In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (XXXIX)

30 04 2011

Giuliano besuchte in Londa
den Vetter – jedoch, er floh von da,
denn jener, einst Lehrer,
jetzt Schlangenbeschwörer,
er hielt dort eine Anakonda.

Als Igor Petrowitsch in Klin
die Leiter betrat, fiel er hin.
„Gut“, sagt sich sein Nachbar,
„dass er nicht am Dach war,
weil ich allein schwindelfrei bin.“

Herr Vlinckx ging schon früh quer durch Duffel
mit Waldi und Bello und Schnuffel.
Es wachten zur Stunde
nur seine drei Hunde,
die Gattin war ein Morgenmuffel.

Manzoni, der Schneider in Vieste,
entwarf einen Anzug mit Weste.
Da man deren Rücken
nie würde erblicken,
benutzt er statt Kammgarn nur Reste.

Lubrański, der spielte in Kock
im Wirtshaus am liebsten Tarock.
Doch ging’s nur in Maßen;
die anderen saßen
beim Skatspiel mit Ramsch und mit Bock.

Cartuyvels verzweifelt in Genk:
Wo war nur sein Weihnachtsgeschenk?
Im Vollrausch versteckt er’s,
und niemals entdeckt er’s
hernach. Nun, das lag am Getränk.

Kučera fuhr stolz heim nach Most
im uralten Auto der Post.
Dies Ding war geschichtlich,
es war offensichtlich
zusammengehalten vom Rost.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CII): Medialer Alarmismus

29 04 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Mittwochs, irgendwo kurz vor Rho Cassiopeiae. Sternzeit 6907,20. Keine Sau interessiert sich für den rotierenden Klops aus Eisen und Silizium, der Überflüssiges wie Kaffeerahmdeckelsammelalben, vakuumierte Fertigbratkartoffeln und die FDP von sich gibt. Nur eine Trockennasenaffenart trotzt der Erkenntnis, eine Nebensächlichkeit im galaktischen Raum zu sein, und kompensiert den Umstand mit brüllender Lautstärke: kein Streusalz mehr für die nächsten tausend Jahre! Bad Bevensen ist weniger als eine halbe Milliarde Kilometer von der Sonne entfernt! Wenn alle Ausländer, die einen Ausländer mitbringen, einen Ausländer mitbringen, der einen Ausländer mitbringt, der einen Ausländer mitbringt, dann besteht Baden-Württemberg bald zu 192% aus Ausländern, davon alleine vier Drittel aus Afrika! Das Maß ist voll, der Weltuntergang kommt eigentlich schon viel zu spät für die ganze Grütze, und was wäre bloß passiert, hätten die Berufsirren nicht ihren medialen Alarmismus.

Das Unvermeidliche, hier wird’s Ereignis – balkendicke Lettern hämmern den Beknackten ein, dass man sich, wenn überhaupt, nur noch auf die Apokalypse verlassen kann. Selbst der in seichter Bürgerlichkeit versuppte Mainstream trötet die Mär der Untergangspropheten so doof wie fleißig nach und linst nach dem Ausschlag der Betroffenheit, der die Schnappatmer im unteren IQ-Bereich von den Füßen fegt. Erst wenn die Grützbirnen in kollektive Schreckstarre kippen, weil der nationale Nachschub an Nackensteak leicht schwächeln könnte, lehnt sich der Boulevardredakteur zurück und genießt den Duft von Angstschweiß, den der enthemmte Hohlrabi unter sich lässt. Denn nicht anders wickelt der Papierproduzent seine Rezipienten ein als durch selbst erzeugten Bedarf. Erst jault der Flor der Primatenpostillen sich in Trance über Bio-Treibstoff, als seien zehn Prozent Ethanol direkt aus Teufels Aorta in den Tank getröpfelt, dann hetzt die Presse gegen Selbstverständlichkeiten wie das Verfallsdatum für Benzin, schließlich ledert sie auf dem Höhepunkt der Panik den ganzen Laden als überkandidelte Ökostalinisten ab – um pünktlich vier Wochen später zu plärren, wenn die ungeliebte Umweltplempe nicht mehr an der Zapfsäule verfügbar ist. Scheiß auf die Argumentation, die Hauptsache ist Krach mit Widerhaken. Wir werden alle sterben, weil wir unsere Autos erst in drei Tagen wieder volltanken können. Der Planet, ach was: das Universum ist dem Untergang geweiht.

Was eigentlich täte die Journaleska, gäbe es keine wirklichen Katastrophen, keine Erdbeben oder Wirbelstürme, hinter deren aus Ergriffenheit und Sensationsgier geschwiemelter Oberfläche ein nicht kalkulierbares Risiko lauert, dass die Realität ihre eigenen Vorstellungen hat? Schmisse sie bei sinkender Quote den Armageddon-Simulator an, um die unmittelbar bevorstehende Preiserhöhung für Biermischgetränke in den Rang historisch bedeutsamer Tragödien zu hieven? Würde sie den Papst engagieren, damit Guttenberg, der nächste Futtermittelskandal und ein europäisches Schlager-Sammelsurium nicht das jeweils aktuelle Geplärr nach Gesetzesverschärfungen verdrängten? Und was wäre es ihnen wert?

Der Bekloppte vor dem Fernsehschirm wird indes nicht verschont, muss sich einen Brennpunkt nach dem anderen von der Netzhaut pfriemeln und kriegt seinen Adrenalinpegel nicht mehr unter Kontrolle, wenn die Sintflut der wirklich schlechten Nachrichten sich in seine Richtung ergießt. Michael Ballacks Innenband ist wichtig, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht; relevant ist, was sich zum ansatzfreien Aufpumpen intellektuell niederschwelliger Angebote eignet, damit auch das Basaldrittel der Mehrheitsgesellschaft sich gebildet fühlen darf, ohne gleich in die Auseinandersetzung mit Nachrichtenmaterial treten zu müssen. Die Grenze zwischen Unterhaltung und Desinformation verschwimmt gemütlich, das kognitive Flachland lässt sich fröhlich weiter verdeppen, hält den ausgespuckten Brei der Empörkömmlinge für Wahrheit – die Manipulation greift besser als weiland im Hirnwaschsalon der Ostblockwarte, da kundenfreundlicher serviert, ohne den verlogenen Anstrich von Seriosität und faktenbewehrten Kern, dafür vorgekaut und leicht verdaulich, wenn man lockere Möblierung im Oberstübchen bevorzugt. Wie Streumunition schlagen die von einer Horde Weichstapler in Umlauf gebrachten Faktenfetzen ein, denn sie sind reine Äußerlichkeit. Plötzlich wissen alle alles über Siedewasserreaktoren, blöken von der effektiven Äquivalentdosis und haben auch sonst viel Ahnung von Kernphysik – es interessiert nur nicht mehr, sobald ein paar überbezahlte Kasper nach einem Plasteball treten, dahergelaufene Royals heiraten oder ein Medienkonzern den Haftrichtern der Hauptstadt erklärt, wie die Strafprozessordnung von innen aussieht. Man muss nicht wissen, was die Eurokrise auslöst und wie man sie bekämpft. Man muss nur zugucken, wie die Trümmerfrauen der sozialen Marktwirtschaft damit durch Talkshows tingeln. Es macht so hübsch verdrossen, ihrem Geseier zu lauschen, so angenehm involviert, als sei man tatsächlich noch Teil der souveränen Klasse, während sich die Akteure längst hinter den Vorhang zurückgezogen haben, vor dem die Zwerge auf den Brettern tanzen. Die Medien flöten die Musik dazu, der Bescheuerte klatscht im Takt und hält sich für unverzichtbar. Hoffentlich verrät ihm keiner, dass er nur zur Dekoration dient. Er würde sich sonst nur unnötig aufregen.





Schnapsideen

28 04 2011

„… dass Personen, die Ansprüche an den Staat stellen, Alkoholika und Tabakwaren konsumieren, denn es sei nicht Aufgabe des Sozialstaates, den arbeitsunwilligen Menschen ihren Vollrausch zu…“

„… urteilte das Bundesverfassungsgericht, es verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Kosten für Alkohol und Tabak auch aus den Löhnen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu streichen, damit das Lohnabstandsgebot…“

„… widersprach Wirtschaftsminister Brüderle der Opposition, dass damit ganze Industriezweige zerstört würden, denn im Gegensatz zum Konsum seien Herstellung und Vertrieb von Alkohol und Tabakwaren nach wie vor erlaubt, so dass keine…“

„… sei es Freiberuflern und Beamten nicht zuzumuten, einen Ausweis zum Erwerb von Alkohol und Zigaretten mit sich zu führen, da dies eine stigmatisierende Wirkung zeitige, gegen die Menschenwürde verstieße und unverhältnismäßige Kosten für Antrag und Beschaffung der Papiere mit sich führe. Aus genannten Gründen beschloss das Bundesinnenministerium, die elektronisch lesbare Einkaufsberechtigungskarte für alle anderen…“

„… ob das durch die Einbehaltung der Lohnanteile implizierte Kaufverbot zugleich ein faktisches Konsumverbot beinhalte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, als Klempner im Haus eines Auftraggebers eine ihm angebotene Filterzigarette nicht nur nicht zurückgewiesen, sondern ebenfalls nicht als geldwerten Vorteil angegeben zu…“

„… betonte Arbeitgeberpräsident Hundt, zur Sicherung eines stabilen Aufschwungs für die Besserverdienenden müssten auf jeden Fall alle Löhne und Gehälter bis auf ein Existenzminimum gekürzt werden, was ohne Rauchen und Trinken auch problemlos durchgeführt werden…“

„… im Gegensatz zu den anderen Bieren, bierhaltigen Getränken und Mischungen mit bierähnlichen und/oder bierverwandten Substanzen, die sämtlich als Biere gelten, unabhängig vom Alkoholgehalt. Die bayerische Landesregierung wird weiterhin gegen eine einseitige Bevorzugung von Alt vorgehen, gleichwohl es sich hier nicht um Bier im engeren Sinne…“

„… mahnte die FDP, man dürfe auf keinen Fall den Einbruch des Champagner-Absatzes riskieren, vielmehr sei durch gezielte Subventionen der Preis erheblich zu mindern. Erst dann, wenn sich auch Hartz-IV-Empfänger französischen Schaumwein würden leisten können, sei der psychologische Effekt des Verbots wirklich zu seiner vollen…“

„… sich hinter dem Kölner Hauptbahnhof bereits eine Dünnbier-Szene…“

„…wollte sich der SPD-Vorsitzende Gabriel, obwohl er der Idee von Anfang an skeptisch gegenüberstand, dem Verfahren nicht verschließen, gab aber zu bedenken, dass die Parteispitze, so sie auch alles vollkommen unbedenklich und sehr unterstützenswert fände, doch eher in der Rolle der diskussionsunwilligen Fundamentalopposition…“

„… gab Brüderle zu erkennen, dass bis auf wenige Ausnahmen die deutschen Schnapsfabriken nur noch für die Ausfuhr arbeiteten, was den großen Exporterfolg der Volkswirtschaft nochmals…“

„… ließ Altkanzler Schmidt Presse und Bundesregierung wissen, er habe nicht die Absicht, mit dem Rauchen in der Öffentlichkeit…“

„… würde der Abzug an Alkoholika nach dem Abteilungsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales durchschnittlich 294,40 € betragen; der Zahl zugrundeliegend ist der monatliche Konsum, den der Abteilungsleiter selbst…“

„… beispielweise für Muslime, die aus Glaubensgründen auf alkoholische Getränke verzichteten, eine Art Wettbewerbsvorteil entstehen, wie sich Sarrazin ausdrückte. Das SPD-Präsidium kritisierte zwar die Aussage des Ex-Bundesbankers, alle Araber seien wegen genetischer Faktoren nicht geeignet, mit Geld umzugehen, nahm aber zu Sarrazins Verteidigung an, die Bezeichnung Gottverschissenes Kameltreiberpack sei auf gar keinen Fall beleidigend oder…“

„… den Brauereien nicht zu vermitteln, da in Bayern traditionell die Null-Promille-Grenze knapp oberhalb der in den anderen Bundesländern als Volltrunkenheit definierte…“

„… führte Rösler aus, der sinkende Alkohol- und Nikotinkonsum würde die Volksgesundheit in einem erheblichem Maße stärken, so dass eine Absenkung des Arbeitnehmeranteils zu den Krankenkassenbeiträgen möglich sei, was auch dringend geboten sei, da durch die sinkenden Einnahmen der Ärzte eine explosionsartige Steigerung des Arbeitnehmeranteils alternativlos…“

„… keinesfalls eine Verschlechterung der Lebensumstände, wie Bundeskanzlerin Merkel der ausländischen Presse zu verstehen gab. Während früher Arbeitslose ein Leben führen konnten wie ein durchschnittlicher Arbeiter, könnten Arbeiter bei nüchterner Betrachtung auch heute noch wie sozial Schwache…“

„… gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Auch Beamten und Pensionären sei es zuzumuten, Alkohol und Drogen im Zuge einer allgemeinen Prohibition zu meiden, da ihre Bezüge gleichfalls dem Sozialetat entnommen…“

„… demonstrierten am dritten Tag bereits 800.000 Beamte in der Bundeshauptstadt unter dem Motto Dienst ist Schnaps und Schnaps ist Dienst. Die Sicherheit der Regierung sei nie ernsthaft gewährleistet gewesen, teilte der Sprecher der Berliner Polizei mit, da sich die Polizisten mit den anderen Teilnehmern solidarisch…“

„… plötzliche Verschlechterung des Zustandes. Die unvorsichtig geäußerte Nachricht, die Riesling-Vorräte seien quasi über Nacht dezimiert worden, lösten einen Zusammenbruch bei Brüderle aus, der trotz der Bemühungen…“





Schaukampf

27 04 2011

Der bullige Glatzkopf mit dem gewaltigen Seehundsschnauzer hatte eine Piepsstimme. „Herr Hönkelbeck ist gleich bei Ihnen.“ An wen erinnerte mich der Mann nur? War das etwa K-Smash, der weltberühmte Wrestler? „Ja, aber sagen Sie Schmetzler zu mir.“

„Die Öffentlichkeit ist von dieser Show absolut begeistert.“ Hönkelbeck breitete seine Prospekte auf dem Tisch aus. „Imageberatung, klassische Kampagnen, Werbung und Marktanalysen – geschenkt! Alles von vorgestern! Wer heute in der Politikberatung noch etwas erreichen will, braucht eine total neue Strategie. Wir müssen die Menschen erreichen, über Emotionen, über das, was sie wirklich interessiert.“ Ich schob meine Brille ein bisschen höher. „Und was interessiert sie wirklich?“ Hönkelbeck grinste. „Jedenfalls nicht Politik. Wir haben hier in Bad Klünzingen die letzte Bürgermeisterwahl betreut und uns auf besonderen Wunsch des Spitzenkandidaten ganz auf die Inhalte konzentriert. Das Ergebnis ist, dass die regierende Partei das erste Mal seit 1923 in der Opposition sitzt.“ „Donnerwetter“, rief ich aus, „Sie haben am Ende auch noch die neue Umgehungsstraße angesprochen?“ „Schlimmer“, stöhnte Hönkelbeck. „Viel schlimmer, der alte Kandidat hatte auch noch eine realistische Kostenabschätzung durchblicken lassen. So ist natürlich keine Wahl zu gewinnen.“

Wrestling-Plakate klebten an den Wänden des Büros; Seifenopern mit muskelbepacktem Personal verkündete die Reklame, ein großartiges Spektakel zwischen den Clans. „So wird Politik heute in der Öffentlichkeit gezeigt. So und nicht anders.“ Ich kniff die Augen zusammen und blickte auf das Plakat. „Scholzomat gegen Evil Ahlhaus – das ist wohl auch schon ein paar Tage her?“ „Hat aber gut geklappt!“ Hönkelbeck schnalzte mit der Zunge. „Und wie es aussieht, wird uns der Scholzomat auch genau das liefern, was in seiner Storyline steht. Er weiß, dass er bereits für das geringste Abweichen von seiner Linie bestraft würde.“ „Von den alteingesessenen Hanseaten, die sich die Schuleform nicht so einfach verkaufen lassen?“ Er runzelte die Stirn. „Von der Wirtschaft natürlich! Oder glauben Sie, die Bürger würden in diesem Schaukampf eine nennenswerte Rolle spielen?“

Hönkelbeck lehnte sich zurück. „Es kommt ja in der postdemokratischen Gesellschaft vor allem auf die Storyline an.“ „Sie meinen also, ein Politiker wird inzwischen aus dem Märchenfertigbaukasten geschaffen?“ Er nickte. „Wir schaffen Charaktere, die man zuordnen kann. Die Guten und die Bösen, Holzschnitte für das politische Verständnis. Schauen Sie sich mal das hier an.“ Hönkelbeck knipste den Beamer an und fuhr die Präsentation ab. „Super Steinmeier, Held des Großen Imperiums. Er wird bei einem Schaukampf mit der Kanzlerin aus dem Ring geworfen, weil plötzlich Glorious Guido durch die Seile krabbelt.“ „Er verheddert sich“, las ich weiter. „Und fällt richtig auf die Schnauze“, bestätigte Sönkelbeck. „Bei den unangenehmen Charakteren kann das durchaus einen nicht zu unterschätzenden Unterhaltungswert mit sich bringen, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Er knipste weiter und weiter, Bilder flimmerten auf und tauchten wieder ab. Ramsauer, Homburger, Pofalla und andere Gesichter. „Midgets“, erläuterte der Fachmann, „Wurfzwerge, mit denen man das Plakat bei der Wahl garniert, damit das Publikum denkt, es sei eine bedeutende Veranstaltung. Ab und zu können wir einen neuen Charakter in den Zirkus einführen, aber manchmal klappt nicht einmal das. Da hätten wir beispielweise Julia Klöckner.“ Seufzend drückte Hönkelbeck die Fernbedienung. „Da gibt man sich alle Mühe, stilisiert sie zur Siegerin, bringt ihr alles bei, was man in langen Jahren in der Politik gelernt hat, und dann das.“

Ich blickte auf Hönkelbecks Personaltableau. „Ist es nicht gefährlich, sich auf dieses Spiel einzulassen? Schließlich sind Ihre Darsteller immer der Gunst des Publikums ausgesetzt, auch wenn der Sieg eines Ringkampfes bereits vorher feststeht.“ Er nickte. „Ja, es ist gefährlich. Sehr gefährlich sogar, aber es hat auch seine Vorteile. Man kann die Reaktionen der Fans genau studieren. Die einen werden bejubelt, obwohl sie nichts können. Guttenberg war so ein Fall. Wir haben ihn zur klassischen Niete aufgebaut, absolut substanzfrei, eine Heißdüse erster Güte, das ideale Bauernopfern, falls man mal schnell jemanden braucht, den man für sein eigenes Versagen einen ins Trommelfeuer jagen kann. Und dann hat er sich einfach selbst aus dem Verkehr gezogen.“ „Und die anderen werden ausgebuht“, ergänzte ich. „Ja“, gab Hönkelbeck zurück, „die anderen werden ausgebuht. – Sie müssen nur sehen, dass wir manchmal ein paar Probleme mit denen haben. Sie kommen manchmal zurück.“ „Und dann?“ Hönkelbeck lächelte. „Dann sind sie vollkommen anders. Ein Comeback ist nicht dasselbe wie die erste Hälfte der Karriere. Einen Niemand, eine Pappfigur von der FDP, die können Sie innerhalb kürzester Zeit umfrisieren, der hängen Sie ein neues Schildchen um den Hals, und dann plappert der nach, was Sie in seinen Vertrag reinschreiben. Kennen Sie den hier?“ Ich kniff die Augen zusammen. „Lindner? Der war doch mal der eiskalte Abräumer, um sich als Westerwelles Nachfolger zu profilieren?“ „Richtig, inzwischen ist er Röslers Plüschwuffel und legt sich für den mitfühlenden Liberalismus auf den Rücken. Na, egal. Das sind die Knallchargen, die man eh aus dem Ring fegt. Bei den wirklich wichtigen Figuren wäre das gar nicht möglich.“ Er knipste das Schlussbild an. „Master Steinbrück, The Finisher – der zerquetscht sie alle mit der bloßen Hand. Fragt sich nur, wird er der Gute sein? oder doch wieder nur einer von den Bösen?“





Fachverband für Persönlichkeitsspaltung

26 04 2011

„Mehr Multikulti wagen!“ „Ja, geht okay.“ „Und diese ganzen Drecksasylanten raus!“ „Alles klar.“ „Und dieses ganze Hartz-Pack, das sollte man ins Arbeitslager stecken!“ „Einverstanden.“ „Und dann ein Sanktionsmoratorium, und bedingungsloses Grundeinkommen, Reichensteuer und keine Kohle mehr für Spekulanten!“ „Ja, ja, ja. Können wir alles machen. Kein Problem. Sie kriegen alles, was Sie wollen. In der SPD gibt es Platz für jede Meinung.“

„Und außerdem muss Lafontaine wieder…“ „Moment, das geht nun echt zu weit! Sie können von den Sozialdemokraten alles erwarten, die komplette Konturlosigkeit und den Ausverkauf aller Grundüberzeugungen. Notfalls auch den Verlust der Glaubwürdigkeit bis zum Ende aller Zeiten. Aber lassen Sie Lafontaine aus dem Spiel.“ „Wieso? Was ist denn mit dem? Der hat doch bis jetzt immer Recht gehabt – mit der Sozialgesetzgebung, mit der inneren Sicherheit, mit den Finanzen, mit der Zinspolitik…“ „Eben. Und Rechthaber können wir in der Partei überhaupt nicht ausstehen, damit das mal klar ist.“ „Also erlauben Sie mal – Lafontaine ist doch ein Populist, genau wie Sarrazin.“ „Um so schlimmer.“ „Und er hat immer alles hingeworfen, wenn der Applaus nicht laut genug war.“ „Hmja. Doch.“ „Und wenn Sie sich anschauen, was er jetzt macht, dann hat er auch nicht viel dazugelernt.“ „Ja, ja, ja. Mag ja durchaus alles richtig sein. Aber das qualifiziert ihn noch lange nicht, wieder als Vorbild in die SPD zurückzukommen. Da muss er schon andere Sachen vorweisen.“ „Beispielweise 40 Jahre Verbundenheit mit den Sozialdemokraten?“ „Zum Beispiel, ja. Das kann man doch nicht ignorieren?“

„Warum hat man denn nun den Sarrazin erst mit Parteiausschluss bedroht?“ „Weil er Sachen von sich gegeben hat, die in einer demokratischen Partei nichts zu suchen haben.“ „Und warum hat man ihn dann doch nicht aus der Partei rausgeworfen?“ „Weil er es möglicherweise doch nicht so gemeint haben könnte. Man kann doch nicht in den Mann reingucken, Herrgott noch mal!“ „Aber er hat doch erst vor zwei Wochen gesagt, dass er nichts von dem zurücknimmt, was er da geschrieben hat.“ „Sehen Sie, das ist Prinzipientreue. Eine gute, alte sozialdemokratische Tradition. Warum also sollten wir so einen Mann rauswerfen? Der hat doch sogar Vorbildcharakter für uns?“

„Dann war das am Ende doch wieder nur Taktik. Was wollen Sie denn damit erreichen?“ „Möglichst viele Kräfte an uns binden, verstehen Sie?“ „Verstehe ich nicht.“ „Also möglichst viele Kräfte in der Mitte, und rechts der Mitte, und rechts von rechts von der Mitte, und rechts von rechts von…“ „Aha, die SPD wird jetzt das neue Gegengewicht zur Linkspartei.“ „Da ist jede Menge Potenzial, da ist etwas abzugreifen.“ „Wählerstimmen?“ „Kann sein. Aber vor allem wäre für die Springer-Presse so eine Rechte attraktiv, und dann könnte man auch mit ganz hübschen Parteispenden rechnen.“ „Wäre es da nicht anständiger, den Wählern zu sagen, dass sie es mit einer potenziell rechtsradikalen Partei zu tun haben?“ „Wir machen das doch aus nationalem Interesse. Stellen Sie sich mal vor, die linken gingen zu den Linken, die grünen zu den Grünen, die Seeheimer zur CDU – obwohl: nein, die ist denen inzwischen vermutlich viel zu sozenhaft.“

„Aber jetzt mal ernsthaft, die SPD ist gerade dabei, den politischen Kern der Partei über Bord zu schmeißen.“ „Ja.“ „Das sagen Sie so ganz einfach? Ohne den Ausdruck des Bedauerns?“ „Das muss man eben hinnehmen. Und sehen Sie auch das Positive in dieser Entwicklung: wenn wir uns solcher Zwänge entledigen, dann haben wir auch wieder genug Platz für abweichende Meinungen, beispielsweise für Sarrazin.“ „Man könnte eher den Eindruck gewinnen, die SPD sei inzwischen dabei, ein Fachverband für Persönlichkeitsspaltung zu werden.“ „Von wem sprechen Sie denn? Von Sigmar Gabriel? Der hat doch keine Persönlichkeit, was wollen Sie da groß spalten?“

„Der Markenkern der SPD war irgendwann mal, das Gesicht einer sozialen Verantwortung zu sein.“ „Nicht nur sozial – sozialistisch, junger Freund. Das ist ein gewaltiger Unterschied!“ „Und das hieß vor dem Hintergrund der politischen Geschichte, dass man den Menschen in den Mittelpunkt stellt…“ „Na, das ist doch auch nach Schröder der Fall.“ „Fragt sich nur, wer noch in den Mittelpunkt gestellt wird, weil er als Mensch gilt. Jedenfalls hieß Sozialismus bei Ihnen mal, dass man den Menschen nicht für das verantwortlich macht, was die kapitalistische Gesellschaft mit ihm macht.“ „Richtig, das bleibt auch so. Wir machen Sarrazin ja auch nicht dafür verantwortlich, dass er so ein regrediertes Arschloch ist.“

„Warum macht denn die SPD diesen ganzen Zirkus?“ „Um sich nicht zu bewegen.“ „Weil sie sich nicht bewegen kann?“ „Nein, weil sie sich sonst bewegen müsste. Was meinen Sie, was das für eine Unruhe in der Partei erzeugen würde! Das mit Scholz in Hamburg, das haben wir ja gerade eben noch verkraftet. Aber stellen Sie sich mal vor, jetzt Neuwahlen, die Grünen sacken plötzlich wieder ab, weil sie in Stuttgart den Bahnhof eigentlich nie so richtig haben verhindern wollen, und Koch kriegt Merkels Stasi-Akte in die Finger, dann ist aber zappenduster. Dann müssen wir den Kanzler stellen, schlimmer: dann müssen wir regieren. Das werden Sie doch wohl nicht wollen?“ „Und deshalb macht die SPD jetzt Oppositionspolitik für die ganze Republik?“ „Für ganz Deutschland. Unsere Aufgabe ist eine nationale.“ „Und Sozialismus?“ „Den kriegen wir da auch noch rein.“ „Na, dann passt’s ja wieder.“





Alles in Butter

25 04 2011

„Ein Viertelliter Milch, fünfzig Gramm Zucker, etwas Zitronenschale. Und dreißig Gramm Butter.“ Max Hülsenbeck rümpfte die Nase. „Das braucht er mir nicht zu sagen. Schließlich koche ich nicht zum ersten Mal.“ „Sie meinen: backen“, mischte sich Frau Lottermoser ein. Brunos Schnurrbartspitzen vibrierten bedenklich. Was hatte er sich da für ein Ei gelegt. Und das an Ostern.

„Und dann auch noch in so netter Begleitung!“ Frau Lottermoser, Doktor Klengels angeheiratete Schwippnichte, genoss den Kochkurs sichtlich. In Bücklers Landgasthof war das auch nicht schwer, gab sich doch Bruno Bückler, der als Fürst Bückler im Umland bekannte Küchenfürst, alle Mühe, es den Teilnehmern angenehm zu machen. Nicht Aal in Gelee und Schwarzsauer bereitete die Küche unter seinem strengen Blick zu, sie sahen, wie zwanzig Eleven über den großen Teig gingen; manche offensichtlich zum ersten Mal. „Dass Sie auch gleich zwei so charmante Männer mitgebracht haben!“ Anne hatte nämlich nicht nur mich, sondern auch besagten Max eingeladen – während er die Renovierung ihrer Küche durch die Explosion des Toasters ermöglicht hatte, fiel mir die Instandsetzung zu, ein Grund, sich bei uns beiden zu bedanken. So standen wir in Bücklers Küche.

„Man kann über Anne vieles sagen, aber nicht, dass sie Talent zum Kochen hätte.“ Hansi, Brunos jüngerer Bruder, der sich um den Service kümmert, schaute fasziniert zu, wie sie verzweifelt versuchte, einen Nudelteig auszuwalken. „Sie ist nun mal eine begnadete Juristin“, bemerkte ich, „man muss ihr alles, was komplizierter ist, als Briefumschläge zuzukleben, in einzelne kleine Schritte zerlegen: vorwärts, rückwärts, vorwärts, rückwärts, etwas Mehl unters Nudelholz…“ Glücklicherweise half ihr der Herr zur Linken. „Geben Sie nicht alles Ei gleich ins Mehl hinein“, riet er Anne, „und lassen Sie sich Zeit mit dem Verkneten. Er braucht schon sieben, acht Minuten, da ist er noch ein bisschen krümelig, aber dann geben Sie den Rest vom Ei nach – voilà, jetzt klumpt er und ist richtig!“ Max blickte ihn geringschätzig an. „Was will denn dieser Opa hier?“ Hansi zupfte mich leicht am Ärmel. „Das ist der, von dem ich Dir erzählt hatte. Du musst ihn kennen lernen.“ „Ah, der Herr aus der Schweiz?“ Hansi nickte. „Genau. Er kommt uns regelmäßig besuchen, obwohl ich nicht begreife, warum.“ Ich war verwundert. „Aber er macht doch gar keinen so unbegabten Eindruck wie Hülsenbeck?“ „Ach was“, antwortete Petersen, Entremetier des Hauses und Brunos rechte Hand. „Wir fragen uns, warum er nicht selbst unterrichtet. Schau ihm über die Schulter, es lohnt sich.“

In der Tat formte er unter den prüfenden Blicken der Bücklerbrüder eine Pastete, füllte sie mit dem Schinken aus Brunos eiserner Reserve und einer Masse aus Kalbfleisch und Pilzen, worauf er eine Rolle Mullverband fältelte. „Da haben wir uns wohl verhauen“, höhnte Hülsenbeck, „wenn wir den Rest aus dem Erste-Hilfe-Kasten nehmen müssen.“ „Meine Güte!“ Bruno knirschte mit den Zähnen. „Dieser Idiot beleidigt mir die besten Gäste! Was bildet der Mann sich eigentlich ein?“ „Wenn wir das Ende der Binde aus dem Kaminloch zupfen, haben wir einen Zwischenraum, und den werden wir dann morgen mit Gelee ausfüllen.“

„Einen guten Koch erkennt man daran, dass er sich nicht die Manschetten schmutzig macht.“ Bruno war aufmerksam durch die Reihen geschritten, hatte hier ein bisschen Mehl gestreut, dort beim Kneten assistiert, schließlich stand er hinter mir und sah verächtlich auf Hülsenbeck. „Dieser Schnodderlumpen“. zischte er. „Was Anne nur an dem Typen findet? Taucht hier auf im anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug – lachhaft!“ „Damit man das Mehl besser sieht“, gab ich trocken zurück. Er grinste. „Vielleicht lassen wir ihn dann besser Schwarzbrot backen?“

Unterdessen zeigte der Schweizer Gast Frau Lottermoser, wie man kleine Teigkreise mit einer Spinatfülle zu Trecce piacentine faltet. „Von links, rechts, links, rechts, und dann zusammenschieben.“ Frau Lottermoser war begeistert. „Kleine Zöpfchen, wie entzückend! Ach, Sie sind ja noch viel netter als der Herr Hülsenbeck.“ Hochnäsig sah Max auf die Teigtaschen. „Das könnte ich ja auch, wenn ich wollte.“ Petersen knurrte. „Jetzt reicht’s! Los, lenk ihn ab.“ „Aus Kärnten kennt man diese Täschchen doch“, schwafelte ich, „sie werden gekrendelt – und eine Frau wird sich nicht verheiraten, wenn sie nicht krendeln kann.“ Frau Lottermoser errötete deutlich; aber sie hatte ihren siebzigsten Geburtstag schon hinter sich und musste sich darum nicht mehr sorgen. „Einen Bleistift“, flüsterte Hansi. „Da liegt der Schreibblock.“ Der Pastetenbäcker verstand und kringelte einzweimal, bevor er ganz interessiert einen Rührlöffel begutachtete. „Jetzt aber keine Müdigkeit vorgeschützt“, rief Bruno und klatschte in die Hände. „Sie haben ja noch gar nichts getan, Herr Hülsenbeck. Lesen Sie mir doch das Rezept noch einmal vor.“ Der Staatsanwalt griff zum Zettel. „Fünfzig Gramm Zucker, Zitronenschale, achthundert Gramm Butter.“ Bruno nickte. „Und kneten Sie ihn am besten von Hand. Der Teig mag das. Er verbindet sich schneller.“

„Ich werde mir eine Nudelmaschine kaufen“, beschloss Anne. „Wenn Du mal zum Kochen kommst“, ließ sie mich wissen, „musst Du nicht immer Deine mitbringen.“ Schon fischte Frau Lottermoser die erste Pasta aus dem Topf. Hülsenbeck steckte bis zu den Ärmeln in verquirlter Butter. „Schön machen Sie das“, lobte ihn Bruno mit beißendem Spott und legte ihm eine Zitrone auf den Tisch. „Jetzt noch etwas Schale abreiben, dann ein Ei hinein, und dann messen Sie die Milch ab. Aber was muss ich das Ihnen sagen. Sie kochen ja nicht zum ersten Mal.“





Ostereier

24 04 2011

für Kurt Tucholsky

Schäfchenwolken, laue Lüfte,
man geht aus mit Kind und Hund.
Süße, wohlbekannte Düfte
bleiben heut im Hintergrund.
Es ist Ostern! dort ersprießen
Blumen, hier ein Vögelein,
dessen Tschilpen wir genießen,
kurz: ein Lenz, sich zu erfreun.
Frühjahr fährt in die Gebeine,
Kinder lässt man von der Leine,
für sie gibt’s, zum Tag der Feier,
    Ostereier.

Liebreiz will das Grün uns spenden
dort am Busen der Natur,
wo dem Spießer aus den Händen
Müll fällt, mitten in die Flur.
Zivilisationsgetöse
macht der dumpfe Biedermann.
Er liebt das Luxuriöse,
weil man damit protzen kann.
Ist man mäßig und bescheiden,
wer soll einem dann was neiden?
Dafür ist uns nichts zu teuer:
    Ostereier!

Auch der deutsche Michel feiert.
Grimmig klagt er, was man nun
uns noch aus den Rippen leiert.
Sonst hat er ja nichts zu tun.
Optimismus? unbegründet,
seht nur, wie man uns mit Maut,
Sprit und Krankenkasse kündet:
Was Du hast, wird Dir geklaut!
Seht, sie leeren uns die Nester!
Jammert, weint, doch stehet fester!
Gebt uns statt der Mehrwertsteuer
    Ostereier!

Ach, Berlin – Du meine Güte!
Größtenteils schon abgemäht
liegen Osterstrauß und Blüte.
Fraglich, dass man Euch versteht.
Schluchzt Ihr überm Festtagsbraten,
wackelt Ihr auf Euerm Thron?
Große Worte. Kleine Taten.
Nichts von Wirkung. Kennt man schon.
Bunt bemalt, doch dünne Schale.
Stammelt bloß ein Nationale.
Kurz gesagt: die alte Leier.
    Ostereier.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (XXXVIII)

23 04 2011

Van Bassen, der merkte in Liesveld,
dass Putz von den Wänden gar mies fällt –
man kann zum Verputzen
fast alles benutzen,
weil Putz auch nicht besser als Grieß hält.

Emilio, der hatte in Lenna
ein kleines Geschäft nur für Männer,
da er höchster Güte
nur eins feilbot: Hüte.
Emilio war eben ein Kenner.

Herr Feinbaum verlor in Bat Jam
im Fango-Salon seinen Kamm.
Ach, vor dem Benutzen
musst man ihn gut putzen,
er lag, wie erwartet, im Schlamm.

Bei Iwan Lawrowitsch in Bor
kam’s schwarz aus dem Boden hervor.
Und doch war mitnichten
von Öl zu berichten,
ein Riss war’s im Abwasserrohr.

Frau Marte, die konnte in Drammen
das Auto nie ganz ohne Schrammen
parkieren. Jetzt stand in der Zeitung,
die Kraftstoffzuleitung
zerschrammt sie. Und stand dann in Flammen.

Den Joschi bewundert in Glanz
die Feuerwehrjugend beim Tanz.
Er war auch erfahren,
übt seit zwanzig Jahren –
jetzt traut er sich. Gleichwohl, er kann’s.

Mazcony, der musste in Houston
nach wenigen Treppen schon pusten.
Ein Aufzug ersparte
dem Mann die harte
Belastung, den Schweiß und den Husten.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CI): Frauenquoten

22 04 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die Evolution ließ in ihrer unendlichen Güte zwei Geschlechter entstehen, eines, das im Schweiße seines Angesichts aus versägter Buche (furniert) und Buntmetallbolzen Schuhschränke aus Fertigbausätzen klöppelt, und eines, das diese Schuhschränke in Lichtgeschwindigkeit mit Pumps, Sandalen und Stiefeletten in siebenunddreißig Schwarztönen anfüllt. Trotz mancher Hindernisse hat sich die Errungenschaft der Gleichstellung in den meisten Gesellschaften bestens bewährt: Männer können unfallfrei stricken, Frauen als Kanzlerin vollkommen diskriminierungsfrei ganze Volkswirtschaften in die Grütze reiten. Um aber einer Gesellschaft auch gründlich zu verordnen, was sie wollen soll, braucht es Paragrafenpeitsche und Aufsichtshuberei, sonst wäre alles zu einfach und die Beknackten könnten, horribile dictu, so sinnerfüllt wie effektiv und glücklich leben. Damit aber auf diesem beschissenen Rotationsellipsoiden noch der letzte Trottel seine Existenz als zwecklose Irrfahrt zwischen Steuererklärung und Frühableben begreift, versaut es ihm der Staat gleich gründlich. Gute Dienste leistet da eine Frauenquote.

Die Idee ist so einfach wie hirnrissig; da um und bei die Hälfte des künftigen Personals mit zwei X-Chromosomen aufs Spielfeld kommt, müssen wir überall, wo es gesellschaftliche Verantwortung, sprich: sozialversicherungspflichtige Arbeit gibt, auch den Einzug der Frau ins Erwerbsleben fördern, bis das andere gewünschte Ziel der konservativen Sozialschrauberei, die artgerechte Haltung des Weibchens in der Küche, sich nicht mehr verkaufen lässt. Da aber die Wirtschaft sich selten dem Primat der Politik beugt, noch seltener der praktischen Vernunft, gibt sie vornehmlich aus Gründen der bürgerlichen Selbstvergewisserung eine Regel zur Antidiskriminierung heraus. Fünfzig Prozent der Fliesenleger, Fotografen und Flachglasmechaniker sollen fortan feminin sein, sonst macht das Leben keinen Spaß mehr.

Natürlich ist die politische Führung in dieser existenziellen Frage unbeugsam wie Margarine, beschließt eine Verhaltensmaßregel nach der anderen und pocht auf flexibler Einhaltung nach Lust und Laune, denn man muss dem Kaiser geben, was des Kaisers ist – der gerade noch leicht zu begreifende Schluss, eine Hälfte der Gesellschaft auch zu einer Hälfte in einer quotierten Arbeitswelt zu machen, wird von berufenen Begriffsjongleuren subito wieder rückgeführt, da für eine gefühlte Hälfte dreißig bis vierzig Prozent ausreichen. Wer die Komplettverdeppung mit den Bordmitteln der Schulmathematik begegnet, lernt den Häkelkreis der Argumentierunwilligen kennen. Sind denn nicht höchstens dreißig Prozent der Absolventen in Fach- und sonstigen Hauptschulen weiblich? Entscheiden nicht bereits viele Frauen sich eher für die Mutter- als für die Handwerksrolle? Wäre nicht das sozial skalierende Fifty-Fifty wettbewerbsverzerrend und damit ein Angriff auf die Gleichbehandlung? Oder anders gefragt: meinen die blöden Schlampen etwa, sie hätten mehr verdient als die traditionelle Rolle knapp oberhalb von Haustieren?

Damit die derart defizitäre Denke nun aber nicht sofort zum Untergang des Abendlandes führt – wir erwarten ihn, sobald sich Männer das Bier selbst aus dem Kühlschrank holen müssen – schnitzt die Politik ihre Regelung aus supi flexi Schmierkäse. Stufenweise steigert sich die Anforderung an die Unternehmen, die sich verpflichten, die Auflagen auf freiwilliger Basis umzusetzen, also mal mehr oder weniger zur Kenntnis zu nehmen, in Sonntags- und Wahlkampfreden durchzukauen und sie ansonsten zu ignorieren. Auf der ersten Stufe wollen wir, auf der zweiten wollen wir ganz dolle, vor dem Einsetzen der dritten Stufe wird uns die akute Hirnschmelze an der Realitätswahrnehmung retten. Es ist nichts passiert, aber wir bekennen uns vollinhaltlich unschuldig. Das im Arbeitsmarkt und aus anderen Weiterungen der Strafverfolgung erprobte Anreizsystem, hier scheint es wohl nicht zu funktionieren; besser, man schwiemelt sich mit der Milchmädchenrechnung auch gleich den Grund fürs Versagen zurecht.

Natürlich wird sich alles irgendwann von selbst einpegeln, wie die Vorbeter der Marktwirtschaft in endlosem Geleier den Bekloppten weiszumachen versuchen – staatliche Eingriffe sind ja nur da nötig, wo sich der Markt wieder einmal verzockt hat – und die bereits im Ansatz marode Quotenregelung dient nur als Anschubfinanzierung zum Ausverkauf. Dass bereits Demokratieprinzipien erster Ordnung verletzt werden, weil nicht mehr die geschlechtsneutrale Wahl der am besten geeigneten Person zum Abschluss eines Arbeitsvertrags führt, sondern Erfüllung planwirtschaftlicher Vorsätze, das ist nicht allein ein Eingriff ins Eigentumsrecht und Teil einer staatlichen Entmündigungsstrategie, wie sie gegenüber anderen Randgruppen auch rücksichtslos gefahren wird, das ist Verstoß gegen die Einsicht, wo ein Kalkül nur theoretisch aufgeht, aber nicht in der gesellschaftlichen Realität, sonst wären aus Imagegründen längst alle prominenten Kabinettsposten mit lesbischen, schwarzen Behinderten besetzt.

Endgültig paranoid und zugleich verräterisch wird die Versuchsanordnung, wo eine affirmative Aktion jenseits aller Qualifikationen die Anzahl der Vorstands- und Managementposten mit weiblicher Besetzung vorgibt. Nicht hehrer Glaube an die Gleichheit des Weibes treibt uns Lemminge zum Nachfaseln der Balancebotschaft, zum Betonieren kapitalistischer Wachstums- und neoliberaler Leistungsträgerstrukturen zwingt man Frauen in ein System, von und für Arschlöcher entworfen, um die Gesellschaft gleichmäßig unter Kontrolle zu bekommen. Männerfantasien der Marktwirtschaft, in denen die Drohne sich früher oder später dem Herzinfarkt opfern darf, wenn sie bis dahin die Absatzzahlen fleißig nach oben gehämmert hat. Den Krampf im Kopf als Segnung zu empfinden, das schafft anscheinend nur der neokonservative Gewaltkapitalismus, dessen Überwindung früher oder später in die Abschaffung der Gesellschaft führen soll, wie uns schon jetzt wegen mangelnder Dauerbeschäftigung von der Industrie täglich ins Außenohr gejodelt wird. Wir werden es mitmachen. Wir erleben positive Diskriminierung, bis wir zum Schluss ein Problem mit zu wenig Männern haben sollten. Mal sehen, wer es dann regeln wird. Bestimmt die Quotenfrau.





Der reine Wohnsinn

21 04 2011

„Herzlichen Glückwunsch, Herr äääh… also wir kommen dann mal rein.“ Die dicke Blondine versuchte, sich an mir vorbei in die Wohnung zu rollen. Aber ich blieb breitbeinig in der Tür stehen. „Jetzt machen Sie doch mal Platz“, quengelte sie, „wir kommen ja gar nicht rein!“ „Genau das ist auch der Sinn der Sache“, teilte ich ihr ungerührt mit. „Ich weiß nicht, wer Sie sind und was Sie hier wollen, ich weiß nur, dass Sie damit keinen Erfolg haben werden.“ Jonas tauchte plötzlich aus der unüberschaubaren Menge von Menschen auf dem Treppenabsatz auf und zog mich beiseite. „Jetzt lass doch Sina erst mal reinkommen. Dann kannst Du es Dir immer noch überlegen.“

Sina Wippstock, wie mir Jonas auf dem Weg in die Küche beibrachte, wollte nur mein Bestes. Wahrscheinlich stürzte sie sich mir ihren Begleitern aus genau diesem Grund auf das Bücherregal. „Das kann man dann gleich mal weg hier“, verkündete sie. „Günni haut dann die beiden Sljörksvigs aus Buche furniert rein, ja?“ Schon fingerte Günni an den Pfosten. „Was machen diese Vollidioten da?“ „Reg Dich doch nicht gleich auf“, beschwichtigte Jonas meinen aufbrandenden Zorn, „Sina macht doch diese Sendung mit den Möbeln, und wir dachten, da Du gerade erst Geburtstag hattest…“ „Das war vor zehn Monaten“, erwiderte ich trocken. „Was will dieser Trampel hier?“ Statt einer Antwort ging Günni zu Boden „Das kriegt man gar nicht raus hier“, jammerte er, „ich brauche eine Säge!“ Jonas wurde bleich. „Halt, die sind in die Wände eingebaut!“

„Wo stell ick det hin?“ Ich konnte den Mann mit der Latzhose gerade noch davon abhalten, seinen Metallkoffer schwungvoll auf den Schleiflack zu hebeln. „Schaffen Sie mir diese Idioten vom Hals“, schrie ich. Das rührte den Mann mit der Kabeltrommel nicht. „Wer waren Sie noch gleich?“ „Das ist meine Wohnung“, brüllte ich, „und Sie sind derjenige, der sie gleich über die Balkonbrüstung verlässt!“ „Reg Dich nicht auf“, stöhnte Jonas. „Reg Dich jetzt bloß nicht auf – aber ich hatte Sina erzählt, dass Du heute Geburtstag hast, und deshalb wollten sie die Folge schon heute Abend – he, wo willst Du denn hin?“ Ich rollte unterdessen Kabel auf und schob zwei Scheinwerferstative wieder aus der Küche heraus. „Ich zähle bis zehn, und dann hat der Letzte diese Wohnung verlassen! Sieben, acht, neun…“ „Wippstock mein Name.“ Offenbar war sie erst jetzt dazu gekommen, die Situation abzuschätzen. „Was machen wir denn jetzt? Ich muss doch bis sechs Uhr eine Folge im Kasten haben. Können wir vielleicht irgendwo hier im Haus…“ Jonas und ich blickten einander an. „Sigune“, sagten wir, wie aus einem Mund.

„Herzlichen Glückwunsch, Frau äääh… also wir kommen dann mal rein.“ Schon stand die ganze Mannschaft im Flur der esoterischen Nachbarin. Lavendelräucherstäbchen hatten einen erkennbaren Duft hinterlassen, leise grunzten tibetische Mönche meditativen Singsang vor sich hin, eine Armada von Grünpflanzen wippte im milden Sonnenlicht. „Wo stell ick det hin?“ Der Latzhosenmann steckte den Kopf unschlüssig in die Tür; hier war kein Rein- und kein Durchkommen.

Günni drückte mir die Kamera in die Hand. „Machen Sie mal, Sie schaffen das schon. Ich muss gleich mal eben runter, die beiden Sljörksvigs holen und den Örneblorbel.“ „Den was?“ „Klapphocker, weiß lackiert und abwaschbar, im Doppelpack mit Sitzkissen Snokkekøppar.“ Sina Wippstock zwängte sich zwischen mehreren Messingkübeln hindurch ins Wohnzimmer. „Ihr könntet hier das Gestrüpp rausholen und dann ein bisschen Dekostoff über die Couchgarnitur machen, ja?“ Sigune war verwirrt. „Was soll das hier werden? Was machen Sie da?“ Die beiden trafen erste Anstalten, das Mobiliar durcheinander zu kegeln, hatten aber nicht mit der Geschwindigkeit gerechnet, mit der Sigune sich ihnen in den Arm warf. „Sie dürfen das hier nicht verrücken, sonst ist das Chi gestört!“ „Wir kaufen Ihnen ein neues“, tröstete Günni die entsetzte Frau im wehenden Seidengewand, die mit ihren Spiegelaufnäherchen durch die Wohnung blinkerte. „Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was Sie da anrichten? Trixi, Thyra, Tabitha, verzeiht ihm!“ Günni schaute sich irritiert um. „Ist hier jemand?“ „Sie redet mit ihren Topfblumen“, informierte ich den Assistenten. „Seien Sie bloß vorsichtig, sonst schlägt das Gestrüpp aus.“

In der Zwischenzeit hatte der latzbehoste die Elektrik aus dem Dachgeschoss wieder nach unten geschleppt und rollte einige Lampen durch Sigunes Flur. „Wo stell ick det hin?“ „Schließ erst mal die Leuchten an“, beschloss die TV-Tante, „wir machen dann gleich Lightcheck, ja?“ „Ein Sljörksvig haben wir da“, verkündete Günni. „Stell doch mal jemand wenigstens einen Hocker ins Bild, sonst kriegen wir noch Ärger mit dem Sponsor.“ Jonas drückte sich vorsichtshalber nur im Hausflur herum und ließ sich gar nicht erst blicken. „Ich brauche Li-hicht“, jodelte Sina. „Det hammwa gleich“, brummte der Techniker und zog den Stecker an der Fußleiste. Im Nu verstummte das monotone Geplätscher des Zimmerspringbrunnens. Sigune riss ihm das Kabel aus der Hand. „Das Chi ist zerstört! Der ganze Energiefluss gerät außer Kontrolle!“ Ich deutete zum Ausgang, aber er verstand nicht. Plötzlich hielt Sigune ein monströses Buschmesser in der Hand. „Ihr werdet dafür büßen, dass Ihr mein Chi kaputt gemacht habt!“

Mit quietschenden Reifen verschwand der Kleinbus um die Straßenecke. „Wir könnten heute Abend ins Kino“, überlegte Jonas. „Im Fernsehen kommt ja wohl wieder nichts Vernünftiges.“