„Noch mal Fünftausend? Und die dürfen wir dann auch nicht entlassen nach der Auftragsspitze? Doch, das wird schon gehen. Wir unterstützen diese gesetzlichen Regelungen in vollem Umfang, das können Sie uns glauben. Vollkommen. Wir werden uns bereit erklären, die Zeitarbeitskräfte in unserem Unternehmen ab dem vollendeten dritten Monat mit den Festangestellten ganz und gar gleichgestellt sind. Und Sie halten gefälligst die Füße still, wenn wir die Leute nach zehn Wochen rauswerfen.
Das halte ich für nicht praktikabel. Schauen Sie, wir haben den Arbeitsmarkt geöffnet und erstmals geschafft, dass wieder Menschen in Arbeit integriert wurden, die vorher keinen Job hatten. Also solche, die wir entlassen hatten. Wegen der hohen Löhne. Sie werden doch wohl einsehen, dass wi8r auch auf unsere Kosten kommen müssen. Fünfundzwanzig Prozent Rendite, sagt der Herr Westerwelle, sonst lässt er sich von uns nicht mehr bezahlen. Ja, da schauen Sie – der hat eben Nehmerqualitäten. Aber wir können doch unsere Autos nicht einfach so auf den Markt werfen und darauf hoffen, dass sie Leuten gekauft werden! Das Risiko – glauben Sie, dafür steht einer gerade? Wir? Wieso denn wir?
Machen Sie sich das klar, unser Unternehmen steht unmittelbar vor dem Konkurs. Natürlich, ohne die freundliche Unterstützung des Bundeshaushalts würde es uns noch sehr viel schlechter gehen. Wir müssten unser Dreilitercabrio vielleicht um eine Saison nach hinten schieben, und ich frage Sie, wer will das. Sie vernichten hier massiv Chancen – und ich muss Ihnen ja nicht sagen, dass das auf Kosten der Leistungsträger geht. Wir müssen unsere Steuern nicht hier hinterziehen, wir können auch nach Liechtenstein.
Aus Gründen der Solidarität! Wir stellen doch diese bildungsfernen Idioten nicht ein, damit sie unsere großartigen Autos zusammenbauen, wir erfüllen damit die nationalen Erwartungen an unsere Verantwortung! Und damit sich das für uns irgendwie rechnet, müssen wir die anderen Stellen natürlich mittelfristig reduzieren und in die neuen Arbeitsschwerpunkte aussiedeln. Schauen Sie mal, die in Bangladesch wollen ja auch irgendwie leben, und wenn man mal ausrechnet, was die Jungs sich für hundert Euro im Jahr alles kaufen können, dann sollten Sie diesen humanitären Aspekt nicht ganz unter den Tisch fallen lassen, meinen Sie nicht?
Man braucht überall einen gewissen Anteil an Angestellten, um auf die Marktschwankungen reagieren zu können. Flexibilität hat ihren Preis, nicht wahr? Das ist eben so, daran werden wir uns alle gewöhnen müssen, Arbeitnehmer, Arbeitgeber und die Börse. Das ist Globalisierung.
Natürlich brauchen wir die Billiglohnländer. Keine Frage. Denken Sie sich doch mal eine Lage wie in Ägypten oder Thailand, nur eben so, dass die Bevölkerung nicht sozial benachteiligt wäre im Vergleich zum… ist sie schon? Gegenüber dem Mittelstand? Donnerlittchen, das hätte ich jetzt gar nicht gewusst! Und Sie meinen wirklich, diese Unruhen hätten auch soziale Gründe? Man kann nicht vorsichtig genug sein! Aber wie gesagt, wir brauchen solche Länder. Wir brauchen auch diese Arbeitsbedingungen. Stellen Sie sich mal eine Welt vor, in der es keine Kinderprostitution mehr gäbe wegen der Versorgungslücke zwischen Teppich- und Turnschuhfabrik – was sollten wir denn auf internationalen Konferenzen noch anprangern? Ich meine, wir können doch schlecht Vorschulkinder zum Schneefegen schicken, nur damit Westerwelle endlich mal Ruhe gibt? Und was machen wir mit dem Lohnabstandsgebot? Wollen Sie eigentlich den Aufschwung oder wollen Sie Deutschland wieder auf der Bremsspur? Liegt Ihnen denn gar nichts an dieser Volkswirtschaft?
Sehen Sie es mal von der Seite der Arbeitgeber: wenn wir über diverse Wirtschaftsheißluftinstitute verlautbaren lassen, dass das der Aufschwung ist, dann meinen wir damit: unseren Aufschwung. Wenn wir den Aufschwung für die am Fließband meinen, dann sagen wir das rechtzeitig, ja? Sobald die Kreditreserven wieder Vorkrisenniveau haben – wobei, das haben sie ja. Ist ja wieder vor der Krise.
Unterschätzen Sie jetzt nicht unseren Einfluss. Die Automobilindustrie war immer fortschrittlich und erfolgreich. Und absolut eigenständig. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir unsere Belegschaft weiter von Zeitarbeitsfirmen ausleihen. Wir sind immer noch Wirtschaftselite.
Mehr als die Stammbelegschaft? Aber wozu denn? Zahlen Sie einer Aushilfe mehr als den fest angestellten Arbeitnehmern? Also das sind doch sozialistische Spinnereien! Sie wollen uns doch nicht drohen? Wir sollen den Zeitarbeitern einen Risikoaufschlag zahlen, dass sie uns in Engpässen aushelfen? Weil wir für Flexibilität sind? Was meinen Sie damit, wir müssen uns als Arbeitnehmer auch daran gewöhnen? Die Börse? Was, das ist Globalisierung? Wenn wir nicht so kurz vor der Pleite wären, dann würden wir hier aber andere Saiten aufziehen, das schwöre ich Ihnen!
Also wir haben uns da verstanden, ja? 370 Euro für die Hartz-IV-Bezieher, und dann halten Sie beim Thema Zeitarbeit die Schnauze? Abgemacht? Sehr gut. Ich wusste, mit Ihnen kann man reden.“
Satzspiegel