
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Zu Hause ist alles am besten. Das nervtötende Geknarze der Treppe, das einem den Nachtschlaf raubt, die Samstagshämmerer im Nachbarhaus, der surrealistische Zustand der Sanitäreinrichtungen, alles lässt sich mit dem nötigen Humor und etwas Lokalpatriotismus ertragen, wenn man es sich nicht gleich schön säuft. Dennoch lässt sich der Bürger nicht ausreden, fremde Herbergen in sämtlichen bewohnbaren Teilen dieses unterdurchschnittlichen Planeten zu betreten, dort zu nächtigen, Strom und Wasser zu verbrauchen und gastronomische Experimente durch den Verzehr von angebotenen Speisen und Getränken zu unterstützen. Mit etwas Glück übersteht der Bekloppte derlei unbeschadet an Leib und Seele, doch jäh verschattet sich das Glück, wenn er sich dem Entsorgungspark des Hotelleriebetriebs nähert, dort, wo Nekrophile und Archäologen auf ihre Kosten kommen: am Frühstücksbüfett.
Anfänger zücken noch den Geologenhammer, um das Handstück mit den Mehrkornanhaftungen in Basalt oder Backwerk zu kategorisieren. Der geübte Gast, etwa ein Business-Bettbenutzer, erkennt die Schrippe noch vom letzten Besuch wieder und wendet sich resignierend dem Vollkornbrot zu, das in reich differenzierten Mumifizierungsgraden ein Memento mori inszeniert Zahnärzte begrüßen diese Darreichungsform, füllt doch jeder abgebrochene Beißer die Kasse. Dass die Mattigkeit vergangener Nachtstunden noch nicht ganz gewichen ist, bestätigt auch jene opake Plörre, die via Handpumpe aus dem Metalltank pladdert und en passant die Tassen befeuchtet; Leitungswasser in Halbtrauer wird dem geschundenen Gast als Kaffee feilgeboten, als seien Betonmatratze und das surreal an einen Auspufftopf gemahnende Dauerröhren der Klimaanlage noch kein ausreichender Grund, sofort nach Verlassen der Schlafkammer Massenmorde zu begehen. Wer je die Plempe als trinkbar bezeichnet und in Verkehr gebracht hat, der gehört vor ein Kriegsgericht gestellt.
Ähnliche Abnutzungserscheinungen am ästhetischen Konzept der Zivilisation geben die Frühstückszerealien von sich, deren Staubgehalt den Eindruck erweckt, es handele sich um Reste einer Unterkunft aus Pompeji. Wer Schmiegsames bevorzugt, ist immer gut bedient mit Bananen und Tafeltrauben, die nachts zur Luftbefeuchtung schon im Speisesaal gelagert hatten, um sich dem fauligen Braunton des Geschirrs zu nähern. Drosophila melanogaster, das Heimtierchen der Genpuhler, wäre entzückt ob des schmadderigen Schmiers, den die Schlauchbeere absondert, und wesentlich höher sind die Ansprüche durchreisender Dumpfnulpen in hessischen Auffanglagern der Ein-Sterne-Klasse auch nicht einzuschätzen. Gerade, dass sie die zur späten Nachtstunde gekochten und mit dem ersten Tageslicht langsam in Trockenstarre übergehenden Hühnereier nicht als Wurfgeschoss benutzen, so sie die halbflüssig in Sammeltröge geschwiemelten Zuckeransammlungen mit naturidentischen Farb- und Geruchsstoffen, vulgo: Mehrfruchtkonfitüre, als Hommage an die Jugendherbergsverpflegung im hochstalinistischen Ostblock wahrnehmen, zu schweigen von den schwitzenden Schmierfetten, vor denen auch Jack the Ripper sein Messer in Sicherheit gebracht hätte.
Schon ein nächtlicher Rundgang durch die Absteige enthüllt das Dilemma: die Frühkost wird am Vorabend geplant. Gefechtsbereit lagern einige Dutzend Tassen auf den Untertassen, saisonal unterschiedlich im Bodenkontakt gepolt, winters nach oben offen (was leicht staubige Aromen von Ablagerungen am Boden des Gefäßes sammelt), im Sommer jedoch mit der Öffnung nach unten gekehrt (was Insekten den Weg in den Tassenkopf erschwert und zugleich der Frischluft, so dass der Muff von tausend Jahren auf der Bohnenbrühe schwimmt). Im Abendrot zartfühlend arrangierte Orchidee und Rosaceae grüßt schon am folgenden Morgen lässig aus dem Jenseits, zimmerwarme Nusspampe fließt mit asphaltartiger Viskosität aus Pressglaswannen, offen gelagerte Milchprodukte gehen dazu über, eine Außenhaut zu installieren, damit sich etwaige Gliederfüßer beim Landeanflug auf dem Joghurt nicht die Beinchen verstauchen. Wandelbarkeit, ja Vanitas atmet die Anrichte, wo eben noch in Plaste gepfropfter Scheibenkäse vor Kondenswasser mit der Discounter-Mortadella um die Wette glitzert, bevor der Gevatter mit dem Tellerchen kommt und mit stoischer Miene zwei unverdächtige Scheiben Knäcke aufs Tellerchen hebelt, denen er vertraut, weil sie schon vorher klinisch tot waren.
Was aber dem Frühstücksbüfett seine widerliche Attitüde verleiht, ist der Bescheuerte selbst, der neben einem das kirschfarbige Geklecker aufs Brot rinnen lässt und an allem meckert. Der Orangensaft ist ihm zu billig, zu sauer, zu kalt, und das, da er (wenn überhaupt) nur billigen, sauren und kalten Saft in sich kippt, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit sogar die identische Nektaraufschwemmung wie das Gesöff im Hotelkrug. Kaum in der Senkrechten, da kübelt der Kasper Kritik an allem und jedem in die verstörte Umwelt, ätzt gegen Fleischsalat und Räucherlachs, Kräuterkäse und Maracuja-Knusper-Quark, als bestünde seine Stoffwechselsituation vor der Mittagspause aus mehr als einer Zichte im Rachen, während der Kaffeeautomat neurasthenisch die Wohnküche vollröchelt. Wer diese Hackfresse als erstes Geschenk des Tages bekommt, für den ist der Rest auch nicht mehr erstrebenswert. Man sollte Räume mit Frühstücksbüfetts nach dem Errichten umgehend luftdicht versiegeln und niemanden auch nur in die Nähe kommen lassen. Ohne den morgendlichen Auftrieb der Behämmerten wäre diese Gefahr gebannt.
Sie vergaßen zu erwähnen, dass gerade jene Mortadella, sofern sie nicht schon grünblinkend unter der Plexiglashülle auf sich aufmerksam macht, meist die Cerealien an Knusprigkeit übertrifft, speziell, wenn sich der Rand autonom aufmacht, um den handgerollten (so hofft man zumindest) Schinkenröllchen Konkurrenz zu machen. Ebenfalls auf der Liste fehlen jene, besonders hier im afrikanischen Busch und in Amerika verbreiteten, süße Teilchen, die sich erfolgreich ob der zuckrigen Oberflächengestaltung als Fliegenfänger verdingen. Daneben stichhaltige Mayonnaisen, deren einziger Zweck die Beschleunigung des Verdauungsvorganges, oft auch durch Umgehung selbigen, ist. Hier kann am noch lebenden Objekt studiert werden, ob die Fluchtwege in Richtung Erleichterungsort zeitlich richtig geplant wurden, oder ob man auf dem Weg dorthin ab einer bestimmten Stelle abrupt die Geschwindigkeit und die Beinstellung beim Laufen ändert.
Nicht selten jedoch wird jenes Ereignis auch noch monetär ausgeschlachtet und ganz harten SM-Freaks unter dem Tarnbegriff des „Brunch“ zur Selbstgeißelung feilgeboten.
In Wahrheit sind das natürlich Methoden, die subtil auf die Obhut im Internierungslager vorbereiten, nachdem die sicherste Kerntechnik wegen unvorhergesehenen Nieselregens supergegaut ist. Man muss die Bevölkerung rasch an Kräuterschmierseife und gepresste Sägespäne gewöhnen, denn mehr als das wird am Tag X nicht bleiben. Allein auch hier wird’s eine Zweiklassengesellschaft geben, das Salmonellenfilet an Fadenwürmern werden die Liberalen locker wegschlucken – wer sich lange genug in der FDP bewegt, hält sich quasi rund um die Uhr unter Kollateralmaden auf.