
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Soweit man den Überlieferungen glauben kann, die sich nicht mit Tidenhub und Schuhmode wieder ändern, sind drei Dinge sicher, wofern es sich um organisches Material in der Einflugschneise der Konsequenzen handelt: der Tod, die Steuern, nicht zuletzt aber die Sinnlosigkeit, die sich täglich in den Schrunden dieses Daseins zeigt, als hätte das Geschlecht der Echtprimaten mit seiner puren Existenz nicht schon genug Zores über den Planeten gebracht.
Halb geritten, halb zu Fuß trampelt das Schildbürgervolk dem Kaiser entgegen und kriegt dafür lebenslang Narrenfreiheit verpasst; ähnliche Talentdetonationen hocken heute in Bauämtern, sperren historische Treppenfluchten, wenngleich nicht ohne Warnhinweis auf die renaissancetypische Stufenhöhe, und setzen in Einklang mit aktuellem Baurecht den aktuellen Status als unveränderbar fest, da es sich um ein stilprägendes und daher schutzwürdiges Baudenkmal handelt, dessen Unversehrtheit vor allem im optischen Eindruck liegt, nicht im Gebrauch einer Stiege – vor Gebrauch schütteln, nach dem Schütteln ist das Zeug aber nicht mehr zu gebrauchen. Wo immer der halbwegs gesunde Menschenverstand Pest und Pickel bekommt, ist der natürliche Feind des Erkenntnisvermögens nicht weit: der Inquisitor der verwaltenden Welt, wie sie den Krümmungsgrad der Gurke europäisch normiert, die Apfeligkeit der Frucht an Umfang und Gewicht bemisst (alles andere gilt für die Agrarkommissare nicht als Apfel im Sinne des Erfinders und darf nicht einmal verschenkt, nur verklappt werden) oder den Kohlensäuregehalt des Champagners in einem Maße zu beschränken, dass es Herstellern und Distributeuren an der Sitzfläche vorbeischrammt, während der Konsument um die sortentypischen Charakteristika gebracht wird. Hauptsache, in den Karpaten kann niemand französisches Bitzelwasser kaufen, wie es einem verdübelten Antialkoholiker in Brüssel in den Kram kommt.
Nicht jeder Riss passt aber in ein Hirn der bürokratischen Beknackten, manch einer ist schon vor einer Ausbildung zum Millimeterpapierstanzer in der Lage, die entscheidenden Hebel zu verklemmen, indem er die rationale Ordnung, die jeder Kritik standhaltende praktische Vernunft, durch Synapsenplüsch zum Widersinn macht. Findet sich der charakterlich gereifte Hominide, zumal im Vollbesitz seiner geistig-moralischen Features, mit den Absurditäten der Conditio humana ab, die ihm außer Blut, Schweiß, Tränen und mittelmäßigem Fernsehprogramm gerade mal die Aussicht auf ein Einzelbegräbnis verheißt, so kann er sich immer noch entscheiden, ob er zu den Sinnsuchern gehört, die durch Religion, Fußball oder Alkaloide sowie jegliche Kombination dieser Bestandteile die Zeit bis zum Abpfiff möglichst sinnvoll nutzen wollen, oder zu den Nihilisten, Existenzialisten und Agnostikern, denen die Aporie fürs erste reicht. Aber selbst orthodoxe Anarchisten kämen nicht auf die Idee, die Amtsräume eines Behindertenbeauftragten ins Obergeschoss eines Altbaus zu verlegen, da, wo ein Lift aus architektonischen Gründen nicht einzuziehen ist, so dass die Etage lediglich über eine Wendeltreppe zu erreichen bleibt. Weil Menschen nicht denken, obwohl sie es könnten, genauer: weil dem Durchschnitt denkähnliche, ergebnisorientierte Vorgänge zuzutrauen und zuzumuten sind, noch genauer: weil diese Flusenlutscher schlicht zu hirnweich sind, um das mit dem Denken ordentlich auf die Reihe zu kriegen.
Gegenthese: alles das geschieht, eben weil die subfontanelle Dünnbesiedelung, die intellektuelle Vorgänge nicht oder nicht besonders erfolgreich ermöglicht, zu gezielten Steuerungsprozessen eingesetzt wird, wo sie doch schon mit der Koordination frequenzvarianter Grunzlaute mehr als technisch überfordert wäre. Erst die Abstraktion des Denkens vom Zwang der Sinnhaftigkeit, erst die Unterordnung des Wesentlichen unter das Diktat des Überflüssigen ermöglichen dem Bekloppten, sich eine Raumkrümmung zuzulegen, für die eine aufgeklärte Bevölkerung ihn schlüge (und faktisch schon schlägt), sichtbar am schönsten in der nie nachlassenden Bestrebung des Primatenpacks, sich auf rationelle Art über die Wupper zu bringen. Der Mensch hat alles erfunden, Speer und Schleuder, Hellebarde und H-Bombe, um sich und seine Artgenossen in möglichst kurzer Zeit als Ensemble auszurotten. Panzerfäuste und Patronen hortet der Schimmelhirnbenutzer in erklecklicher Menge, wiewohl es auch sein vermeintlicher Feind tut (dem in Wirklichkeit die Existenz anderer Völker völlig wumpe ist, wenn er nur mit Nahrungsmitteln und einigermaßen erträglichen Schlagern versorgt wird), und seine Logik überdreht die entscheidende Stelle der Spirale: wenn es zum finalen Geballer käme, das die Beschränkten von Antlitz dieser Erde fegte, der Egoleptiker wäre doch beim Erstschlag noch im Recht und ginge, sinnlos und daher doch genau so beabsichtigt, nicht als Erster ein. Und wenn der Bekloppte jetzt noch, befragt, wie es sich in dieser selbst geschaffenen Hölle der Absurdität überhaupt ohne kontinuierliches Kotzen leben ließe, die Bombe als Garant für den Frieden bezeichnete, schlimmer: als wunderbares Schicksal, das dem kompletten Landstrich Arbeitsplätze verschaffen würde, dann wüsste der zufällig vorbeisegelnde Alien, dass der schwanzlose Altweltkrabbler am Ziel seiner kranken Wünsche angekommen ist. Nicht der Sinn ging verloren, die Sinnlosigkeit ist wieder gefunden. Ein Grund mehr, diesen Planeten weiträumig zu meiden. Bis er sich irgendwann erholt hat. Von uns.
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