
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Es gibt diese Spezies, auch wenn die meisten, die ihrer ansichtig wurden, entweder traumatisiert schweigen oder, und das ist wahrscheinlicher, die Berührung mit ihr nicht lange überlebt haben. Er ist der Feind des Lebendigen, die aus Finsternis und Körpergeruch geborene Herausforderung für das restliche Universum. List und Tücke, Schmierfett und abgebrochene Holzschrauben säumen seinen Weg. Er treibt alles in den Wahnsinn, mitleidlos und kalt. Er ist der Herr über Leben, Tod und Warmwasserversorgung. Er ist der Hausmeister.
Der Hausmeister ist die Stelle, wo die Evolution beim Kneten abgerutscht ist. Zuchtversuche erübrigen sich, man nimmt einfach das, was bei der Kreuzung aus Braunalgen, Fadenwürmern und Teebeuteln lang genug herumgelegen hat, stopft es unter einen Cordhut und befestigt es an einem Zollstock. Etwaige Lautäußerungen überspielt man mit Tritten in die untere Körperregion. Reagiert das Ding auf Schmerzreize, grobes Anschreien und elektrische Schläge, so handelt es sich um verwendungsfähiges Material, das in einen Kittel gesteckt und in eine Erdgeschosswohnung verbracht werden kann.
Zunächst ist der Hausbesorger an der komplett sinnlosen Eigenart seines Tuns erkennbar. Der durchschnittliche Mieter, der Eigentümer gar setzt auf ökonomisch vernünftiges Handeln und beginnt, den Schnee abzufegen, sobald keine Flocke mehr vom Himmel rieselt. Der Hauswart steht und schaufelt, stundenlanges Gestöber ignorierend, im dichtesten Wetter und verteilt den Matsch gleichmäßig auf Gehweg, Zufahrt, Parkplatz und Schnittgerinne. Er vollführt dies in einem Tempo, bei dem andere Bekloppte unter physikalischen Normalbedingungen an der Erdkruste festfrören, gerät aber genau dann in hyperaktive Zustände, wenn die von ihm dergestalt betreuten Mieter sich erlauben, den frisch vom Eise befreiten Beton auch zu betreten. Dem Brüllaffen nicht unähnlich, obzwar erheblich weniger elegant, vollführt der Wächter ein Geschrei zur Reviermarkierung.
Her-, meist Hinrichtung des Wohnbegleitgrüns lässt dem Besorger manche Entfaltungsmöglichkeit angedeihen, um seinen Zerstörungstrieb für die Außenwelt sichtbar zu machen. Wo noch eben schlank sich Efeu emporwand, leuchtet nacktes, bröseliges Mauerwerk ins Straßenbild. Wehrlose Koniferen ächzen unter dem enthemmten Strauch- und Kahlschnitt, den der Ordnungsfanatiker vollzieht: was nicht lotrecht wächst, wird aus der Existenz gestampft. Nicht auf den Millimeter genau ausgerichtete Frühblüher nippeln unter seiner Hand ab, Spalierobst erlebt einen Splatter-, die Pergola einen Splitteranfall. Was ein echter Hausmeister ist, der würde mit dem elektrisch betriebenen Flammenschwert selbst den Garten Eden in ein gleichmäßig rauchendes Armageddon verwandeln.
Zum Kernbestandteil jeder Hausmeistertätigkeit zählt die Auseinandersetzung mit der Materie, will sagen: physische Gewalt gegen Metall und Beton. Wo Rohre tropfen und Abflüsse seicht in die Wandung sickern, ist seine Zange nicht fern. Da er einige Naturgesetze durch stupides Hersagen zu verinnerlichen imstande war, ist der Hauswart nun in der Lage, ihnen gemäß zu handeln: nach fest kommt lose, und wenn es schon fest sitzt, so haut man allemal drauf, denn ist alles im Arsch, muss es eh ersetzt werden. Zahlreiche Henker, Schlächter und Boxer hätte man aus diesem Menschenschlag formen können, wäre es nur nicht so verdammt schwierig, ihnen jeden Morgen den aufrechten Gang beizubringen. So nimmt es nicht wunder, dass sie auch aus Fließwasser und elektrischem Strom interessante Objekte herstellen können, die nicht immer, aber ab einem gewissen Grad artistischer Freiheit durchaus zum Abbruch der Immobilie samt jähem Frühableben ihres Schöpfers führen. Wer immer eine zweibeinige Gestalt sieht, die auf einem Bügelbrett über dem Vordach im 198. Stockwerk balanciert, kann sich sicher sein, einen Hausmeister im Blick zu haben.
Natürlich ist der Hausmeister vor allem dem Eigentümer des Anwesens verpflichtet; unterwürfig dienert der Behämmerte vor dem Arbeitgeber, lüftet den Flohfänger und nimmt den Tagesbefehl an. Werterhalt ist die Maxime. Auch begegnet man dem Mieter, jenem renitenten Zeitgenossen, der sich meist in Vereinen organisiert und Anwälte für sich arbeiten lässt, lieber nur mittelbar. Eng verwandt mit dieser Haltung ist der eigentliche Seinsgrund des Versorgers: er versieht das Haus mit der nötigen inneren Sicherheit. Die minutiöse Kontrolle des Posteingangs obliegt seinen schwiemeligen Fingern ebenso wie der Hausmüll: während leere Chipstüten für ihn ein Anzeichen von Zügellosigkeit darstellen, deutet er Kartoffelschalen als ökoterroristisches Symptom linksanarchischer Gesinnung und meldet den mutmaßlichen Vaterlandsverräter sogleich dem Staatsschutz. Denn es ist sein Element, unsinnige Ansätze von Ordnung da zu schaffen, wo sie dem Verlauf der Geschichte nichts entgegenzusetzen haben. So wie er selbst den höheren Arten. Oder jeder anderen Form von Biomasse, die sich ohne fremde Hilfe fortpflanzt und schmerzfrei frisst.
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