Ein schönes kleines Lädchen hatte Frau Zickler sich da eingerichtet; hübsches Kaffeegeschirr, eine nett drapierte Socke und eine Kettensäge auf rotem Samt schmückten das Schaufenster, darüber klebte im Bogen, von stilisierten Blumen umschnörkelt, der Name: Einfach einfach. Ich öffnete die Tür, und kaum hatte das Glöckchen einmal gebimmelt, da trat schon Ingelore Zickler aus dem Hintergrund. „Haben Sie doch noch hergefunden“, begrüßte sie mich. Ich sah mich um. Das also war eine Geschenkboutique für Alleinstehende.
„Das Konzept ist, wie der Name schon sagt, recht einfach: sie müssen nicht immer alles doppelt und dreifach kaufen, wenn Sie in einem Single-Haushalt leben.“ Das leuchtete mir ein, zumal auf dem Tisch mit den Küchenutensilien ein Eierbecher stand. „Man sieht sofort“, kalauerte ich, „da passt nur ein einziges Ei rein.“ Sie nickte. „Allerdings, das ist der Punkt. Ein Becher für zwei oder mehr Eier wäre sinnlos, und den hat ja auch bisher noch keiner angeboten, wenn ich es richtig sehe.“ Sie räumte einige Kleinigkeiten zusammen auf das Podest. „Schauen Sie, das ist unsere Frühstücks-Kollektion: Teller, Tasse, Untertasse, Teelöffel, Esslöffel, Messer und Gabel und Müslischale. Wobei Sie natürlich das alles auch zusammen im Set erwerben können, dann kommt es auch noch etwas preiswerter.“ Ich stutze. „Aber wenn Sie es nicht mehr einzeln kaufen, ist es dann noch für Singles geeignet?“ „Natürlich“, entgegnete sie, „Sie kaufen ja immer nur ein einziges Set.“
Das Sortiment war reichhaltig. Allerlei bunt verpackte, fest verschweißte und eingedoste Lebensmittel befanden sich neben dem Frühstücks-Zubehör. „Besonders die Milchprodukte werden ja gerne genommen“, teilte die Patronin mit. Ich drehte Schmierkäse und Magerquark um und stellte alles auf den Kopf, aber ich konnte keine besondere Eignung derselben feststellen. „Schauen Sie doch genauer hin, es ist alles ohne Doppelrahmstufe.“ Ich blieb skeptisch. „Das frühstücken also Singles? Lassen Sie mich raten: Mehrkornbrötchen haben Sie auch nicht?“ Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Keinesfalls, aber Einback kann ich Ihnen sehr empfehlen.“ „Einback?“ „Das ist“, sagte sie und hielt mir eine dicke Scheibe Hefebrot unter die Nase, „der Zwieback, wenn er noch kein Zwieback ist.“ Ich betastete das weiche Gebäck. „Vollkorn?“ Zickler nickte. „Allerdings nur eins. Also Vollkorn, aber kein Mehrkornvollkorn.“
Während ich mich noch fragte, ob sie analog zum Zwieback auch Zwiebeln aus dem Sortiment genommen hätte, präsentierte die Inhaberin mir eine Batterie mit den unterschiedlichsten Getränken. Ich staunte. „Sie haben einfach alles! Das ist jetzt der berühmte Einbock?“ Sie strahlte. „Eine ganz neue Sorte – bisher gab es ja vorwiegend Doppelbock, aber unser Bier wird eine Marktlücke schließen, von der die meisten Junggesellen vorher noch nicht einmal wussten, dass es sie gibt.“ Der Schnaps schien dazuzugehören. Allerdings war dem Etikett auf der Flasche nicht genau zu entnehmen, woraus das Zeug nun tatsächlich bestand. „Es handelt sich hier nämlich um einen Einfachkorn.“ „Aber wenn es nun Einfachkorn ist“, fragte ich, „warum heißt der dann nicht einfach Korn?“ Sie blitzte mich an. „Hatten Sie etwa erwartet, dass wir Doppelkorn verkaufen?“ Ich schwieg erschrocken.
Nach einer kurzen Unterhaltung bei den Medikamenten und dem ganzen Rest, der in ein Badezimmer gehört – inklusive einer Hausapotheke mit einzelkohlensaurem Natron gegen den halben Doppelkorn – waren wir glücklich in der kleinen Lifestyle-Ecke neben der Vitrine angekommen, wo ein Fenster an der Wand lehnte. Ich begutachtete den Rahmen. „Sie sind wohl noch nicht ganz fertig mit dem Einzug, nicht wahr?“ Ingelore Zickler lächelte verbindlich. „Das Fenster können Sie kaufen, wenn Sie möchten. Schauen Sie: hier!“ Und sie öffnete und schloss die Scheibe. „Wenn Sie einmal ein einzelnes Doppelfenster austauschen möchten. Als Single lebt man ja gerne stilecht, wenn man es sich leisten kann – besonders, wenn man sich erst an diese neue Lebensform gewöhnt.“ Mit einer leichten Handbewegung wies sie auf die Kettensäge in der Auslage. „So Sie beispielsweise ein Doppelbett in zwei einzelne zerlegen wollen…“
Was würde sie mir als Nächstes empfehlen? Einzeller als Heimtiere? Zickler beschwichtigte mich. „Wo denken Sie hin, unser Angebot ist doch durchaus normal. Nehmen Sie zum Beispiel das touristische Programm – wir haben hier einige Angebote für den anspruchsvollen Single. Möchten Sie einmal schauen?“ Die Prospekte empfahlen mir Urlaub im sonnigen Süden, in unberührter Berglandschaft oder im Betonbilligbunker mit Massengrillstrand. „Selbstredend alles nur im Einzelzimmer. Andere Angebote führen wir gar nicht erst. Und wenn Sie hier einmal bei den Schiffsreisen sehen, auch Kreuzfahrten bieten wir nur in der Einzelkabine an.“ „Und das Besondere?“ Sie zeigte auf das Kleingedruckte. „Sie fahren nicht einmal mit dem Doppelstockwagen!“
Die schwarze Socke im Schaufenster sah durchaus hochwertig und durabel aus; ich bat Ingelore Zickler um eine zweite (da ich ohnehin ein Paar ersetzen musste), doch sie lehnte entschieden ab. „Wo denken Sie hin? Es ist eine Funktionssocke in Einzelausführung, zu zweit würde sie ja für Singles nicht funktionieren. Und außerdem…“ „Außerdem?“ „Außerdem“, berichtete sie atemlos, „hat diese Socke einen Zusatznutzen: man kann sie in der Waschmaschine mitwaschen. Damit haben Sie auf jeden Fall eine positive Wirkung. Bleibt die Socke erhalten, so haben Sie immer noch Ihre Original-Single-Socke. Oder die Maschine frisst diese Socke – dann haben Sie automatisch eine gerade Anzahl von Socken! Das ist in der Tat eine doppelte Doppelfunktion, die…“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Ich kicherte. „Liebe Frau Zickler“, beschied ich der Dame des Kaufhauses, „die Sache scheint mir doch noch nicht so ganz ausgereift. Ich werde auf Sie zurückkommen.“ Und mit einer Verbeugung ging ich aus der Tür. Das Glöckchen bimmelte, ich aber beschloss, jetzt einen Espresso zu trinken. Einen doppelten.
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