
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Sanftmütig ist das Rind, wie es uns muhend Milch gibt, Fleisch und die Haut, aus der unzählige Handtaschen und Schuhe entstehen, ohne die das Gespons des Hominiden die wichtigen Dinge durch kontinuierliche Lautabgabe verdürbe, Fußball, Motorsport oder die Pendelhubstichsäge. Das edle Hornvieh will also umworben sein, gefestigt in seiner Beziehung zum Menschen, ganz in Besitz genommen durch Nasenring und Brandzeichen, die da sagen: ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein.
So auch der Bekloppte. Längst ballert er sich die Abfälle der metallurgischen Industrie in sämtliche unvorteilhaft den Körperumriss verbeulenden Ausstülpungen, peikert die Fibroblasten mit schwiemeliger Gebrauchsgrafik voll und pumpt sich Silikon in die Regionen, die definitiv besser entwickelt sind als sein Kalotteninhalt. Schaudernd sieht der geistig gesunde Jetztzeitler, wie sich vollgekritzelte Gliedmaßen mit immer derselben Individualität aus dem Katalog des Tätowierers vor ihm an der Supermarktkasse winden, als hätte sich ein volltrunkenes Kleinkind an der Werkbank des nichts ahnenden Vaters mit Schnitzmesser und Stempelkissen aufgehübscht. Adipöses Welkfleisch umschwallt zu erahnende Bauchfalten, deren Speck in Maschendrahtmaterial eingefassten Zirkonia ein klebrig-verschwitztes Heim bieten, auf dass die Trägerin der Schmiernippeldurchdübelung mit einem bauchfrei geschnittenen Einmannzelt in geblümter Waschseide dem Betrachter jegliche Hoffnung raube, seinen Chymus bei sich zu halten, der doch spätestens dann brüllend emporsprudelt, wenn der Gedanke an das Raumzeitkontinuum sich einstellt: auch dieses Bindegewebe wird dereinst die Gravitation höhnisch in die Tiefe zerren.
Wie die naturnah lebenden Völker, so verspürt auch der Bescheuerte früher oder später den Drang, sich fingerdicke Holzpflöcke in die Ohrwascheln zu dengeln und die Zunge spalten zu lassen; kein postmodernes Schnitzelkind aus der Kulturnation, deren Präsident sich über Konflikte an der polnisch-schweizerischen Grenze auslässt, würde bei genug finanzieller Deckung länger als nötig auf eine nach dem Durchschnitt geknetete Nase warten – schnell noch das Gesäuge ins Bolzenschussgerät, den kleinen Finger abgesägt, die Rübe mit Teflon auf Marsmännchen getrimmt, die Bindehaut mit Feilspänen unterfüttert, fertig ist die authentische Dutzendfresse, genauso einmalig wie alle anderen.
Es ist natürlich, und wie könnte es anders sein, der ungeheure Distinktionsgewinn, wenn die urbane Vollbrezel sich einen Ascher in die Unterlippe schiebt, während die übrigen Hipster noch Handgriffe zum Wegschmeißen am Steiß tragen. Schnell noch etwas Stahlschrott unter die Epidermis geschoben, damit in der Resonanzröhre der Schädel schneller platzt, und zur Vorsicht ein Sonnenbrillen-Tattoo geordert, weil sich das Augapfelpiercing sonst entzündet. Und es ist ja auch dialektisch unheimlich tricky, sich mit den Insignien der sozial Ausgestoßenen zu schmücken, um deren Rolle als dekonstruierte Bohémiens des Neuen Primitiven mit radikaler Opposition zu füllen, praktischerweise als materialistische Mainstream-Arschlöcher und von Papas Kohle. Der transkulturelle Habitus wird denn auch bloß wie ein Einkaufswagen im Tran vor sich hergeschoben, allenfalls lässt man sich in asiatischer Kalligrafie Mindestens haltbar bis: siehe Enddarminnenseite ins Nierenrevier stanzen. Wer da en vogue sein will, müsste seine Physis ohnehin als Baukasten benutzen, Arm ab, Beule dran, hier ein Loch in die Fußsohle, dort eine Hautverschnipselung für die Ewigkeit, die nach spätestens einer Saison wieder weg muss. Das ganze Branding, Amputating, Hirnwegpusting ist nur das Torkeln auf dem schmalen Grat zwischen Knallverdeppung aus Eitelkeit und ausgelebter Dysmorphophobie: wenn die angeborene Physis das bisschen Grütze im Schädel überfordert, weil Selbstbewusstsein nicht auf dem Stundenplan stand, macht man ein Date mit der Änderungsfleischerei und pimpt die Reste vor der Gesichtsrückgabestelle wieder auf Gebrauchswert.
Denn das ist das von jeglicher Rücksicht auf Verluste befreite Motto der geschmacksverkalkten Readymade-Ästheten: Wanst und Waden werden aufgepimpt, als gälte es einen Wettbewerb um die übelste Homo-sapiens-Parodie zu gewinnen, die im Karneval mit Bravour noch als Zombie-Imitat durchrutscht. Selbstverständlich eitert das vielfarbig misslungene Schmierakel als blumenkohlesker Keloid irgendwann wieder aus den Halsfalten, mit Sicherheit entzündet sich der Stahlstift im Gemächt, ohne Zweifel wird die aufgemotzte Zahnspange einem bunten Cocktail an Bakterien trautes Heim sein, bis das Blut aus dem Zahnfleisch rauscht und Kollege Karies aus den Beißern jodelt. Die Zeit naht, da die Seniorenheime sich füllen mit den Opfern des Kevinismus, gezeichnet von schlecht weggelaserten Tribals auf Arsch und Armen, schlaffe Haut, daran die Pfleger sich mit den eigenen Widerhaken verfangen, verknorpelte Wülste, für die das Krematorium eine Abwrackprämie kassiert. Höchstwahrscheinlich zahlen sie die mit dem Schrottwert der Herzschrittmachers. Er wird das einzige Originalteil an ihnen sein.
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