Sinkfluch

25 05 2011

„Und das ist jetzt alles?“ „Wie, alles?“ „Ist das jetzt alles? Mehr fällt Ihnen nicht ein? Nur das bisschen Heißluft? Ansonsten ist Ende der Fahnenstange?“ „Aber ich bitte Sie – die Liberalen sind noch nie um eine Antwort verlegen gewesen.“ „Das Problem sehe ich auch.“ „Und wir haben auch schon eine vollkommen neue Perspektive für eine freiheitliche Politik, die den Interessen der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger, die sich als freie Menschen in einer freiheitlichen Demokratie, in der ein Markt für ihre…“ „Also Steuersenkungen.“

„Wir als Liberale, und ich sage das jetzt auch ausdrücklich für uns als Freidemokraten, sind doch auch aufgefordert, uns über alltägliche Probleme der freiheitlich gesonnenen Menschen…“ „Also Steuersenkungen?“ „Hören Sie mir doch erstmal zu. Es geht schließlich um die Zukunft, um die ich, und ich sage das ausdrücklich als Liberaler, dessen…“ „Also Steuersenkungen. Wenn Sie als FDP schon mal etwas von Zukunft erzählen, dann geht’s doch sowieso nur um Ihre eigene.“ „Nein, das sehen Sie ganz falsch. Wir müssen uns jetzt als Liberale…“ „Sie müssten. Aber Sie können nicht.“ „Natürlich ist es im Augenblick sehr schwierig. Aber das liegt ausschließlich an den Staatsfinanzen, nicht an unseren Anstrengungen, als Teil dieser überaus erfolgreichen bürgerlichen Regierung…“ „Erfolg? habe ich das verpasst?“ „Naja, wir haben nicht geliefert, wir haben das aber auch so nicht genug kommuniziert. Das liegt nur an den Medien, aber als FDP sage ich Ihnen…“ „Vielleicht liegt es ja daran, dass Sie gar kein Geld haben.“ „Das ist doch nur ein Problem mit dem Bundeshaushalt. Wir sind doch die FDP.“

„Aber mal im Ernst, wollen Sie nicht bis zur nächsten Bundestagswahl mal langsam von diesem Image der Einthemenpartei weg?“ „Wir sind doch keine Einthemenpartei – doch nicht wir als FDP! Schließlich haben wir jetzt sogar den Liberalismus für uns entdeckt. Und ich denke, ich als Liberaler kann Ihnen sagen, dass wir als FDP hier eine ganz neue Chance sehen, uns breiter aufzustellen und neue Inhalte für unsere Wähler zu erschließen.“ „Als da wären?“ „Man müsste sich beispielsweise einmal Gedanken machen über die Höhe der Steuerbelastung für Leistungsträger.“ „Also doch wieder nur…“ „Immerhin haben wir diese neue Perspektive für eine liberale Anschauung vorher nicht berücksichtigt.“ „Sie haben doch die ganze Zeit von nichts anderem gesprochen als von Steuersenkungen?“ „Ja, aber nicht unter dem Gesichtspunkt einer liberalen Partei, und das sage ich hier ganz bewusst als FDP, die zusätzlich zu den Programmpunkte, die sie erfolgreich aus ihrem enorm erfolgreichen Wahlkampf auch in den Koalitionsvertrag hat übernehmen können, noch ein weiteres Thema entdeckt hat, das die Menschen in diesem Land wirklich sehr bewegt.“ „Das hört sich fast an, als sei Ihr liberaler Laden plötzlich zu einer Kümmererpartei mutiert.“ „So könnte man das sehen. Wir wollen, dass sich die Menschen in diesem Land in ihrem individuellen Alltag Sorgen machen können wegen uns als FDP.“

„Was soll das eigentlich werden? Auf der Partei lastet ein Sinkfluch.“ „Da täuschen Sie sich. Wir haben als FDP eine ganz neue Herangehensweise gefunden.“ „An die liberale Politik?“ „An die Konsolidierung des Bundeshaushalts. Wir müssen da noch viel flexibler werden.“ „Zum Beispiel?“ „Wir haben uns extra bis in diese Legislaturperiode Zeit gelassen.“ „Könnte das nicht auch damit zusammenhängen, dass Sie in der letzten noch gar nicht in der Regierung waren?“ „Keinesfalls, wir haben ja unsere Vorgehensweise – rhetorisch zumindest, und mehr brauchten wir als FDP ja gar nicht – auch nicht viel verändert. Wir haben ganz einfach eine neue Lage abgewartet. Jetzt haben wir den richtigen Partner im Finanzministerium.“ „Und was ändert das?“ „Wenn sich, rein zufällig natürlich, noch irgendwelche Spielräume in der Haushaltsführung auftun sollten, dann könnte man doch über eine Steuersenkung reden.“ „Was hat das mit Schäuble zu tun?“ „Denken Sie nur an die Briefumschläge in seiner Schreibtischschublade. Irgendwelche Spielräume sind seine Spezialität.“

„Trotzdem, Sie werden sich so keine Freunde machen. Wenn Sie die Steuern schon nicht senken, dann machen Sie sie wenigstens einfacher und gerechter.“ „Aber das geht doch nicht – die Leistungsträger können vor lauter Steuerlast schon gar nicht mehr in Deutschland bleiben.“ „Und wenn Sie jetzt für eine Vereinfachung sorgen?“ „Die wirklichen Leistungsträger haben gar nichts davon, die zahlen doch in Deutschland sowieso keine Steuern. Also können wir uns das als FDP auch gleich schenken.“ „Damit Sie hinterher hören, dass Sie einfach nicht geliefert haben.“ „Was wollen Sie eigentlich? Selbstverständlich haben wir geliefert. Fragen Sie mal die Bänker und die Hoteliers.“

„Außerdem haben Sie als Liberale ja schließlich schon eine ganz großartige Gesundheitsreform hingelegt.“ „Das waren wir nicht. Das war noch unter Westerwelle. Das war alles früher. Gilt nicht mehr.“ „Aber der Typ, der das verbockt hat, ist jetzt Parteivorsitzender?“ „Damals konnte er eben sein Talent noch nicht so entfalten, denn da war er ja noch nicht Parteivorsitzender.“ „Und jetzt ist er Vorsitzender und erfindet die Konjunktur neu?“ „Wieso die Konjunktur?“ „Vorher haben Sie als FDP bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, dass ohne Steuersenkungen die deutsche Wirtschaft zum Scheitern verurteilt sei. Jetzt haben wir unter dieser riesigen Steuerlast und trotz der drückenden Sozialabgaben plötzlich ein Wirtschaftswachstum, wie wir es seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. Wozu also brauchen wir Steuersenkungen?“ „Man sollte doch erst einmal den Haushalt konsolidieren, meinen Sie nicht auch? Wir als FDP…“ „Bitte? Jetzt plötzlich wollen Sie den Haushalt – welche Finanzen denn nun genau?“ „Na, die der FDP.“