Jeder Schuss ein Treffer!

27 07 2011

Hatte es etwas mit Ballermann zu tun, sind es drei Grazien, die gerade zielen? Oder Probeaufnahmen für die Piratenversion von Two and a Half Men? Arbeitet der freundliche Herr in der Mitte als Eyecatcher? Gab es wieder Glühwein mit Schuss? So vieles, was man nie erfahren wird. Dieser Freitagstexter birgt in sich eins der letzten Geheimnisse unserer Zeit.

Und darum werfe ich jetzt auch nicht die Flinte ins Korn, das soll ja dann das blinde Huhn von alleine finden – her mit dem Pokal nach diesem Schützenfest!

Auf Platz 3 ein glatter Blattschuss, mit dem Frau Dinktoc auf eine alte südländische Tradition zielt. Und trifft.

Eeeh … Luigi, Silvio, lasst uns das unter fünf Augen regeln!

Platz 2 gebührt einem Kunstschuss, durch die Niere rein und, stilhäschen sei Dank, zum Auge wieder raus.

Die drei Göttinnen Venus, Justitia und Diana gönnen sich gerne mal ein Verkleidungswochenende in ihrem Waldhäuschen.

Die Wahl fiel schwer, des Schwankens ward fast kein Ende. Den 1. Platz schießt sonst der Vogel ab, diesmal umgekrhrt und nach dem Motto „Dicht daneben ist auch vorbei“: , locker aus der Hüfte.

Ein klarer Fall von fUZI logic.

Herzlichen Glückwunsch! Der Texterpott wandert frisch gewienert in die Hände des Siegers, alle Mitmacher und -innen seien nochmals vielfach bedankt, und am Freitag, den 29. Juli, treffen wir uns. Wieder. Beim vielfrass nämlich. Ohne Gewehr.





Handarbeit

27 07 2011

„Sie haben das Buch bekommen?“ Er blickte mich skeptisch an. Eine merkwürdige Art der Begrüßung, zumal er keine Anstalten machte, sich von seinem Stuhl zu erheben. Ich setzte mich und nickte. „Anna Susanna Apfelkern, Einführung in die klinische Pathophysiologie. Dritte, vermehrte Auflage. Berlin 1999. Universitätsverlag Gröbler-Schlumpach. Auf Seite 37 war der Code versteckt.“ „Gut“, lobte er. „Sehr gut gemacht. Sie werden sicher einmal eins unserer besten Mitglieder.“ „Das will ich meinen“, gab ich zurück, „für das Geld kann man auch eine erstklassige Ausbildung erwarten. Wenn man schon einmal Terrorist werden will.“

Er rührte in seiner Kaffeetasse. Der Ober kam an den Tisch und nahm die Bestellung auf. „Wir hätten Ihnen die Botschaft auch in einer anderen Bibliothek zukommen lassen können. Unsere Organisation ist inzwischen so gut vernetzt, dass wir auch soziologische, astronomische oder kunsthistorische Literatur als Container verwenden können. Oder Kochbücher. Oder Klaviernoten.“ Er nestelte die Brieftasche aus seinem Jackett und öffnete sie umständlich. „Ich mache Sie gerne mit dem System vertraut, wenn Sie das wünschen. Es ist nur ein wenig komplizierter als unsere übliche Methode.“ Ich drehte mich um, doch der Ober ließ sich nicht sehen. „Verhalten Sie sich ruhiger“, mahnte er. „Sie sind viel zu auffällig. Oder wollen Sie ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten, bevor Sie etwas Verbotenes getan haben?“

Ein Kärtchen nach dem anderen legte er auf den Tisch. „Sie sollten etwas von Chemie verstehen. Und Sie sollten wissen, wie Sie innerhalb einer Stunde diverse Gegenstände besorgen können.“ Ich runzelte die Stirn. „Waffen? Sprengstoff? Falsche Pässe?“ Er lächelte nachsichtig. „Viel schwieriger. Ein Schwingschleifer, kanariengelbe Socken, eine Rolle Himbeerdrops. Wir arbeiten professionell.“ „Lassen Sie mich deshalb auch den halben Busfahrplan auswendig lernen, einschließlich Streckennetz und Haltestellen?“ Er nickte. „Man muss hin und wieder improvisieren, und wir überlassen die Dinge nun mal ungern dem Zufall.“

Jetzt war auch der Ober gekommen. Er stellte ein Kännchen und eine Tasse samt Untertasse auf den Tisch, wechselte den Aschenbecher aus und ging wieder fort. „Man kann es ja auch etwas unterhaltsamer gestalten“, nahm der Mann den Faden wieder auf. „Man kann beispielsweise viele Buchstaben mit einer Stecknadel durchbohren, jede Menge Buchstaben.“ „Ich verstehe“, unterbrach ich ihn, „und wenn man sie aneinanderreiht, bekommt man die Botschaft.“ Wieder runzelte er die Stirn. „Sie wissen offenbar noch nicht besonders viel. Natürlich könnte man H-A-U-P-T-B-A-H-N-H-O-F anpieksen, aber würde das nicht jeder andere auch lesen können? Was wäre, wenn zwischendurch einige Ziffern durchbohrt wären, als erste eine Neun, zuletzt eine Zwei – dann würde nur jeder neunundzwanzigste Buchstabe überhaupt zur Botschaft gehören, und es gäbe dazwischen eine Menge Ziffern, die zusätzlich Verwirrung stiften.“ Jetzt war es an mir, skeptisch zu reagieren. „Ist denn das nicht viel zu viel Aufwand? Ich lese ein pathologisches Fachbuch, finde ein Wort mit elf Buchstaben und sehe im Schrankfach 11 der hiesigen Badeanstalt die mühsam in den Boden eingekratzte Adresse dieses Cafés. Und ich habe nicht einmal eine Vorstellung davon, warum ich hier sitze.“

Sorgfältig steckte er die Kärtchen wieder in seine Tasche. „Wir könnten es auch ganz anders aufziehen. Sie bekommen einfach jeden Tag einen Reklamezettel in den Briefkasten geworfen.“ „Sie könnten die Botschaft auch ganz einfach in einen Brief schreiben.“ Er grinste linkisch. „Vermutlich hatte ich mich in Ihnen getäuscht, Sie sind doch noch nicht so weit. Natürlich bekommen auch alle anderen Anwohner in Ihrem Häuserblock den Werbezettel, sonst wäre es zu offenkundig. Oder wir schalten jeden Tag eine Zeitungsanzeige. Oder ich frage Sie ab sofort jeden Morgen nach dem Weg, wenn Sie Ihre Frühstücksbrötchen holen. Haben Sie es nun verstanden?“ „Sie meinen“, fragte ich zaghaft, „dieser ganze Aufwand dient nur dazu, die Schnüffler auszuschalten?“

„Das Problem ist, dass die Wirklichkeit für diese Typen viel zu kompliziert ist.“ Er zog zwei weitere Karten aus der Brieftasche, betrachtete sie kurz und steckte sie wieder zurück. „Sie sind mit allem, was ein bisschen komplexer ist, sofort überfordert. Das größte Geschenk, das man uns mitgegeben hat, ist unser Geist; er ist jederzeit in der Lage, ein Problem zu erkennen und die richtige Lösung dazu zu finden. Mönche brachten die Eier des Seidenspinners in ausgehöhlten Wanderstäben nach Europa, sowjetische Spione transportierten die Baupläne von Atomraketen im Schuhabsatz oder im Stiftzahn, die Griechen der Antike haben perfekte Geheimschriften ausgeklügelt, die Römer das Augurenlächeln kultiviert – nur von uns erwarten die Wächter, dass uns nicht mehr einfällt, als Ihren elektronischen Überwachungsfantasien zu folgen. Aber was ist damit schon getan. Wer einen kleinen Geist besitzt, denkt klein.“ Er stand auf und knöpfte sorgfältig sein Jackett zu; dann griff er in die Hosentasche, sortierte einige Münzen und legte zwei von ihnen vor mir auf den Tisch. „Wer glaubt, klüger zu sein als sein Gegner, hat den Krieg schon verloren.“ Bevor er die belebte Straße überquerte, drehte er sich noch einmal zu mir um. „Sie hören von uns.“