05:30 – Die Weckuhr piepst. Sekunden später klappt Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg senkrecht in seiner Bettstatt hoch und ist zu allem bereit.
05:31 – Der Bundesverteidigungsminister marschiert im Gleichschritt durch den Flur und spielt dabei zur Motivation den Fränkischen Füsiliermarsch auf einer Kindertröte (K-T72, taktisch, verlastbar). Auf halbem Weg stolpert er und tritt in Johannes B. Kerner. Der TV-Angestellte war beim Säubern des freiherrlichen Schuhwerks eingeschlafen.
05:44 – Von und zu beiden Seiten sieht es im Spiegel wie ein Pickel aus. Guttenberg erschrickt: hat Westerwelle ihn angesteckt? Er beschließt, die Stelle nicht zu untersuchen, da Ausschuss droht.
06:01 – Guttenbergs Adjutant ist nicht rechtzeitig mit dem Frühstück fertig. Der Minister ist sauer. Weicheier kann er jetzt gar nicht vertragen. Er erwägt, sein Personal auf mögliches Fehlverhalten untersuchen lassen.
06:12 – Der Adelsspross wird sich immer klarer darüber, dass er heute nicht zurücktreten wird, auch wenn ihm der Wind nicht ins Gesicht bläst. Er drückt rasch einem Mitarbeiter seine Papiere in die Hand und beschließt, auf eine objektive Klärung von Detailfragen zu verzichten.
06:34 – Während der Staatsminister schon zu seinem Dienstwagen eilt, ertönt hinter ihm lautes Poltern. Johannes B. Kerner ist mal wieder auf der Ölspur ausgerutscht. Guttenberg macht sich eine kurze Notiz: für den nächsten Pressekontakt wird er Springer-Stiefel einpacken.
07:03 – Der Hauptstadtverkehr ist wieder einmal besonders dicht. Während eines riskanten Überholmanövers streift Fahrer Hajo P. einen anderen Wagen. Guttenberg ist empört, dass ihm jemand am Lack kratzt.
07:13 – Stephanie ruft an. Der Stabsunteroffizier plaudert ein bisschen mit seiner Gattin, die ihm mitteilt, er habe sein Lieblings-AC/DC-T-Shirt zu Hause vergessen.
07:57 – Ankunft vor einem großen Haus mit ganz vielen Fenstern. Der Bundesbaron ist wie immer perfekt informiert. Er weiß ganz genau, dass dies das Verteidigungsministerium sein muss.
08:20 – Das Geschrei lässt nicht nach. Er lärmt herum, bis es den Sicherheitsleuten zu bunt wird: sie lassen Johannes B. Kerner aus dem Kofferraum.
08:32 – Beim flüchtigen Blick in eine Glastür entdeckt Guttenberg, dass möglicherweise seine Frisur verrutscht sein könnte. Unverzüglich diktiert er ein Memorandum und verlangt weitere 1,2 Milliarden Euro für seine Attraktivitätssteigerung.
08:44 – Stephanie ruft an. Die Beistellblondine hat eine supertolle Idee: sie hat ihren Karli zur Bayerischen Meisterschaft im Bierhumpenheben angemeldet und dabei festgestellt, dass der Termin mit den Sicherheitsgesprächen in der iranischen Botschaft kollidiert. Jetzt will sie die Bierfässer mit zu den Iranern nehmen.
09:02 – Es hält sich hartnäckig das Gerücht, vom Schreibtisch des Bundesverteidigungsministers sei eine Büroklammer gefallen. Der Pomadenbaron handelt entschlossen. Mit einem Abzählreim stellt er fest, wer schuld ist, und entlässt Ressortleiter Tilo W.
09:15 – Der Pressereferent reicht eine Anfrage rein, ob das Ministerium den Bundestag über die näheren Todesumstände eines Soldaten am 17. Dezember bewusst unzureichend oder gar falsch informiert habe. Guttenberg widerspricht energisch; eine bessere Live-Berichterstattung sei seinerzeit nicht möglich gewesen, da Johannes B. Kerner an diesem Tag nicht greifbar war.
09:28 – Die Hauspost kommt. Gutti ist höchst erfreut über die Rechnung, die ihm Johannes B. Kerners Sender stellt. Die zu Weihnachten in Afghanistan aufgezeichnete Talkshow kostet den Steuerzahler nur 17.000 Euro. Er beschließt, die Summe aus dem Reptilienfonds zu begleichen und gibt telefonische Anweisung, den Posten Masar-i-Scharif umgehend zu liquidieren, da ihn dies preiswerter komme als eine genaue Untersuchung.
09:50 – Meuterei! Es ist im ganzen Haus kein Würfelzucker aufzutreiben. Der Generalissimus denkt nach, wie die Lage taktisch einzuschätzen ist, erinnert sich blitzschnell, dass er selbst vor einer Woche die Verpflegung zur Chefsache erklärt hatte, und schmeißt Fuhrparkleiter Jens T. raus.
10:07 – Das Telefon klingelt. Diese Zivilistin mit dem Doppelkinn ist dran. Der fränkische Freiherr kommt nicht auf ihren Namen. Macht aber nichts, er hört ihr ja auch nicht zu.
10:32 – Neuerliche Kritik veranlasst den obersten Landser, die Finanzierungspläne der Bundeswehr zu durchleuchten und nachzurechnen, wo sich Einsparpotenziale ausmachen ließen. Ihm fällt auf, dass Bundeswehrangehörige sich des öfteren mit versehentlich abgefeuerten Projektilen töten, und beschließt, den Angehörigen die Kosten für den unsachgemäßen Munitionsverbrauch in Rechnung zu stellen.
10:43 – Die Aufstellung zu den Treibstoffkosten des Afghanistan-Einsatzes ist nicht verfügbar, da ein Fotokopierer defekt ist. Guttenberg warnt vor einer Vorverurteilung.
10:44 – Nach reiflicher Überlegung setzt er den Südamerika-Experten Sandro I. an die frische Luft.
10:59 – Stephanie ruft an. Sie berichtet, dass eine der beiden Töchter eine Zwei in der Mathearbeit geschrieben hat. Karlchen nimmt es zur Kenntnis und beschließt, den Lehrer rauszuwerfen.
11:22 – Der Schneidigkeitsminister studiert die aktuellen Werte des Politiker-Rankings. Nach wie vor ist er das am wenigsten unbeliebte Kabinettsmitglied. Er knöpft die Hose wieder zu.
11:32 – Der Mann mit den zehn Vornamen wird von der Vergangenheit eingeholt. Tatsächlich wird seine aktuelle Inszenierung als Verteidigungsminister von den überaus schlechten Kritiken seines Gastspiels im Wirtschaftsressort verdunkelt. Er beschließt, alle zu feuern, die ihm schaden könnten; sein persönlicher Referent weist ihn darauf hin, dass er dies bei Opel schon umfassend erledigt hat.
11:47 – Immer dieser Ärger mit der Journaille! Der Redakteur eines nicht bei Springer verlegten kommunistischen Hetzblattes weigert sich, Karl-von-und-Theodor-zu als „Deutschlands Heiland, den uns die göttliche Vorsehung geschickt hat“ zu bezeichnen. Der Reserveoffizier denkt angestrengt nach: kann man diesen Schmierfinken zum Teufel jagen? Und würde BILD diese prima Idee von Johannes B. Kerner aufgreifen, der Kalles Monsterpickel für ein Einhorn hielt?
11:57 – Krisentelefonat mit Kai Diekmann. Wie soll man eine politische Qualitätszeitung leiten, wenn nicht ständiger Nachschub an weltbewegenden Fakten herrscht. Guttenberg besinnt sich auf seine unternehmerischen Qualitäten und schafft welche, indem er zwei wissenschaftliche Mitarbeiter aus dem Amt entfernen lässt. Diekmann verspricht, die Nachricht sofort zu veröffentlichen.
12:16 – Diese komische Zivilistin nervt schon wieder am Telefon. Dafür ist sie jetzt aber mal so richtig freundlich, wie es der Guttenberg gerne hat. Sie ist froh, dass ihre Verteidigungsmarionette im Amt bleibt und sich inzwischen ein gutes Dutzend Rücktritte erspart hat – eine tolle Bilanz für das Sparpaket und ein Grund mehr, den Arbeitslosen die Regelsätze zu kürzen.
12:23 – Stephanie ruft an. Sie teilt ihrem Guttilein ganz aufgeregt mit, dass sie sich gerade eben selbst im Fernsehen gesehen hat. Er beruhigt sie. Es war wieder nur eine Barbie-Reklame.
12:48 – Der Aktenkurier hat versehentlich einen Stapel Dioxinuntersuchungen ins falsche Amt gebracht. Um heute auch einmal etwas richtig Produktives zu tun, beschließt der Superminister, auf der Gorch Fock alle Mast-Schweine zu untersagen.
13:02 – Das neue Sturmgewehr für die Infanterie ist da. Die Gesandtschaft des Waffenherstellers ist außerordentlich zufrieden, dass der Minister außerordentlich zufrieden ist. Er weiß, dass nach der Aussetzung der Wehrpflicht keine neuen Waffen mehr nötig sind, und ordert daher nur 125.000 Einheiten. Es wird vereinbart, dass der Stückpreis bis zur endgültigen Auslieferung höchstens dreimal höher sein wird als bei der Vertragsunterzeichnung. Guttenberg macht sich schnell mit der Feuerwaffe vertraut. Er warnt vor einem leichtfertigen Abzug.
13:13 – Der Minister empfängt Angehörige der Truppe. Er hat sich dazu rasch die Uniform des Oberbefehlshabers angezogen: sandfarbene Cordhose, melierter Kaschmir-Rollkragenpullover, Fullbrogues aus ungarischem Pferdeleder. Auf dem rechten Schuh entdeckt er Unregelmäßigkeiten. Er beschließt, Johannes B. Kerner vom Dienst zu suspendieren.
13:20 – Eine kleine Gruppe höherer Offiziere begleitet den Minister in die Kantine, wo sie gemeinsam aus der Feldküche getrüffelte Fasanenbrust an Safran-Risotto und Wolfsbarsch mit Pommes duchesse speisen. Die Frontkämpfer sind geblendet, welchen Eindruck Guttenberg aus seiner offensichtlichen Schlichtheit doch zu machen weiß.
13:45 – Versehentlich bestellt sich Major Ingolf von Sch. und G. eine Portion Karamellpudding. Als Bildungsbürger weiß Guttenberg sofort, dass es sich bei ihm um einen Deserteur handeln muss. Ob es sich hier um geheime Rituale handelt? Er greift entschieden durch und verabschiedet den Major.
14:15 – Stephanie ruft an. Sie hat gerade eine dufte Idee gehabt: für die neue Missbrauchs-Show auf RTL 2, dem intellektuellen Spartensender für spitze Zielgruppen, will sie die Gorch Fock mieten. Diesmal mache Ronald Schill mit. Geplant seien Propaganda für anlasslose Vorratsdatenspeicherung, Sicherungsverwahrung und die Abschaffung der Strafprozessordnung.
14:24 – Guttenberg liest in einem Handschreiben, der Feldwebel Moritz L. sei unehrenhaft entlassen worden. Der Militär hatte das Kabinettsmitglied im Zorn als korrupten Schlappschwanz bezeichnet und war wegen Geheimnisverrats angeklagt worden.
14:26 – Karl-Theodor schließt die Tür ab. Er will jetzt ungestört lesen. Die Feldpost ist da.
16:05 – Der Medienliebling beschließt, vor die Tür zu gehen und sich der aufdringlichen Zuneigung seiner zahllosen Bewunderer zu stellen. Die ekstatische Verehrung seitens der Menschen scheitert daran, dass sie nicht existiert. Der etwas zackig auf dem Gehsteig herumposierende Politiker erscheint als Hindernis im bodennahen Luftraum, etliche Passanten wechseln die Straßenseite. Zwei Touristinnen aus dem Hunsrück sind die einzigen, denen er Autogrammkarten aufdrängen kann. Sie sind bitter enttäuscht; eine von ihnen sagt, Lothar Matthäus sei alt geworden.
16:14 – Stephanie ruft an. Sie probiert gerade ein Shampoo gegen Haarbruch und ängstigt sich bei der Vorstellung, dass ihr Gatte sich die ganze Frisur auf einmal brechen könnte.
16:33 – Der Wehrdienstkiller knipst tief befriedigt seinen Taschenrechner aus: die Einsparungen der Bundeswehrreform werden derart kostspielig, dass der ganze Sozialstaat abgeschafft werden muss. Damit werden die Streitereien mit Westerwelle endgültig begraben sein. Als Zeichen seines guten Willens macht er einen weiteren Abteilungsleiter verantwortlich und zeigt ihm, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat.
16:46 – Schlagartig fällt dem Jungpolitiker wieder ein, dass er heute noch kein richtiges Interview gegeben hat. Er sägt nur eben einen Leutnant ab, dann lässt er nach Johannes B. Kerner schicken.
17:00 – Dem Shooting-Star der Politszene entgleitet unvorhergesehen die Motivation. Das war so nicht geplant. Er entbindet rasch das Reinigungspersonal von seinen Aufgaben, dann geht’s gleich wieder.
17:10 – Der V-Minister wirft einen erschütterten Blick auf die Einladung der Alfred-von-Schlieffen-Kaserne zum Jahrestreffen der Heeresamtsabteilung Rückbildung. Brigadegeneral Ottokar G. lädt ein zu Würstchen mit Kartoffelsalat. Angewidert legt er das Schreiben beiseite; er mutmaßt, dass dies jene Ekelrituale in deutschen Kasernen sind, von denen die Opposition, der Generalinspekteur und andere Defätisten immer reden.
17:29 – Zur Stärkung gibt Guttenberg seinen parlamentarischen Staatssekretären eine Tasse Kaffee aus. Er zahlt seinen Kaffee selbst. Schließlich hat er sich fest vorgenommen, einmal im Quartal nicht auf Kosten seiner Untergebenen zu handeln
17:49 – Nachfrage aus Belgien: die Wutbürger der Frittenfressernation demonstrieren für mehr Regierung. Guttenberg sichert dem EU-Mitarbeiter zu, den Einsatz der Bundeswehr im Innern erst an den Belgiern zu erproben, bevor er Innenminister de Maizière mit theoretischen Einzelfragen nervt.
18:25 – Stephanie ruft an. Sie hat sich den Finger im Internet geklemmt.
18:55 – Zeit für ein kleines Abendessen. Karl-Theodor lässt sich einige Kleinigkeiten aus der Kantine bringen. Er wünscht dem Kellner für den weiteren Lebensweg alles Gute.
19:03 – Versonnen blickt der Hoffnungsträger der bundesdeutschen Haarlackindustrie in den Abendhimmel der Hauptstadt. Er denkt an den letzten Abend mit zwei Truppenkommandanten bei Panzerkeksen und Rotwein. Der Baron hat immer noch einen Schädel – Souvenir aus Kundus.
19:06 – Airbus lässt dem Verteidigungsminister als Dank für die Bestellung von 40 statt 53 Maschinen ein kleines Präsent überreichen: eine mit Blattgold belegte .44 Magnum mit seinem Namenszug in Schönschrift. Da freut sich aber einer!
19:32 – Kurzer telefonischer Bildungsgipfel mit Ursula von der Leyen. Der derzeit beliebteste deutsche Bundesminister für Verteidigung erörtert mit dem Sozialfall des Kabinetts Integrations- und Schulungsmaßnahmen auf frühkindlicher Ebene, um durch einen möglichst kindgerechten Kontakt von sozial unerwünschtem Unterschichtspack und scharfem Gerät Synergieeffekte zu erzielen. Bereits jetzt, so Guttenberg, gehen die Kameraden in spielerischer Weise mit ihrem G36 um, so dass einer Kostensenkung bei den Transferleistungen nichts mehr im Wege stünde. Von der Leyen ist nachhaltig beeindruckt, und diesmal liegt es nicht am Adelstitel des Kabinettskollegen.
20:03 – Während einer internen Ausschusssitzung moniert der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, dass Dienstvorgesetzte innerhalb der Bundeswehr in vielen Fällen den Übergang vom sinnvollen Befehl zur entwürdigenden Schikane nicht kennten. Schläfrig nickt unser Karlchen, er fühlt sich dabei so angenehm an seine ersten Jahre in der CSU erinnert.
21:23 – In der Sitzungspause wird Guttenberg von zwei CDU-Abgeordneten angesprochen, die zur Kostendämpfung der Kreishaushalte wie auch zur Refinanzierung der Sparmaßnahmen nicht mehr benötigte Bestände der Bundeswehr aufkaufen wollen. Man wird sich schnell handelseinig. Um das Geschäft mit guter Provision abzuwickeln, will der Bundesminister zuvor auf einem Ortstermin die Wehrsportgruppe Emsdetten besuchen.
22:07 – Deutschlands bestangezogener Schmalzklumpen verlässt die Sitzung mit einer herben Niederlage: die Opposition wirft ihm vor, den Ausschuss nicht rechtzeitig über einen Todesfall in Afghanistan informiert zu haben. Er beteuert, schon wenige Minuten nach dem Telefonat mit Kundus die BILD-Redaktion in Kenntnis gesetzt zu haben.
22:55 – Müde kehrt der Selbstverteidigungsminister in seine kleine Abgeordnetenwohnung zurück. Im schummerig beleuchteten Flur stolpert er fast über Johannes B. Kerner, der sich beim Säubern des freiherrlichen Schuhwerks mit der Zunge in den Schnürsenkeln verfangen hat. Es besteht kein Anlass zu einer weiteren kritischen Durchleuchtung der Situation. Das letzte Einhorn geht ins Schlafzimmer und sinkt militärisch angemessen auf die Bettstatt. Er schläft alsbald ein – denn die Show muss weitergehen.
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