„Kann man denn überhaupt noch irgendwo Urlaub machen?“ „Urlaub? Sie wollen wohl der Wirtschaft in den Hintern treten!“ „Reden Sie keinen Quatsch, die Tourismusbranche will auch leben.“ „Sie haben ja Recht, ich wollte Sie nur ein bisschen auf den Arm nehmen.“ „Gut, was können Sie mir dann als Reiseziel empfehlen?“ „Etwas ganz Exklusives. Da waren Sie noch nie. Unheimlich exotisch.“ „Na?“ „Den Hunsrück.“
„Hunsrück? Letztes Jahr hatten sie doch noch Algarve im Programm?“ „Das geht nicht mehr.“ „Und Rimini?“ „Aus.“ „Chalkidiki?“ „Sie sind wohl nicht mehr ganz bei Trost? Nächste Woche gibt das Auswärtige Amt Reisewarnungen aus.“ „Weil die Griechen ständig demonstrieren?“ „Weil die Sie totschlagen werden, wenn sie merken, dass Sie Deutsche sind.“ „Hat denn Deutschland nicht schon für den Rettungsschirm gezahlt?“ „Ja, aber trotzdem…“ „Zahlen wir denn nicht weiter für die Griechen ein?“ „Ja, das schon. Auch wenn es nicht so aussieht. Schäuble hat nicht verstanden, worum es geht, und wenn Merkel schon mal alles ablehnt, dann wissen Sie ja, wie es ausgeht.“ „Und warum soll ich dann nicht in den Süden fahren?“ „Weil es zu gefährlich ist.“ „Krankheiten?“ „Schlimmer. Da leben lauter Südländer.“ „Und das Problem daran?“ „Sie könnten sich infizieren.“ „An der Krankheit?“ „An den Südländern.“
„Was ist denn nun eigentlich los mit diesen Südländern? Warum sind die so gefährlich?“ „Das sind diese fremden Kulturen, die man nicht in die jüdisch-christliche Leitkulturnation reinlassen darf. Immerhin war Spanien einmal voller Muslime und hat uns die Sarrazinen hinterlassen.“ „Weil die Kanzlerin gesagt hat, dass sein Buch falsch war?“ „Das Buch war schon okay, er war dafür nur in der falschen Partei. Und mal ehrlich, ‚Südländerkritik‘, das klingt doch auch gleich viel freundlicher als ‚Ausländerfeindlichkeit‘.“ „Mag ja alles sein, was ich mich nur frage: was ist denn eigentlich so schlimm an den Südländern?“ „Dass sie Südländer sind. Die kennen sich mit diesen ganzen deutschen Traditionen, die wir bewahren müssen, ja gar nicht aus. Spanien war schon einmal das Einfallstor des kulturellen Fortschritts aus der arabischen Welt – hoffen wir nicht, dass das noch mal passiert.“
„Was wirft die Merkel den Südländern denn nun eigentlich vor? Dass sie arm sind?“ „Die Südländer kriegen beispielsweise ständig irgendwelche Kinder.“ „Kopftuchmädchen?“ „Nein, normale.“ „Das ist doch aber gut? Die tun das gegen den demografischen Wandel, was die Regierung von uns eigentlich auch verlangt.“ „Eben nicht. Das sind doch nur neue Arbeitslose, verstehen Sie?“ „Das könnten doch dann die sein, die hier bei uns den Fachkräftemangel ausgleichen?“ „Nein, eben nicht! Das sind doch bloß Südländer, geht das nicht in Ihren Schädel rein?“ „Wo ist denn jetzt das Problem?“ „Das sind Südländer, Mann! Sie denken doch nicht ernsthaft, dass das, was die machen, richtig sei, nur weil es für Deutschland erwünscht wäre.“ „Weil es sich um Südländer handelt?“ „Herrgott, Sie müssen das wertorientiert verstehen. Die CDU ist ja vor allem eine Wertepartei, und diese Knoblauchfresser sind nun mal wertlos.“ „Jetzt überlegen Sie doch mal. Das Problem ist ja nicht, dass es den Ländern wirtschaftlich so schlecht geht, das Problem ist vielmehr, dass es uns nur gut gehen kann, wenn es denen schlechter geht. Die arbeiten mehr als wir, die haben ein Viertel weniger Urlaub, die nehmen niedrigere Löhne und finanzieren uns noch den Exportüberschuss. Was pöbelt da Merkel die portugiesische Regierung an?“ „Die CDU-Vorsitzende hetzt ja nicht gegen die Regierungen, sondern gegen die Menschen. Aber die Griechen und die Spanier sind doch viel klüger als die Merkel. Die bezeichnen die Deutschen ja auch nicht als verlogene Rassisten, nur weil ihre Regierungschefin eine ist.“
„Dann zeigen Sie mir trotzdem mal was von da unten.“ „Ballermann kann ich Ihnen empfehlen. Da ist man als Deutscher unter sich.“ „Besten Dank, aber dann kann ich ja gleich im Sauerland bleiben.“ „Würde ich Ihnen nicht empfehlen.“ „Weil dann die Spanier kommen und demonstrieren?“ „Wegen der Devisen. Hier ist jetzt Flasche leer. Land des Schwächelns, Sie verstehen?“ „Weil diese faulen Südländer statt mehr Urlaub jetzt einfach noch höhere Löhne haben wollen? oder noch viel mehr Sozialversicherung?“ „Wegen Deutschland. Wir sind die Bremser und haben viel zu oft gegen die Stabilitätskriterien verstoßen.“ „Wenn Deutschland jetzt Schuld ist, warum macht dann Kanzlerin die anderen dafür verantwortlich?“ „Kennen Sie das Muster nicht? Wo haben Sie denn in den letzten fünfzig Jahren gelebt? Wenn es Arbeitsplätze gibt, sind die Ausländer zu faul zum Arbeiten, wenn es keine gibt, dann nehmen sie uns die Arbeit weg.“ „Und das ist noch Wirtschaftspolitik?“ „Wer hat das denn behauptet? Das ist Merkels neuer Präsidialstil. Seit Westerwelle nur noch Minister auf Abruf ist, ist er auch nicht mehr für die Blamagen im Ausland zuständig. Sie erledigt das jetzt gleich mit.“
„Ob wir an die Nordseeküste sollten?“ „Sehen Sie? Man gewöhnt sich daran.“ „Nein, es ist nur… Dass sich eine Bundeskanzlerin so weit herablässt, mit Stammtischpopulismus zu profilieren?“ „Sie sollten einfacher denken.“ „So einfach wie Westerwelle, der die Wirtschaft…“ „Einfacher. Einfacher!“ „Wie Seehofer, der…“ „Viel einfacher. Versuchen Sie nicht, etwas durch Bosheit zu erklären, was aller Wahrscheinlichkeit nach durch Dummheit zustande kommt.“
Satzspiegel