Scheiden tut weh

9 06 2011

„Das ist aber nett, Frau Merkel! Ja, da freue ich mich – und so schnell. Aber ich kann’s ja verstehen. Sicher, mir wäre auch nicht wohl. Nur immer raus damit, wozu haben Sie sich denn nun entschlossen? Scheidung? Rosenkrieg? Sehr gut. Das wird die Schwierigkeiten beseitigen. Also Ihre, Frau Merkel. Wer redet denn noch von der FDP.

Zerrüttung. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie die Koalition auch noch im zweiten Jahr aufkündigen können. Sie müssen nur nachweisen, dass Sie und die Gurkentruppe nicht in der Lage sind, und dann werden Sie vom Wähler sowieso als unzumutbare Härte betrachtet. Schwere Verfehlung, Frau Merkel. Nein, nicht von Ihrer Seite – gut, in dem Fall vielleicht auch, wir wollen das mal nicht auf die Goldwaage legen. Ehrloses und unsittliches Verhalten, Frau Merkel. Wenn man spürt, dass der Bund fürs Leben nichts mehr wert ist. Gründe? Ständiger Streit, fortwährende Beschimpfungen, Vernachlässigung des Haushalts. Und das sollte sich Schäuble wirklich nicht gefallen lassen.

Sicher, da ist ein Unterschied. Steinmeier, Sie haben ihn noch in Erinnerung, und Münte, das waren harte Brocken, Überzeugungstäter, das waren noch politische Schwergewichte. Die haben Ihre Führungsschwäche erst öffentlich zur Kenntnis genommen, als der Wahlkampf anfing. Davor waren sie so nibelungentreu, wie es heute nicht einmal die Grünen wären. Müntefering, Steinmeier, das waren doch noch Koalitionäre. Rösler, das ist halt, naja, Rösler. Sie wissen schon.

Wozu die Auseinandersetzung? Er war zwar, man soll Gerüchten auch mal glauben, irgendwann Arzt, vermutlich sogar Gesundheitsminister, aber dass er medizinisches Personal attraktiv bezahlen will, also oberhalb, ja! oberhalb des Mindestlohns! Bei einem Marktradikalen, der ständig propagiert, dass Leistungsbereitschaft und eine nachgefragte Qualifikation automatisch zur Knappheit und zum Anstieg der Löhne führen muss, weil die Freiheit des Marktes alles ohne Sozialstaat reguliert! Frau Merkel, wenn Sie die Drähte zur Gewerkschaft noch nicht gekappt haben sollten, bringen sie ihm bei, wie Tarifverträge funktionieren. Und lassen Sie sich nicht beeindrucken. Das ist der Beweis, dass der Vorsitz der Freidemokraten an das dümmste Arschloch der Partei vererbt wird. Ein besserer Scheidungsgrund läuft Ihnen nicht ins Messer.

Lindner? Putzig! Nein, wirklich – ich finde das allerliebst, wie der Jungspund sich abmüht. Die CDU muss die politischen Konsequenzen des Atomausstiegs alleine tragen? Das hat er gesagt? Da fielen mir zwei Möglichkeiten ein. Entweder, er will ganz schnell die Koalition aufkündigen, weil er die FDP momentan wieder oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde sieht, oder er meint, die Energiekonzerne könnten mit liberaler Hilfe den Staat verklagen – nein, das würde bei Lindner Kompetenz voraussetzen, vergessen Sie das wieder. Vergessen Sie das, Frau Merkel. Es geht nur um Neuwahlen. Also bieten Sie ihm Neuwahlen an, wenn er nicht die Klappe hält.

Dem Wähler etwas andrehen, was er gar nicht wollte, ein paar Lobbyisten hinten reinkriechen, unter Umgehung von Verfassung und Parlament ein Umverteilungsgesetz durchpeitschen, dabei aus vollem Lauf auf die Schnauze kippen, sich erst für den Erfolg beweihräuchern, dann feststellen, dass er gar nicht stattgefunden hat, und schließlich die Opposition dafür anpöbeln, dass außer enormen Mehrkosten bei der 360-Grad-Drehung nichts herumgekommen ist? Das ist doch lupenreine FDP-Politik! Was will denn dieser Weichstapler noch?

Die Vertrauensfrage? Frau Merkel, bloß nicht! Wenn Sie jetzt einen vernünftigen Kompromiss hinkriegen, wie bei Hartz IV, wo die SPD es als großen Durchbruch feiert, dass sie dem zustimmen können, was sie vorher abgelehnt hatten, wenn Ihnen das gelingt, dann sind Sie auf der sicheren Seite, aber nicht in der Koalition. Und wenn Sie etwas durchboxen wollen, coûte que coûte, sind Sie auch auf der sicheren Seite, aber nicht in der Koalition, weil die FDP instinktiv umkippt. Diese Partei ist wie ein Hundehaufen. Einmal reintreten, und Sie werden ihn nicht wieder los.

Sie werden es nicht schaffen, Frau Merkel? Aber sicher werden Sie das! Sie haben die SPD weggeputzt, Sie wollen die Grünen erledigen, dazwischen haben Sie im Alleingang die ganze CDU kaputtgespielt, und jetzt haben Sie Angst, dass Sie die FDP nicht an die Wand geklatscht kriegen? Schäuble hat Ihren Piccolo angezählt, Sie wollen Ihn nicht auszählen? Wo bleiben Ihre Führungsqualitäten, Frau Merkel? Angst, plötzlich alleine zu sein und sich nicht mehr in der Politik zurechtzufinden? Dann sind doch immer noch die Grünen da, oder vorerst das, was Sie von der SPD übrig gelassen haben. Damit kriegen Sie ein Jahr Schadensbegrenzung und ein Jahr Wahlkampf doch wohl über die Bühne? Jetzt nicht aufgeben, Frau Merkel! Fassen Sie Mut! Die Springer-Presse hat die Liberalen schon abgehakt, das Ausland rechnet nicht mehr mit der Bundeswehr oder der deutschen Wirtschaft, und Sie haben Westerwelle überlebt. Als Außenminister darf er sich die Eselsmütze aufsetzen lassen, Sie als Bundeskanzlerin braucht das nicht zu kümmern. Keine Sorge, Frau Merkel, Sie werden das hinkriegen. Auch wenn’s jetzt einmal ganz kurz schmerzhaft wird – machen Sie einfach, was Sie wollen. Als Kanzlerin der Beliebigkeit werden Sie schon eine Umfrage finden, auf die Ihr Verhalten passt. Und ansonsten: Sie wissen doch noch, wie das mit dem Neustart geht?“