Gernulf Olzheimer kommentiert (CXV): Camping

5 08 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Was hat sich der Hominide da eingehandelt, als er vom Baum gekrochen kam. Nieselregen, Wind, Mammutgestampf, unangenehme Gerüche, mehr noch: seinesgleichen in erhöhter Stückzahl, wie sie nur in der Ebene auftreten können, ein penetrantes Horrorszenario in Vollendung. Der Trottel auf der Erdkruste lernt wenig und langsam, doch ahnt er rasch, dass nur der Rückzug ihn vor traumatischen Erlebnissen retten kann. Ab in die Höhle, Spuren verwischen, Tür zu. Wer nach Ernährung fragt, nach Bespaßung oder körperlicher Gewalt, der wird eiskalt abgewiesen. Sein Heim ist dem Beknackten sein Schloss. Es müssen tief greifende Störungen sein, die ihn Jahr für Jahr zum Camping treiben.

Was die Witterung angeht, kann man gleich draußen bleiben; mühelos fräst sich die Bodennässe durch die Zeltplane, in spielerischer Leichtigkeit lässt eine seichte Brise den aufgespannten Vorbau eines Liegemobils zu Fetzen zerknattern. Das nordeuropäische Sommerimitat lässt die vitalen Kräfte des Bekloppten schwinden, ehe noch sich die beabsichtigte Erholung einstellt. Erholung? Selbstverständlich, nicht zur Ertüchtigung für die kriegerischen Bedürfnisse seiner Patriarchen haut sich das Schimmelhirn Tag und Nacht im Modder um die Ohren, sondern zur Erholung von urbanem Luxus – Fließwasser, Heizung, Türschlösser – und auf dem Weg zurück zur Natur, wo sich Käfer und Made Gute Nacht sagen.

Der Vollkontakt mit den Elementen spielt eine tragende Rolle; Wasser, Luft und Erde erledigen die klimatischen Bedingungen mühelos, um das Feuer kümmert sich der grillende Nachbar auf dem Standplatz, denn die Hölle, weiß Sartre, das sind die anderen. Und sie wissen mit dem Feuer umzugehen, wenngleich nicht mit Schweinenieren, altem Frittieröl und Brennspiritus. Rauchzeichen dienten seit den mythischen Urgründen der Verständigung, inzwischen dienen sie den Nappeln der Freiluftszene zur Demarkationslinie aus schwefligem Aerosol. Schwade um Schwade blakt der Qualm vom billigen Druckgussrost in die geschundene Atmosphäre, dass die Riechzellen vage an Stierbrandopfer denken, alttestamentarische Strafen assoziieren und die Klappaxt aus dem Kofferraum zerren – hier trifft sich quer über alle zivilisatorischen Schranken der gute alte Zwang, jede noch so geringe Kränkung mit brutaler Gewalt zu beantworten, das Patentrezept zur Auslöschung des Menschengeschlechts.

Doch nicht nur der Feinstaub schwillt im Äther, auch die Schallwelle raspelt an den Synapsen. In voller Lautstärke röhrt Volks- und Deppenklang aus der tragbaren Dröhnschüssel, Mutterlaut sägt die Luft, kreischend kraucht die Brut durch die welke Vegetation – wes Trommelfell sich nicht ächzend nach innen beult, des geht der Mund über, und das nicht von eitel Wohllaut. Fort ist die zaghafte Völkerverständigung, dahin die Aussicht auf Friede und Eintracht zwischen Generationen. Denn das entsteht, wenn der Doofe in die Pampa rumpelt, um seiner Lärmentfaltung freien Lauf zu lassen, wie es im heimischen Plattenbau zu Frontzahnausfall und schweren Haltungsschäden führte.

Weil der zivilisatorische Träumer dumm ist, dümmer jedenfalls als der Beipackzettel zu seiner Existenz. Ruhe und Frieden sucht er, Ruhe von den Mehlmützen seiner Nachbarschaft, Frieden von den Querkämmern seiner näheren Umgebung, die ihm permanenten Juckreiz in die Augen schwiemeln. Insgeheim wünscht er sich nichts, als Freiheit und Wohlgefühl ohne Ehegespons und Nachfahren zu genießen, ledig leidiger Pflichten, im Gnadenstand der Bedürfnislosigkeit. Aber Pustekuchen. Sand scheuert ihm auf diversen Schleimhäuten, der mürrische Blockwart guckt dreimal täglich, ob er die Karte auch richtig abgestempelt hat, die Dusche für drei Dutzend unangenehme Körpergerüche ist halb antiquiert und halb verstopft, die Anrainer im minimalen Weichbild zwei Kotzbrocken, der ganze Rotz so teuer wie anderthalb mal so lange Hotel mit Vollpension, das Wetter eine Melange aus Tiefdruck und Klimakatastrophe. Die Art von Weltuntergang, die sie uns immer erzählt haben. Dann bis nächsten Sommer, Leute.