„Das ist absurd, nicht zu sagen: abstrus.“ „Ja, da haben Sie vollkommen Recht. Und genau deshalb finde ich das ja so reizvoll.“ „Aber bedenken Sie doch mal die Folgen – kann sich Deutschland so eine Schlappe leisten? noch dazu vor den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit?“ „Wir haben das einmal überlebt, dann werden wir es auch diesmal überleben, und bedenken Sie: diesmal jagen wir den Guttenberg nicht vom Hof, diesmal holen wir ihn zurück.“ „Aber doch nicht als Außenminister!“
„Jetzt machen Sie mal halblang. Das Problem ist Ihnen doch bewusst, oder?“ „Dass Deutschland statt eines Außenministers so einen Hampelmann hat?“ „Nein, das war ja eher der Normalzustand. Problematisch wird es, weil man ihn loswerden muss, um größere Schäden zu vermeiden.“ „Und dazu wollen Sie Guttenberg zurückholen.“ „Das war so angedacht.“ „Haben Sie alles vergessen? Die ganze Geschichte mit dem Doktortitel?“ „Ach was, juristisch ist Westerwelle auch bloß eine Knalltüte. Da ändert sich nicht viel.“ „Aber er hat einen akademischen Grad unberechtigt getragen und eine ganze Reihe von Urheberrechtsverletzungen begangen.“ „Und? Westerwelle hat Dienstflüge für private Urlaubsreisen und Geschäftskontakte seiner Freunde missbraucht. Er ist in bestechender Form.“ „Das lässt sich wohl nicht vergleichen.“ „Er verhöhnt das Volk und bringt im Gegenzug Steuererleichterungen für Hoteliers durch.“ „Dafür inszeniert sich Guttenberg in Afghanistan, weil sein Blondchen Werbung für ihre Pädophilenshow im Deppensender braucht. Was ist an diesem Knilch denn bitte besser als an Westerwelle?“
„Wir sind uns einig, dass Westerwelle nicht zu retten ist?“ „Ansonsten gäbe es diese dämlichen Wasserstandsmeldungen aus der FDP-Zentrale wohl nicht.“ „Sie meinen die Nachricht, dass Gerüchte über seine bevorstehende Ablösung sich nicht mit der Realität deckten?“ „Das möchte ich hören, dass die CSU mehrmals pro Woche mitteilt: ‚Herr Ramsauer wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit morgen noch Minister sein, und wir sagen das hier auch nur, weil es vollkommen überflüssig ist.‘ Wer derlei dreimal pro Woche herunterbetet, darf sich nicht wundern.“ „Gut, wir sind uns über Westerwelles Rolle einig?“ „Dass er eine Luftnummer ist, hatten wir doch schon besprochen.“ „Nein, ich meine innerhalb der Regierung. Die Kanzlerin braucht einfach einen wie ihn, und dafür wäre Guttenberg wie geschaffen.“ „Ist Guttenberg etwa auch…“ „Selbstredend ist er erpressbar. Darum geht es doch die ganze Zeit.“ „Warum sollte ein erpressbarer Außenminister für die Kanzlerin von Nutzen sein?“ „Weil er hüpft, wenn sie knurrt. Eine eigenständige Figur, die zu viel Brimborium um sich selbst macht, kann sie nicht gebrauchen. Außenpolitik wird im Kanzleramt gemacht, gewöhnen Sie sich daran.“ „Und das hat Westerwelle nicht befolgt?“ „Er hat im Gegensatz zu Steinmeier und Fischer diese Unterordnung im AA nicht befolgt.“ „Heißt?“ „Ein Außenminister ist vor allem eins: unsichtbar. Er ist ein Rädchen im Getriebe des Amtes, und einen guten Ressortchef zeichnet aus, dass er weder seinem Amt noch dem diplomatischen Corps ins Gehege kommt.“ „Dazu brauchen Sie den Ölbaron?“ „Selbstverständlich. Er wird den Mund halten, weil er weiß, dass er sich nur so rehabilitieren kann.“ „Machen Sie es ihm nicht viel zu leicht?“ „Ach was. Er hat als Verteidigungsminister einen Eindruck gewonnen, wie es sich auf dem Schleudersitz anfühlt. Jetzt wird er sich entweder international bewähren – oder international blamieren. Danach wird er so viel mit seinem Familienunternehmen und seinem bisschen Privatvermögen protzen können, wie er will.“
„Was haben Sie eigentlich die ganze Zeit mit Ihrem dämlichen Guttenberg? Finden Sie den etwa am Ende auch noch attraktiv?“ „Ich? diesen elenden Schmierlappen!? Also ich bitte Sie!“ „Warum wollen sie ihn dann unbedingt als Minister?“ „Er verfügt über einige durchaus gute Kontakte in die internationalen Machtzentren, er ist gut vernetzt, er wurde über Jahre hinweg als Marionette aufgebaut und abgerichtet.“ „Sie beschreiben ihn wie ein kleines Hündchen.“ „Richtig. Aber im Gegensatz zu Westerwelle macht er Männchen und nicht auf den Teppich. Er hat den Ehrgeiz, er befriedigt ein dumpfes Gespür der Massen, die denken, er sei etwas Besseres, und er zaubert etwas Glanz in die geistige Umnachtung dieses Kabinetts.“
„Dann werden Sie sicherlich auch bedacht haben, dass sich die FDP kaum mit dem Verlust eines Schlüsselpostens abfindet.“ „Unter diesen Umständen sollte sie dankbar sein, dass sie den Mann von der Backe hat. Fliehender Wechsel, mehr ist nicht drin. Allenfalls eine Personalrochade.“ „Was schwebt Ihnen da vor?“ „Die CSU schickt ihren Hooligan Friedrich zurück in die geschlossene Abteilung.“ „Gut, damit könnte man wohl leben. Aber eine wirkliche Verbesserung für die Regierung sehe ich nicht.“ „Warum nicht? Die Guttenberg-Freunde, die auch bei preußischem Trallala vor der Glotze hängen, werden sich freuen, dass ihr Idol wieder Minister ist. Und die Kanzlerin wird davon natürlich profitieren.“ „Alle anderen auch.“ „Alle anderen?“ „Aber klar. Erst wird Westerwelle in Zeitlupe abgesägt und die FDP bekommt viermal die Klatsche bei Landtagswahlen. Dann bekommt Merkel die Quittung und wird abgewählt. Und dann ist Guttenberg weg vom Fenster, aber diesmal endgültig. Meinen Sie nicht, das ist es wert?“
Satzspiegel