Das Ding rumpelte und ächzte in allen Fugen. Vor dem Sichtfenster bog sich das Licht zusammen und verschwand in der Rotverschiebung. „Festhalten“, sprach Professor Trinkler, und es kam mir vor, als bräuchte er dazu Jahre und Jahrzehnte, so langsam erreichten seine Worte mein Ohr, aber das war ja auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich saßen wir in den unbequemen Sitzen seiner Zeitmaschine.
Das Messgerät zeigte die maximale Krümmung der Raumzeit. „Mir wird übel“, stöhnte ich, denn der Kasten drehte sich unaufhörlich. „Warten Sie“, murmelte der Professor, „das Bose-Einstein-Kondensat steht kurz vor dem Phasenübergang. Wir sind da in zehn Sekunden… fünf… in drei…“ „Mir egal, machen Sie nur, dass diese elende Kiste nicht mehr rotiert. Mir ist übel!“ Trinkler rümpfte die Nase. „Machen Sie mir gefälligst keine Flecke ins 16. Jahrhundert. Die kriegt man möglicherweise nie wieder raus.“ Es schnarrte und zischte, dann stand alles still. Ein knarrendes Geräusch, und schon sprang die Ausstiegsklappe auf. „Es riecht wie auf einem Grillplatz“, konstatierte ich. „1511 scheint so anders gar nicht zu sein als die Gegenwart.“
Die junge Frau war mit einen Hanfstrick an den Balken gefesselt. Sie zitterte vor Angst und Kälte. „Meine Güte“, stöhnte Trinkler. „Ich muss mich mit der Dilatation verschätzt haben. Wir sind ja im Mittelalter gelandet.“ Ich rollte mit den Augen. „In der Geschichtsstunde haben Sie wohl immer nur Schiffe versenken gespielt, was? Hexenwahn war immer noch eine Angelegenheit der frühen Neuzeit. He, guter Mann!“ Ich fasste den Handwerker am Arm. „Ob Er mir wohl sagen kann, wer der Kaiser ist?“ „Maximilian natürlich“, gab der biedere Kumpan zurück, „und Ihr ziehet Euch besser etwas Anständiges an, der Vogt nahet sich!“ Perplex sah Trinkler an sich herab. „Ist das denn nicht okay?“ „Sie hatten in Geschichte wirklich einen Blackout“, spottete ich, „Laborkittel und Turnschuhe wurden erst während der Reformation erfunden.“
Trinkler stürzte sich sofort auf den Beamten. „Euro Gnaden, wir kommen von weit her und sind im Auftrage der Herrschaft unterwegs. So saget, ist dies eine genehmigte Verbrennung?“ Der Vogt kratzte unter seiner Schaube ein paar Flöhe weg und zog eine Braue in die Höhe. „Das wüsste ich“, gab er zurück. „Die Regierung hier bin ich, es wird niemand verbrannt, wenn ich es nicht anordne.“ „Aber die Schadstoffemission ist…“ „Trinkler“, flehte ich, „Sie reden hier mit dem Vogt, wird sind im Heiligen Römischen Reich, und Ihre Formulare vom Bundesumweltministerium werden niemanden interessieren!“ „Ach was, man muss den Anfängen wehren. Wenn wir die Kohlendioxid-Belastung im Keim ersticken können, sollten wir es versuchen. Unsere Maschine gibt momentan nicht mehr als 500 Jahre her, aber das ist doch auch schon etwas.“ „Trinkler, nehmen Sie doch Vernunft an! Das ist ja lächerlich, wollen Sie jetzt Hexenverbrennungen nur noch mit Partikelfilter erlauben? Kümmern Sie sich lieber, dass sie nicht für irgendeinen Quark auf den Scheiterhaufen kommt!“ Er stampfte mit dem Fuß auf. „Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir nicht befugt sind, uns in innenpolitische Konflikte zu kümmern. Sie wissen, nur Bußgeldbescheide.“
War der Vogt des Lesens nicht mächtig, hatte er sein Augenlicht eingebüßt, jedenfalls blinzelte er nur auf das amtliche Schreiben und beschied uns, die vermeintliche Hexe loszumachen. „Ihr könnt die Frau mitnehmen, aber schafft sie und ihren ganzen Kräuterkram aus der Stadt.“ Da wurde der Amtsschimmel hellhörig. „Kräuterkram? Moment, ich muss mal eben nachsehen, ob das überhaupt erlaubt ist.“ Und er durchwühlte die beiden Säcke, auf denen die völlig verängstigte Frau saß. „Fingerhut, Huflattich, Beinwell! Das ist ja interessant! Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich eine Genehmigung gemäß Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung?“ „Trinkler“, knirschte ich, „das Heilpraktikergesetz wurde ein Jahrhunderte später erlassen, Sie Idiot!“ „Das könnte Ihnen so passen!“ Jetzt schmollte er. „Am Ende bekommen wir noch Ärger, wenn hier Homöopathie auf Krankenschein verschrieben wird!“ Ich zog ihn hoch. „Jetzt machen Sie mir keinen Ärger, schließlich wollten Sie nur einmal nach der Emission von Schadstoffen sehen. Alles andere ist nicht mehr unser…“ „Da!“ Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und stierte in die Höhe. „Ich wette mit Ihnen, diese Regenrinne ist nicht gemäß der wasserrechtlichen Eignung von Bauprodukten durch Nachweise der zuständigen Landesbehörde installiert worden!“ Er war drauf und dran, das Haus zu stürmen. „Das darf man nicht durchgehen lassen! Jetzt stellen Sie sich vor, wir würden hier beide Augen zudrücken.“ „Es würde für die nächsten Jahrhunderte kein Schwein interessieren“, antwortete ich. Doch er hörte gar nicht mehr zu. „Das werde ich der Bauaufsicht melden, so geht das ja nun nicht!“ Schon begann er in seinen Block zu kritzeln, als sich gemessenen Schrittes eine weitere Amtsperson näherte. „Holla, was treibt Ihr da?“ „Oh, die Bauaufsicht!“ Trinkler kletterte vom Geländer herunter; offensichtlich hatte er vollkommen vergessen, wo er sich befand. „Wir müssen da mal ein ernstes Wort mit dem Besitzer reden, der erlaubte Abstand zwischen Schnittgerinne und Fassadenprofil scheint mir um mindestens elf Millimeter unterschritten, meinen Sie nicht auch? Und dem Geräusch hier könnte man auch auf Schweinehaltung in einem Wohnbezirk schließen – das müsste gegen die Gemeindesatzung verstoßen, nicht wahr? Ich finde, wir sollten hier ein Exempel statuieren und…“ Der Büttel hatte offensichtlich schlechte Laune. „Der große eiserne Kasten da hinten ist Euer?“ „Hübsch, oder?“ Trinkler war außer sich vor Stolz. Doch das war dem Wächter gleich. „Das kostet Euch einen Gulden, ersatzweise zwölf Tage Kerker! Wir wollen damit gar nicht erst anfangen, hier herrschen Zucht und Ordnung! Verstanden?“ „Aber was haben wir denn falsch gemacht“, stammelte der Professor, „was war es denn?“ Der Gendarm strich sich den Bart. „Ihr steht im Halteverbot.“
Da der Reichsguldiner mit der Reichsmünzordnung von 1559 eingeführt wurde, kann das Ereignis trotz verschätzter Dilatation ziemlich genau datiert werden.
Da war ich mir nicht so sicher; nach dem Vorbild des florentiner Gulden wurden schon im 14. Jahrhundert Gulden geprägt, die Reichsmünzordnung hat sie, wie der Name sagt, vereinheitlicht.
Wurde das erste Halteverbot nicht für nörgelnde Frauen erlassen?
Es könnte auch die Wasserprobe gewesen sein: einen Schluck in den Mund, zehn Stunden die Klappe halten.
Genau. Blutprobe und Halteverbot für Kampfhunde kam erst Jahrhunderte später.
Aber um diese Zeit herum kam das Reinheitsgebot heraus. Eine nicht zu unterschätzende Errungenschaft, die sich allem Weiblichen widersetzen konnte.
Mal kurz überlegen: fürs Wäscheaufhängen im Hof war dann das Draußenhandelsgesetz zuständig?