Anschlag gar nicht passiert ist, das weiß man nicht. Schauen Sie mal, das ist wie mit dem Schirm und dem Regen. Sie wissen nicht, ob es noch regnet, sondern nur, dass Sie einen Schirm haben. Und dann können Sie den mitnehmen oder nicht, und dann regnet es oder es bleibt trocken. Jetzt ist es natürlich so, dass wir Ende November, als von den mutmaßlichen Anschlagsvorhaben noch immer keins wirklich zu einem Anschlag geführt hatte, dass wir da diese Präsenz, die wir ja wegen der Nichtpräsenz der mutmaßlichen Terroristen auch überall zeigen mussten, wegen der theoretischen Gefahr, dass da wirklich gar keine Terroristen da sind, dass wir in dem Fall ja davon ausgehen müssen, dass die da erst recht Anschlagsvorhaben vorhaben, verstehen Sie? Wenn man schon weiß, dass es die vielleicht geben könnte, und man stellt da überall Polizisten hin, und es passiert rein gar nichts, dann muss man doch diese Präsenz auch weiterführen, wenn man sieht, dass man nichts mehr sieht, weil man ja weiß, dass das schon vorher gar nicht da gewesen sein könnte? Mutmaßlich? Da müssen Sie dann doch diese Präsenz, die dann auf den Weihnachtsmärkten überflüssig wird, weil es da keine Weihnachtsmärkte mehr gibt, verstehen Sie, diese Präsenz muss doch da, wenn Sie wissen, dass es diese Bedrohung, die mutmaßlich schon vorher nicht da war, dass die jetzt weg ist, dann müssen Sie doch diese Bedrohung durch die Polizei, nein halt: die Polizeipräsenz gegen die Bedrohungsvorhaben müssen Sie dann doch auch unsichtbar machen, damit dann ein mutmaßlicher Bedrohungsvorhaber sich denkt: jetzt ist die Polizei weg, also nicht mehr präsent, das heißt, präsent ist sie ja immer noch, aber eben nicht mehr so, dass man sie noch sieht, weil sie nicht mehr da ist, und deshalb ist die Bedrohung weg für die Anschlagssvorhaber, die in der Nichtbedrohung jetzt den schleichenden Prozess der Normalisierung sehen und bedrohlich werden, so dass man jederzeit wieder von mutmaßlichen Anschlagsbedrohungen ausgehen können muss, da theoretisch immer wieder Vorhaben geplant werden. Wie mit dem Schirm, wenn Sie den mitnehmen, kann’s gar nicht mehr regnen. Der de Maizière? Ach, der. Wissen Sie, der weiß gar nicht, was Regen ist, deshalb unser guter Rat für alle Bundesbürger: bleiben Sie am besten gleich zu Hause.“