Innerste Sicherheit

16 05 2011

„Aber das ist doch Irrsinn! Wir können doch nicht die Polizei abschaffen.“ „Wir schaffen ja auch nicht die Polizei ab.“ „Aber die Polizisten.“ „Wird denn ein einziger Polizist arbeitslos?“ „Natürlich nicht, aber…“ „Na also. Dann verstehe ich Ihr Gejammer nicht. Bürgerwehren sind doch eine gute Sache für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit.“

„Es geht nicht um weniger Polizisten, es geht darum, dass es nicht mehr sind.“ „Warum sollten es denn mehr werden? Wir haben doch gar kein Geld dafür.“ „Natürlich nicht, es wird ja längst alles in lückenlose Überwachung mit…“ „Wenn wir alles lückenlos überwachen, können wir Straftaten viel besser aufklären, das wissen Sie genau.“ „Ich weiß genau, dass Sie genau wissen, dass das falsch ist. Eine Komplettüberwachung hilft nicht, weil es immer technische Wege gibt, sie umgehen.“ „Dann werden wir sie verstärken.“ „Sinnlos, denn es wird keine Senkung der Kriminalität geben.“ „Das ist noch gar nicht bewiesen.“ „Warum helfen dann Videokameras nicht, Raubüberfälle zu verhindern?“ „Wir können eben nicht überall Videokameras hinbauen. Dazu fehlt uns das Geld.“ „Es sollen auch nicht überall Videokameras hin, weil die nicht helfen. Wer soll denn das ganze Material überhaupt überwachen?“ „Bald werden die Kameras das alles automatisch können, sie werden potenzielle Straftäter vor potenziellen Straftaten erkennen und dann…“ „Potenziell verhaften?“ „Das muss doch gar nicht sein, schließlich haben wir doch die Täter dingfest gemacht.“ „Aber die haben doch noch gar keine Straftat begangen!“ „Weil wir sie durch die Videoüberwachung verhindert haben. Die moderne Technik hilft, die Kriminalität zu senken.“

„Wäre es nicht viel einfacher, einen Teil der ganzen Technik wieder abzubauen und Polizisten einzustellen?“ „Das geht schon deshalb nicht, weil es so viele Polizisten, wie wir für den vollwertigen Ersatz der Überwachungstechnik bräuchten, gar nicht anstellen könnten. So viele gibt es nicht!“ „Das hat auch keiner verlangt – die ganze Technik ist sowieso überflüssig, also warum sollte man Sie ersetzen?“ „Wir brauchen aber auch eine lückenlose Aufklärung von Straftaten, ganz abgesehen von erheblich schärferen Strafen für…“ „Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Es ist gar nicht Aufgabe der Polizei, über Strafen zu entscheiden.“ „Aber machen Sie das doch mal dem Mann auf der Straße klar – die Polizei fängt einen Straftäter, aber man weiß gar nicht, wie der bestraft wird. Haben Sie eine Ahnung, was die Zeitungen schreiben?“

„Warum kann man nicht einfach mit mehr Polizeipräsenz gegen Straftäter vorgehen?“ „Weil es so viele Polizisten gar nicht gibt.“ „Dann muss man sie eben ausbilden.“ „Aber das kann doch keiner bezahlen!“ „Innere Sicherheit kostet nun mal Geld – Videokameras und Vorratsdatenspeicherung sind auch nicht kostenlos.“ „Wenn wir jetzt plötzlich die Mindestspeicherdauerdatenpflicht abschaffen, dann haben wir auch nicht auf einmal doppelt so viele Polizisten.“ „Das hat auch keiner verlangt, wir werden die Polizisten ausbilden und beschäftigen und…“ „Und deshalb lehne ich es auch ab, die Mindestdatendauerspeicherung abzuschaffen.“ „Es gibt doch noch gar keine Vorratsdatenspeicherung.“ „Das ist doch das Problem: gäbe es sie, könnte man nachweisen, dass sie auch nicht unwirksamer ist als die Polizisten, die keine Straftaten verhindern, weil sie nicht eingestellt werden.“

„Aber wozu brauchen wir Bürgerwehren?“ „Man kann doch den Kriminellen nicht die Straße überlassen – es geht doch ums Prinzip!“ „Ich dachte, es ginge um innere Sicherheit?“ „Natürlich, es muss doch innerste Sicherheit herrschen.“ „Innerste? Ich dachte, wir wollten äußerste?“ „Die ist zugleich gut gegen die innere Unsicherheit.“ „Also die innerste Unsicherheit?“ „Auf jeden Fall geht es ums Prinzip. Wir haben so viele Fälle von Betrug, es werden Frauen unterdrückt, die Kinder gehen nicht ordentlich zur Schule und werden arbeitslos, da müssen wir als Staat einschreiten und können nicht einfach zusehen.“ „Und wie schreitet man als Fußstreife gegen Betrug und häusliche Gewalt ein?“ „Durch Polizeipräsenz. Wir als Staat haben eben das Gewaltmonopol, deshalb wird es diese Straftaten in Zukunft auch nicht mehr geben, wo wir unsere hoheitlichen Aufgaben wieder mehr wahrnehmen.“ „Und Sie glauben, dass sich das mit privatisierten Schutztruppen erledigen lässt?“ „Aber ja, diese Menschen haben doch viel Erfahrung. Sie könnten durch verstärkte Präsenz in den Vierteln, in denen sie wohnen, für verstärkte Präsenz sorgen. Natürlich freiwillig.“ „Also die Bürgerpolizisten sind freiwillig da präsent, wo sie ohnehin präsent sind – was bringt das für die Sicherheit?“ „Es kann zumindest nicht schlimmer werden.“

„Warum wollen Sie eigentlich unbedingt eine private Truppe losschicken?“ „Weil wir einfach nur die Interessen der…“ „Diese Bürgerwehr hat doch für den Ernstfall überhaupt keine Befugnisse.“ „Das ist doch nicht das Problem. Wir können uns doch nicht den Kriminellen unterwerfen, die teilweise ganze Stadtviertel kontrollieren, in denen die Kinder nicht mehr zur Schule gehen.“ „Nur vertritt so eine Truppe überhaupt nicht das Gewaltmonopol des Staates.“ „Das ist doch gar nicht wichtig, die Hauptsache ist: wir sind präsent.“ „Wenn ich nur ein bisschen Aufmerksamkeit erregen will, wozu stelle ich dann Hilfspolizisten ein, die bei einer Straftat weder einschreiten noch ermitteln, weil sie keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen dürfen.“ „Und?“ „Sie könnten stattdessen auch irgendeine Kamera in die Gegend stellen, die ist auch präsent und verhindert keine Straftaten.“ „Haben Sie das Prinzip jetzt begriffen?“ „Es kann doch nicht sein, dass es keine innere Sicherheit gibt, nur weil der Staat sich weigert, das erforderliche Personal zu finanzieren.“ „Wir tun ja etwas dagegen. Aber Sie weigern sich ja beharrlich, die Bundeswehr im Innern zuzulassen.“ „Was hat denn jetzt die Bundeswehr damit zu tun? Die soll doch auch abgeschafft werden?“ „Man könnte sie ja im Zuge der Neustrukturierung auch privatisieren, oder noch besser: durch unsere Präsenzkräfte aus den Problembezirken verstärken und schließlich ganz durch sie ersetzen.“ „Mit welchem Ziel soll das denn passieren?“ „Dann hätten wir nicht mehr das Problem, dass es sich um hoheitliche Aufgaben handelt.“ „Sie wollen eine Bürgerbundeswehr?“ „Sagen wir lieber, eine Bundesbürgerwehr. Das käme den Aufgaben unserer Kräfte viel näher.“ „Wozu soll diese Truppe denn nun da sein?“ „Wir gehen gegen den Feind im Innern vor. Dazu bedarf es ja schließlich einer gut ausgebildeten Armee.“ „Der Feind im Innern? Was hat man sich darunter denn nun wieder vorzustellen?“ „Wir haben hier sozusagen den Open-Air-Vollzug. Bisher kamen wir kaum in die Problembezirke rein, mit unserem Konzept kommt der Feind gar nicht erst mehr raus.“ „Das klingt nach Straflager.“ „Es ist ja auch für die entsprechenden Zielgruppen gedacht. Hartz-IV-Gruppierungen, Nichtdeutsche und ähnliche Straftäter. Das sind die Keimzellen der Zersetzung, gegen die wir Präsenz zeigen müssen.“ „Und wozu eine Bürgerwehr?“ „Sollen wir die Bezirke denn einzäunen?“ „Wäre eine Möglichkeit – wozu eine Bürgerwehr?“ „Sie wissen ja, eine Feuerwehr hilft gegen Feuer und die Gefahr, die von ihm ausgehen könnte, wenn man es nicht rechtzeitig bekämpft und auslöscht. Und eine Bürgerwehr…“