Und bist Du nicht willig…

22 06 2011

„Aber so ganz ohne Verpflichtung?“ „Müsste man ausprobieren. Das Bundesverfassungsgericht hat sicher nichts dagegen.“ „Na, die interessieren ja nicht. Hauptsache, die Kosten sind gedeckelt.“ „Auf jeden Fall. Wenn Sie freiwillig vorgesorgt haben, werden Sie sich sicher nicht pflegen lassen müssen von diesem Bundesfreiwilligendienst.“

„Was ist denn jetzt so neu an diesem Modell, wissen Sie das?“ „Vor allem eignet sich dieser Bundesfreiwilligendienst sehr gut für pflegerische Maßnahmen.“ „Sie meinen also, für Heil- und Pflegetätigkeiten? War das nicht ursprünglich mal ein richtiges Berufsbild?“ „Mag sein, aber da wir immer mehr demente Alte haben, wird das nicht mehr so sehr auffallen, dass wir uns keine qualifizierten Kräfte aus der Ukraine leisten können und wieder mehr auf Arbeitslose aus Thüringen angewiesen sind.“ „Aber abgesehen von der Qualität wird doch die Personaldecke sehr dünn.“ „Die kann gar nicht dünn werden – schauen Sie, es sind ja ehrenamtliche Tätigkeiten. Die nehmen nicht einmal einem Ein-Euro-Jobber etwas weg.“ „Wobei der ja laut Definition auch niemandem eine reguläre Tätigkeit…“ „Schlechte Witze reiße ich, haben wir uns verstanden!?“

„Der Zivildienst war doch aber auch der ideale Türöffner für soziale Berufe.“ „Na und? Spricht das gegen das Konzept?“ „Ich möchte ja nicht hören, was die Fachministerien dann wieder tönen, wenn sich keine männlichen Kräfte mehr dafür gewinnen lassen.“ „Lassen Sie mal. Dass die Schröder und die von der Leyen sich gegenseitig die Schuld geben, ist doch ganz schön. Die Pflegebranche muss sich dann wenigstens einmal nicht über irgendwelchen gesetzgeberischen Schrott ärgern.“ „Das bringt uns auch nicht mehr Betreuungsangebote für Alte und Behinderte.“ „Gut so, die Gelder werden ja sowieso laufend gekürzt.“

„Man müsste natürlich auch mal definieren, wie sich Ehrenamt und Bezahlung vertragen.“ „Wo sehen Sie das Problem?“ „Es soll ja eine Ehre sein, oder?“ „Wenn Sie jetzt darauf anspielen, dass es für die Schöpfer dieses Reformwerks auch in der Freizeit keine Tätigkeit gibt, die sie sich bezahlen ließen…“ „Ach woher – außerdem gehören diese Bürger ja auch zum sozialen Kapital.“ „Was wollen Sie denn damit sagen? Dass die Politik nicht dazugehörte?“ „Zum Kapital schon.“

„Wo wir beim Kapital sind: es ist ja nicht viel, was für so eine Vollzeitstelle gezahlt wird.“ „Sagen Sie es ruhig. Es wird gar nichts gezahlt.“ „Weil es sich um Ehrenämter handelt?“ „Der Gedanke der Freiwilligkeit würde durch eine zu hohe finanzielle Entschädigung am Ende noch zerstört.“ „Die Menschen würden einen falschen Anreiz sehen?“ „Es soll überhaupt keinen Leistungsanreiz im Zusammenhang mit dem Freiwilligendienst geben.“ „Weil es sonst nicht genug Freiwillige gäbe?“ „Es müssen eben echte Freiwillige sein, die aus freiem Entschluss sich für eine soziale Tätigkeit zur Verfügung stellen. Die Gelder dürften eigentlich überhaupt keine Rolle spielen.“ „Aber Sie können auch nicht erwarten, dass die Menschen, die sich für so ein Amt hergeben, überhaupt keine Einkünfte mehr haben.“ „Warum sollten sie?“ „Als das noch Zivildienst hieß, gab es auch einen entsprechenden Sold.“ „Der war allerdings nur das Gegenstück zur Ehrenzahlung für die freiwillige Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland.“ „Na, so freiwillig auch nicht. Es gab ja immerhin die Wehrpflicht.“ „Richtig. Und nach diesem Modell sollten wir es auch weiterhin handhaben.“ „Dass wir die ehrenamtlichen Tätigkeiten mit mehr Prestige ausstatten?“ „Dass wir die Bürger, für die es in Frage käme, dazu bringen, ihrer Freiwilligkeit nachzukommen. Deutschland ist ja kein Ponyhof.“

„Letztlich kann es doch nur darauf hinauslaufen, dass sich Arbeitslose melden, die…“ „Sie haben einen entscheidenden Punkt vergessen: sie melden sich freiwillig.“ „Wie, freiwillig? aber die stehen doch unter Zwang der Argen?“ „Freiwilligkeit ist ja auch unter gewissen nicht offen auftretenden Zwangsbedingungen durchaus denkbar. Wenn man zwangfrei einwilligt. Zwangseinfreiwilligung.“ „Was aber kein Ehrenamt mehr wäre.“ „Da wir die Bundesfreiwilligen hier entlohnen würden durch eine Grundsicherung oder als Aufstocker, um die Anreize zu einer freiwilligen Leistung…“ „Wie kann man denn Anreize zur Freiwilligkeit geben?“ „Wenn sie die Anreize nicht wahrnehmen, werden sie eben freiwillig arbeitslos.“

„Ihnen schwebt für solche Tätigkeiten doch bestimmt ein Kombi-Modell vor?“ „In der Tat, es ist sicher ratsam, den kompletten Bürgerarbeits-Sektor auf freiwilliger Basis zu entlohnen.“ „Wäre da nicht gleich das Modell Bürgerarbeit die bessere Alternative?“ „Wenn Sie noch Raum für Steuersenkungen für den leistungsbereiten Teil der Wählerschaft lassen wollen, wäre das unklug. Zu teuer. Als ehrenamtlicher Arbeitsloser bekommen Sie so viel Mietzuschuss, wie die Kürzungslage der Kommunen zulässt, als arbeitsloser Ehrenamtlicher würden Sie anrechnen und unverschämterweise allein dadurch Forderungen stellen, dass Sie einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Wollen wir das einreißen lassen?“ „Nein, Sie haben ja Recht. Wir sollten uns wirklich zufriedengeben mit dieser Situation. Dann würde in Berlin auch endlich wieder jemand Schnee fegen?“ „Nicht nur das. Warten Sie ab, bis wir mit dem Konzept eine richtige Freiwilligenarmee aufgestellt haben.“