„Aber nur, wenn Sie gerade etwas Passendes hätten, ja? Nicht um jeden Preis, wissen Sie, man sollte doch etwas finden, was sich einigermaßen gut ausmacht. Was dem gesellschaftlichen Anspruch genügt. Und gerne halbtags oder Teilzeit, Herr Westerwelle möchte nicht arbeiten für sein Geld.
Umschulen, meinen Sie? Das gäbe ein paar kleinere Probleme. Für eine Umschulung müsste man natürlich – ich meine die Rückbildungsphase, so läuft das doch? Erst die alten Kenntnisse weg, dann die neuen lernen? Das wird problematisch. Herr Westerwelle, wie soll ich sagen, er ist ja nun eigentlich gar nichts. Nein, auch nicht. Auch kein Taxischein, bedaure. Stand in der Stellenanzeige für den Außenminister nicht drin. Etwas Jura, danach hatte er bloß Transferleistungen. Anstrengungsloser Wohlstand, genau.
Etwas Maritimes wäre schon sehr nett. Haben Sie da etwas vorrätig? Großartig, ganz großartig, das wird ihm Spaß machen. Sagen Sie es nicht weiter, aber er ist immer schon ein großer Fan von Traumschiff gewesen, seitdem Sascha Hehn dort – Mövenpick? Er soll die Marmeladen am Frühstücksbüfett auffüllen? Entschuldigen Sie mal, Sie haben hier Guido Westerwelle, wissen Sie eigentlich, was das bedeutet? Für wen halten Sie sich eigentlich? Sie werden jetzt auf der Stelle eine angemessene Tätigkeit für Herrn Westerwelle finden, auf einer Stelle, wo’s dampft und segelt, und zwar – na also, warum nicht gleich so. Maritimer Bereich, sagten Sie? und selbstständig? und in verantwortungsvoller Position? Weit und breit keine Konkurrenz? Was ist das für ein Job? Heulboje!?
Hören Sie mal, Sie müssen sich doch jetzt nicht auch noch einen Spaß daraus machen, dass der Herr Bundesaußenminister gerne einen anständigen Beruf hätte. Das kann man doch jetzt auch ganz normal als eine – wie, das geht nicht? Aber in Deutschland bekommt doch jeder den Job, den er haben will? Hatten wir das nicht immer gesagt? Oder nein, es war anders: jeder, der will, bekommt etwas, was wie ein Job aussieht. Richtig. Kann ich mich also auf Sie verlassen, dass Sie das in die Hand nehmen? Aber das ist doch nicht mein Problem – ich meine, Herr Westerwelle ist doch Leistungsträger? Der kann doch eine angemessene Bezahlung beanspruchen, ohne dafür auch noch etwas tun zu müssen? War das nicht so abgemacht?
Zirkus? Sicher, man probiert ja alles mal aus. Als Pausenclown ist man nicht so beliebt? Wie wäre es mit einer akrobatischen Nummer? Sie, er hat auf Wunsch überhaupt kein Rückgrat, der kriecht Ihnen überall rein, wenn Sie –
Ja, er hatte mehrfach mit Diplomaten zu tun. Kann ein, dass da etwas abgefärbt hat, so genau hat sich Herr Westerwelle nicht dafür interessiert. Ob er was? Sicher kann er ein Hummerbesteck bedienen, das dürfte angesichts seines Umgangs doch kaum eine Frage sein. Ich bitte Sie, ist das ernst gemeint? Als Kellner? Wie, er hat unter Merkel doch auch nichts anderes gemacht? Das ist doch wohl –
Leistungsträger hätten Sie so nicht in Ihrem Katalog? als Ausbildungsberuf auch nicht? Und was ist mit Aktionär? Nichts? ‚Markt!‘-Schreier? Rumpelstilzchen-Imitator? Ich-Ich-Ich-AG?
Die deutsche Wirtschaft? Ganz neues Konzept? Hoffentlich nichts Illegales, man weiß ja nie. Ach so, ja. Fotografieren lässt sich Herr Westerwelle gerne. Er ist schon fotogen. Meint er jedenfalls. Für eine Werbeanzeige? Aha. Fünf pro Tag? Muss er sich jedes Mal neu ablichten lassen? Nur einmal? Das klingt doch gut. Testimonial-Kampagne? für Unternehmensbeerdigungen? Das macht Herr Westerwelle sicher gerne. Wir freuen uns, diese Agentur zu unseren – ach, die Kunden selbst? Wenn ich ein Unternehmen unbedingt insolvent kriegen will, miete ich mir Westerwelle als Werbegesicht und bin dann garantiert pleite in zwei Jahren? Das ist, wie soll ich das sagen – wie hoch war noch gleich das Honorar?
Haben Sie denn nichts mit etwas Anspruch? Ich meine, eine verantwortungsvolle Aufgabe, die man in der besseren Gesellschaft auch sehr gut als eine – Schädlingsbekämpfer? Weil er die FDP dezimiert hat?
Nein, Schneeschippen ist ihm wirklich nicht zuzumuten. Sie müssen wissen, Herr Westerwelle hat ein äußerst empfindsames Gemüt. Das liegt nicht an der Kälte oder am Streusalz, aber sie stecken ihn doch nicht mit normalen Menschen zusammen in eine Arbeitskolonne? Haben Sie denn gar kein Herz? Das können Sie dem Herrn Minister nicht antun! Wattebäusche zertreten und Passanten anpöbeln, das kriegt er vielleicht noch hin, aber Schnee fegen? Mit diesen, entschuldigen Sie – die Leute zahlen Steuern? Wie ekelhaft ist das denn?
Wir nähern uns der Sache wohl langsam. Politik ist immer schon mal gut, da braucht man nichts zu wissen, hat wenig zu tun und gibt seine Verantwortung gleich wieder ab. Bestens, da suchen Sie doch gleich mal weiter. Haben Sie schon etwas? Opposition? Großartig! Das ist eine hervorragende Idee. Das wird er nehmen. Als Generalsekretär? Wunderbar, da kann er genau das machen, was er am besten kann: so tun, als ob er organisierte. Da muss man keine inhaltlichen Entscheidungen treffen, kann aber den ganzen Tag lang die Presse anbrüllen, und dazu muss man noch nicht einmal wissen, worum es geht. Eine hervorragende Idee! Da könnte er endlich seine Persönlichkeit entfalten, das nehmen wir, auf jeden Fall! Haben Sie recht herzlichen Dank, wir sehen uns dann Montag. Und recht liebe Grüße auch an die NPD!“
Satzspiegel