Die Show muss weitergehen

14 06 2011

„Haben Sie sich schon entschieden? Nein, ich frage nur. Um ehrlich zu sein, es ist jetzt sechs Wochen her, da möchte man doch auch langsam mal wissen, woran man ist. Die Stabilität, verstehen Sie. Die internationalen Bündnisse. Und worauf man sich in der Sicherheitsgesetzgebung einstellen kann, wir müssen uns ja demnächst in der Koalition wieder über Vorratsdatenspeicherung und Terrorgesetze unterhalten, da wäre es schon ganz praktisch, wenn man die Nomenklatura kennt. Und die Amerikaner werden vermutlich auch langsam nervös, wenn Sie sich nicht auf einen offiziellen Nachfolger einigen können. Dazu war bin Laden einfach zu wichtig.

Sie haben jetzt den Kashmiri auch noch umgebracht, das war wohl ein Versehen? Na, kann doch sein. Jedenfalls verdammt schlechtes Timing, wenn ich mir diese Kritik an unseren Verbündeten erlauben darf. Ganz schlecht. Schauen Sie sich mal die finanzielle Situation in den Vereinigten Staaten an, da geht ja bald gar nichts mehr. Wie wollen Sie da ohne eine ordentliche Heimatschutzpolitik noch regieren? Sie müssten das Geld ja glatt für den Sozialetat aus dem Fenster schmeißen – das geht doch nun wirklich nicht! Ein ägyptischer Kinderarzt? Das ist jetzt nicht Ihr Ernst! Kann denn der Rösler überhaupt Arabisch? Einer wird sich doch mit dem befassen müssen, und der Rösler hat ja nicht in Jura versagt wie die meisten seiner Parteikollegen. Der ist ja in Medizin gescheitert.

Klar, das weiß man nie. Bei diesem Nigerianer war aber allgemein bekannt, dass er nur ein kleines Licht gewesen sein kann. Die Verbündeten haben sich wahrscheinlich den ganzen Vormittag geärgert, dass Sie ihre Einsatzplanung für die nächsten Wochen über den Haufen geworfen haben. Das war ziemlich unnötig. Und denken Sie nicht, man sollte mit den Terroristen besser kooperieren? Stellen Sie sich mal vor, die haben irgendwann die Nase voll, weil sich der Westen nicht an die Abmachungen hält, und dann passiert hier gar nichts. Was? Ach so, jetzt passiert ja auch schon nichts, Weihnachten gab es nicht einen einzigen Anschlag, obwohl sie auch keinen angekündigt hatten – aber stellen Sie sich bloß mal das Gegenteil vor: die drohen damit, Deutschland auszuradieren, und dann passiert nichts. Nichts! Katastrophe! Und die Show muss doch weitergehen!

Assad ist keine Option, Assad ist ein ernsthaftes Problem. Das sehen Sie schon daran, dass er die Schuld für die Menschenrechtsverletzungen nicht den Amerikanern oder irgendwelchen westlichen Provokateuren in die Schuhe schiebt, sondern seiner eigenen Opposition. Der Mann hat tatsächlich noch politische Ambitionen. Er ist ein Schlächter, das ist richtig, und dass er dafür an die Wand gestellt gehört, darüber müssen wir nicht reden. Aber die EU hat Sanktionen gegen Assad beschlossen. Er ist immer noch die Regierung. Das Problem ist, wir müssen die Demokratie in Syrien einführen. Und mit Demokratie meine ich: richtige Demokratie. Nicht das Zeug für Gäste.

Libyen? Nicht, dass ich wüsste. Die UNO hat etwas Trara gemacht, wir haben uns lange und ganz betroffen über Flugverbote unterhalten, weil wir wussten, dass es sowieso zwecklos ist, dann hat Westerwelle ganz entschieden festgestellt, dass er nichts festgestellt und nichts entschieden hat – er war dagegen, hat uns aber nicht verraten, was – und dann wurden es plötzlich wieder 60 Millionen Dollar pro Monat, die Hälfte mehr als geplant. Und wir kämpfen jetzt auch gegen Muammar, aber erst, wenn er tatsächlich weg ist.

Der Gaddafi, das wäre eine gute Alternative. Weil er ein islamistischer Fanatiker ist? Ach wo, das ist doch Kokolores. Alles nur gespielt. Der Osama war genau so islamisch wie Sarah Palin christlich ist. Schauen Sie mal, seit Monaten hört man nur noch geistesgestörtes Gewäsch aus der Richtung, aufs eigene Vo9lk schießen, sich für die größte und stärkste Nation der Welt halten, die um Selbstgerechtigkeit kämpft – also ich rede jetzt von Gaddafi, nicht, dass Sie es falsch verstehen.

Nehmen Sie das jetzt nicht auf die leichte Schulter. Das FBI will noch intensivere Kontrollen in alle möglichen Daten, die der amerikanischen Wirtschaft – auf jeden Fall brauchen wir einen Anlass, um eine Reihe neuer Gesetze schnell und unbürokratisch auf den Markt zu bringen. Das geht nur mit einer Identifikationsfigur. Sonst stimmt wieder keiner unbesehen zu.

Doch, bleiben Sie bei Gaddafi. Der Mann hat alles, was Sie sich wünschen können. Das ist der Haupttreffer, wie der Sieger im Schurkencasting Wir haben ihn für seine Ölvorräte freundlich unterstützt, nachdem er sich an die Macht geputscht hatte; wir waren furchtbar erschrocken, als wir festgestellt haben, dass er nur ein kleiner, korrupter Drecksack war, wie so viele andere, wie alle anderen eigentlich. Wie Saddam, wie Assad, wie Osama. Er hat nicht mehr alle Latten am Zaun, aber er hat Erdöl. Bleiben Sie bei Gaddafi. Es wird mittelbar viele schöne Rüstungsexporte geben, weil man die Rebellen ja irgendwie unterstützen muss, und dann werden wir den Steuerzahler die Sache schultern. Wir werden ihn jagen, überall da, wo es um ein bisschen Rohstoffzufuhr geht. Und wenn wir ihn durch einen unglücklichen Zufall wirklich einmal erwischen sollten, ist das auch nicht so schlimm. Libyen ist zerstritten genug, die Stämme werden auch ohne den Oberst im Bürgerkrieg versinken. Erst Recht, wenn wir da so gute Arbeit geleistet haben wie in Afghanistan. Und dann ist die Nachfolge ja auch nicht mehr so kompliziert. Bleiben Sie bei Gaddafi. Es lohnt sich.“