Qualitätsarbeit

9 05 2011

„Nehmen Sie doch bitte Platz!“ Buchhart rückte mir den Stuhl zurecht. Ein durchaus geschmackvoll eingerichtetes Büro, dunkles Holz und kolorierte Stiche; der Firma schien es nicht schlecht zu gehen. „Sie kommen auf Empfehlung des Ministeriums, nehme ich an? Gut, dann kann ich Ihnen ja alles zeigen. Immer nur beste Qualität. Mit uns können Sie Staat machen.“ „Und Ihre Auftragsbücher sind voll, sagen Sie?“ Buchhart fuchtelte wichtigtuerisch mit dem Kugelschreiber vor meiner Nase herum. „Durchaus, aber so genau wissen wir das selbst auch nicht. Es gibt derzeit keine Hinweise auf bevorstehende Anschläge, aber es ist in Betracht zu ziehen, dass möglicherweise bereits existente Pläne, die schon seit Langem sozusagen in der Schublade liegen, vorgezogen werden könnten.“

Er breitete einen Stadtplan vor meinen Augen aus. „Die roten Punkte sind unsere bevorzugten Ziele – wenn Sie mal schauen möchten, hier haben wir die Banken, da ist die Oper, wegen der Staatsempfänge, oder möchten Sie eventuell gleich etwas in der Hauptstadt? Ja, das rechnet sich.“ Flink legte er eine andere Karte auf den Konferenztisch. „Hier sehen Sie die besten Szenarien auf einen Blick. Banküberfall, Autobomben, eine Entführung mit oder ohne Lösegeldforderung, optional mit Helikoptereinsatz oder Schusswechsel, falls Sie etwas Spektakuläres für die Abendnachrichten benötigen.“ Ich runzelte die Stirn. „Eine Kleinigkeit vielleicht, um Ihre Leistungsfähigkeit zu testen? Sprengsatz auf dem Weihnachtsmarkt?“ „Bedaure“, antwortete Buchhart. „Saisonale Angebote lassen sich meist nicht so einfach einpreisen. Was im letzten Jahr bei de Maizière noch preiswert war, das ist unter Friedrich schon ein erheblicher Aufwand, weil so viel unsinnige Bürokratie dazukommt. Wir können Ihnen frühestens Anfang November einen Kostenvoranschlag schicken.“ Hatte er etwa mein leichtes Missbehagen erraten? Schnell bemühte er sich, die Wogen zu glätten. „Selbstverständlich sind wir immer gerne bereit, Ihnen ein individuelles Angebot – wenn Sie mal schauen möchten…“

Ordentlich legte Buchhart Spielpläne und Kaderlisten nebeneinander; die ganze Fußball-Weltmeisterschaft erstand aus endlosen Tabellen und Verzeichnissen. „Deutschland wird sich wieder vor dem Fernseher aufhalten“, verkündete er. „Was halten Sie von einem Überfall auf die Nationalmannschaft von Äquatorial-Guinea?“ Ich war verwirrt. „Warum ausgerechnet Äquatorial-Guinea?“ „Es gäbe sicherlich kaum diplomatische Verwicklungen“, erklärte er, „die Spielerinnen aus Nordkorea würde ich Ihnen nicht empfehlen. Dafür garantieren wir jede Menge Action. Blendgranaten, zwanzig Einzelkämpfer, Abtransport der Geiseln im Panzerfahrzeug. Sie werden gefunden, wenn sie sich in eine Funkzelle einloggen.“

„Ihr Personal?“ Er errötete leicht. „Natürlich sind wir momentan immer noch etwas unterbesetzt, aber das gibt sich.“ „Die Bundeswehrreform?“ Buchhart nickte. „Dafür profitieren wir natürlich auch doppelt davon. Einerseits bekommen wir eine Menge fertig ausgebildete Leute, die wir bloß noch einsetzen müssen, andererseits brauchen wir uns über die Organisation gar keine Gedanken mehr zu machen.“ „Die Bundeswehr wird jetzt auch gleich vom Innenminister geleitet?“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Nein, noch nicht! So weit sind wir noch nicht! Aber immerhin brauchen wir vorerst nur die Optimierung auf Einsätze im Innern nachzumachen, die in der Armee sowieso irgendwann kommt. Dazu die Synergieeffekte…“ „Synergie?“ Wieder lief er leicht rot an. „Es werden ja momentan viele Branchen auf Zeitarbeit umgestellt, und da dachten wir… so als gemeinsame Lösung… Sie verstehen?“

Inzwischen hatte er begonnen, Nadeln in eine Deutschlandkarte zu stecken. „Ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, es mit einem Kombi-Angebot zu versuchen? Schauen Sie mal: ein Anschlag auf Bahngleise in Gießen, dann ein kleiner Sprengsatz in Bad Nenndorf – auf Wunsch explodiert er auch nicht – und dazu einen Cyber-Angriff auf das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin?“ „Wozu brauche ich einen Sprengsatz, wenn er nicht in die Luft geht?“ „Sie können zeigen, dass Sie es mit Ihrem Anschlag absolut ernst meinen und dass von Ihnen nur deshalb keine Gefahr ausgeht, weil Sie sich mit der Technik nicht… wie war die Frage?“

Ich stand auf und trat ans Fenster. Er hatte mich nicht überzeugen können. „Vor allem nicht die Kostenseite. Schön, Sie arbeiten also für den Bundesinnenminister? So viel kann sich unsereins nicht leisten.“ „Wir subventionieren doch schon quer“, jammerte Buchhart. „Mehr können Sie von uns nun wirklich nicht verlangen!“ Ich zog hier und dort Nadeln aus der Landkarte. „Das ist ja nicht der Witz – als Steuerzahler komme ich ja ohnehin dafür auf, auch wenn ich Sie nicht selbst miete. Warum veranstalten Sie das alles?“ Er lächelte linkisch. „Zur Sicherheit. Zu Ihrer Sicherheit! Schließlich wollen Sie sich sicher fühlen in diesem Land?“ „Indem ich sehe, wie Sicherheitskräfte gemietete Bombenleger zur Strecke bringen?“ Buchhart verlor immer mehr die Kontrolle über sich. „Ach was – Sie wissen doch, was hier los ist. Sie sehen täglich, was in diesem Land passiert. Der Aufschwung läuft ins Leere, Politiker missachten Recht und Gesetz, lassen sich schmieren und schaffen die Verfassung stückweise ab…“ „Was hat das damit zu tun?“ Er atmete tief durch. „Das fragen Sie? Wollen Sie das alles täglich in den Nachrichten sehen? Ist Ihnen da nicht so eine Polizeitruppe beim Durchgreifen nicht lieber? Denken Sie doch auch mal, was man im Ausland über die Deutschen…“ Jetzt wurde es mir zu bunt. „Buchhart, Sie faseln! Das ist nichts als eine billige Propagandamaschinerie – Sie und Ihre Hobbyterroristen!“ Er schlug mit der Faust auf den Konferenztisch. „Das verbitte ich mir! Wir sind ehrliche Leiharbeiter, die Angst und Schrecken verbreiten, aber wir ziehen daraus keinen Vorteil. Terroristen, das sind die anderen!“